Hilfe für Afrika?:Nix Gutes von Bono

Das Beste wollen, aber das Schlechte schaffen: Nicht nur der ewige Gutmensch Bono und Erst-Nerd Bill Gates schaden Afrika mehr, als sie dessen Not lindern.

Paul Theroux

In seiner jüngsten Ausgabe hat das Time Magazine den Rockstar Bono und das Ehepaar Melinda und Bill Gates als die herausragenden Personen des Jahres ausgezeichnet - als die gegenwärtig bedeutendsten Samariter für die Elenden dieser Welt. In der Tat, diese drei leisten Außerordentliches zur Abhilfe katastrophaler Notlagen von Armen und Hilfesuchenden in allen möglichen unterentwickelten Ländern.

Rockstar scherzt mit Politiker in Ghana im Jahre 2002: Bono mit Paul O'Neill, dem damaligen US-Finanzminister, in traditionellem Wams

Rockstar scherzt mit Politiker in Ghana im Jahre 2002: Bono mit Paul O'Neill, dem damaligen US-Finanzminister, in traditionellem Wams

(Foto: Foto: AP)

Und doch will die Kritik an ihrer Art von Hilfe nicht verstummen, vor allem die Kritik an Aktionen zugunsten des afrikanischen Kontinents. Paul Theroux, einer der großen amerikanischen Romanciers, Reise- und Sachbuchschriftsteller, formuliert seine sehr heftigen Einwände gegen die Entwicklungshilfe, wie sie Bono, Gates und andere Prominente veranstalten, nicht als Moralist, sondern auf der Basis eigener Erfahrungen als Lehrer in Afrika. Es geht nicht darum, vergebliche Liebesmühe anzuprangern, weil viele Spenden im Nichts versickern, es geht vielmehr dar um, die zum Teil verheerenden Folgen zu vermeiden, die solche wohlmeinende, aber unüberlegte Hilfe auslöst.

Die Weihnachtszeit mit ihren rührseligen Geschichten hat in mir Züge eines Scrooge geweckt. Als meinen Gegenspieler in der Welt von Charles Dickens erkenne ich den irischen Rockstar Bono, mit bürgerlichem Namen Paul Hewson. Er hat den Part von Mrs. Jellyby übernommen. In endlosen Tiraden ergeht sich diese Figur in dem Dickens-Roman "Bleak House" über das von ihr "adoptierte" Dorf Borrioboola-Gha am Niger-Ufer. Sie will Afrikaner retten, indem sie dort das Drechseln von Klavierbeinen sowie deren Export in alle Welt finanziert. Um Geld für ihre Pläne zu beschaffen, bettelt sie ständig andere an.

Es scheint Afrikas Los zu sein, als Bühne für hohle Phrasen und theatralische Gesten herhalten zu müssen. Manche Prominente versuchen damit wohl nur, das eigene Image aufzupolieren. Doch damit erweisen sie Afrika, dem sie eigentlich helfen wollen, einen Bärendienst. Die destruktive Vorstellung, Afrika sei ein hoffnungsloser Fall, ihm könne nur durch Wohltätigkeitskonzerte internationaler Stars geholfen werden, strotzt vor irreführender Hybris.

Immer mehr Geld in alten Kanälen

Wer sich wie ich vor mehr als 40 Jahren als Lehrer im Rahmen des Peace Corps im ländlichen Malawi engagiert hat, verfolgt entsetzt die Berichte über die Entwicklung dieses unglückseligen Landes. Traurig kehren wir von unseren Besuchen dort zurück. Mehr noch entsetzen uns freilich die meisten Lösungsvorschläge für die Probleme Afrikas. Damit meine ich nicht die humanitäre Unterstützung, die Hilfe bei Katastrophen, die Aids-Aufklärung oder den Einsatz für erschwingliche Medikamente. Auch nicht jene kleinen, streng überwachten Hilfsprojekte wie etwa Oprah Winfreys Schule oder das Malawi-Kinderdorf.

Was ich meine, ist das Forum derer, die Afrika stets von Neuem finanziell unter die Arme greifen wollen. Das schien lange die Lösung für viele Probleme. Inzwischen gilt dies nicht mehr. Solange nicht über jede Spende Rechenschaft abgelegt wird - was so gut wie nie vorkommt - werde ich mich hüten, Organisationen durch Zahlungen zu unterstützen. Immer mehr Geld in die alten Kanäle zu pumpen, ist nicht nur vergeblich, sondern unüberlegt und schädlich.

Die Bürger Malawis sind heute schlechter ausgebildet und ärmer, sie leiden stärker unter Krankheiten und unzureichender Versorgung als Anfang der sechziger Jahre, als ich dort lebte und arbeitete. Das liegt nicht an mangelnden Spenden oder fehlender Hilfe von außen. Malawi war Nutznießer vieler Tausender ausländischer Lehrer, Ärzte und Krankenschwestern, auch an finanzieller Hilfe fehlte es nicht. Dennoch verfiel der Staat, der einmal Anlass zur Hoffnung gegeben hatte.

Nix Gutes von Bono

Mitte der sechziger Jahre glaubten wir, Malawi sei bald selbst in der Lage, genügend Lehrer für das eigene Land hervorzubringen. Das wäre möglich gewesen, wären nicht jahrzehntelang Lehrer vom Peace Corps dorthin entsandt worden. Sie waren hoch willkommen, denn die Amerikaner unterrichteten an den Schulen im Busch, wo die Malawier ungern hingehen.

Bono zwischen Melinda und Bill Gates

"Die guten Samariter" auf dem Time-Cover: Bono zwischen Melinda und Bill Gates

(Foto: Foto: AP)

Gut ausgebildete Malawier ziehen es vor, im Ausland zu arbeiten. Ohnehin genießt der schlecht bezahlte Beruf des Lehrers im Land wenig Ansehen. Nach Gründung einer Universität in Malawi wurde auch hier ausländisches Lehrpersonal mit offenen Armen empfangen, da es umsonst unterrichtete. Selten wurde es - aus politischen Gründen - durch Malawier ersetzt.

Zur Ausbildung im medizinischen Bereich kamen die Lehrer ebenfalls von außen. Malawi hat zwar begonnen, Krankenschwestern auszubilden, doch diese lassen sich gern von England, Australien und den USA abwerben. So werden in Malawi weiterhin Krankenschwestern aus dem Ausland benötigt. Krankenschwestern aus dem südlichen Afrika sind das Rückgrat des National Health Service in Großbritannien.

Afrika mit Computern beglücken

Welche Konsequenzen hatte es, als der malawische Bildungsminister im Jahr 2000 den gesamten Bildungsetat auf Privatkonten verschwinden ließ? Als ein Jahr später in den Taschen des Präsidenten von Sambia sogar noch mehr Geld verschwand? Als Nigeria seinen Reichtum aus der Erdölförderung vergeudete? Leute wie Bono, die Afrikas Probleme gern vereinfachen, riefen unbeirrt zu einem Schuldenerlass und zu noch mehr Spenden auf.

Als ich bei einem Vortrag vor der Gates Foundation auf den Erfolg der verantwortungsvollen Politik in Botswana hinwies und sie mit der Kleptomanie in benachbarten Staaten wie in Sambia und Malawi verglich, wo von Politikern Gelder in Millionenhöhe veruntreut wurden, stieß ich auf wenig Interesse. Die Spender fördern solches Verhalten, indem sie die Augen verschließen vor untauglichen Regierungen und vor den eigentlichen Ursachen für das Scheitern dieser Länder.

Bill Gates räumte offen ein, er wolle ein wenig von der Last loswerden, die er durch seinen Reichtum empfindet. Bono zählt zu den Beratern, denen er vertraut. Afrika will Bill Gates mit Computern beglücken - eine unproduktive, um nicht zu sagen, verrückte Idee. Stifte und Papier, Besen und Putzlappen wären angebrachter: Die Schulen, die ich in Malawi besucht habe, könnten sie dringend gebrauchen. Weitere Lehrer würde ich nicht dorthin schicken, besser wäre es, dass ausgebildete Malawier im Land bleiben und selbst unterrichten. An der Universitätsklinik von Sambia wurden Tausende Ärzte und Krankenschwestern ausgebildet, von denen nur noch wenige dort arbeiten.

Ruinöse Erlöse

Bei den Fachkräften ist in afrikanischen Ländern die Lage nicht so hoffnungslos, wie sie scheint. Aber unfähige Regierungen haben ihre Bevölkerung demoralisiert. Spenden und Hilfsorganisationen, unkontrolliertes Wachstum der Städte und der krasse Materialismus der Welt, der von außen auf diese Länder einwirkt, fördern die Korruption. Die Berge gebrauchter Kleidung, die jedes Jahr an Weihnachten dorthin geschickt werden, zerstören die afrikanische Textilindustrie. Afrikanische Pflanzer erzielen mit ihren Ernten - Kaffee, Zucker, Tabak, Tee - nur ruinöse Erlöse.

Zu meiner Zeit war Malawi ein üppig bewaldetes Land mit drei Millionen Einwohnern. Heute ist die Bevölkerung auf zwölf Millionen angewachsen, das Land ist vom Kahlschlag bedroht.

In den ersten 40 Jahren seiner staatlichen Existenz hatte Malawi zwei Präsidenten: Der erste war ein Megalomane, der sich als Messias bezeichnete; der zweite war ein Schwindler, der als erste Amtshandlung sein pausbäckiges Gesicht auf die Landeswährung drucken ließ. Vor zwei Jahren begann der neue Präsident Bingu wa Mutharika seine Amtszeit mit der Ankündigung, er werde eine Flotte von Maybachs - eines der teuersten Autos der Welt - erwerben.

Nix Gutes von Bono

Bono mit einer HIV-Infizierten in Uganda

Bono mit einer HIV-infizierten Frau in Uganda

(Foto: Foto: Reuters)

Viele der Schulen, an denen wir vor 40 Jahren unterrichteten, sind heute heruntergekommene Ruinen, übersät mit Graffiti, die Fenster eingeschlagen, überwuchert von Gras. Geld kann diese Probleme nicht lösen. Ein befreundeter Malawi in hoher Position meinte jovial, ich solle doch meine Kinder als Lehrer ins Land schicken. "Es wäre eine interessante Erfahrung für sie." Gewiss. In Afrika zu unterrichten war mit das Beste, was ich je unternommen habe. Unser Beispiel scheint indes im Land nicht Schule gemacht zu haben. Die Kinder meines malawischen Freundes arbeiten selbstverständlich in den USA und in England.

Afrika ist ein wunderbarer Kontinent - viel schöner, friedlicher und regenerationsfähiger, als er allgemein dargestellt wird. Er wäre, auch wenn er gewiss nicht reich ist, sehr wohl in der Lage, für sich selbst zu sorgen.

Gedrückte Stimmung

Doch weil Afrika so anders zu sein scheint als der Rest der Welt, zieht es wie ein Magnet Mythomanen an - Menschen, die die Welt von ihrem persönlichen Wert überzeugen wollen. Afrika bietet jenen eine Projektionsfläche, die sich selbst als Persönlichkeit neu erfinden wollen. Diese Spezies Mensch gibt es in den unterschiedlichsten Ausprägungen und in großer Zahl. Besonders weiße Prominente, die sich in Afrika großtun, lauern an allen Ecken und Enden. Als ich unlängst Brad Pitt und Angelina Jolie sah, wie sie im Sudan afrikanische Kinder an sich drückten und der Welt einen Vortrag über Mildtätigkeit hielten, musste ich an Tarzan und Jane denken.

Bono in seiner Rolle als Mrs. Jellyby glaubt, die einzig richtige Lösung für Afrikas Übel zu kennen. 2002 bereiste er zusammen mit dem früheren US-Finanzminister Paul O'Neill die Hauptstädte verschiedener afrikanischer Staaten. Dabei forderte er erneut einen Schuldenerlass für diese Länder. Kürzlich rührte er sogar im Weißen Haus die Trommel für mehr Geld und meinte, von afrikanischen Ländern dürfe nicht allzu viel (an Selbsthilfe) erwartet werden.

Ist das tatsächlich wahr? Bei näherem Hinsehen hätte Bono in Malawi eine Reinkarnation seiner irischen Heimat entdecken können, wie sie in früheren Jahren war. Beide Länder waren jahrzehntelang von Hungersnöten, religiösen Konflikten, internen Kämpfen und selbstherrlichen Familienclans gebeutelt. Unterernährung, Ernteausfälle, erstarrte Glaubensdogmen und gesellschaftlicher Stillstand waren Ursache für die gedrückte Stimmung im Land.

"Eine Sau, die ihre eigenen Ferkel auffrisst"

In Malawi neigt man wie früher in Irland dazu, all diesen misslichen Umständen die Schuld am eigenen Unglück zuzuschieben. Wie Irland war Malawi von britischen Großgrundbesitzern kolonialisiert worden, Priester führten ein strenges Regiment. Noch vor wenigen Jahren konnten in Irland legal keine Kondome gekauft werden, Scheidungen waren nicht möglich. Doch wie in Malawi war Bier überall erhältlich und Trunkenheit ein nationaler Fluch. Irland, die Insel der statischen Ergebenheit und, wie James Joyce es ausdrückte -"eine Sau, die ihre eigenen Ferkel auffrisst" -, war das Malawi Europas. Aus denselben Gründen exportierte es vor allem arbeitswillige Emigranten und eitle Schaumschläger.

Für viele Afrikaner ist es leichter, nach New York oder London zu reisen als ins eigene Hinterland. Wenn Sie eine Ansichtskarte mit einem Löwen von Onkel und Tante aus Nairobi erhalten, denken Sie, die beiden hätten ganz Kenia gesehen. Doch der größte Teil von Nord-Kenia ist schwer zugängliches und gefährliches Territorium. Es gibt keine Flüge und kaum Straßen nach Moyale, der Grenzstadt zu Äthiopien, wo ich außer zu Skeletten abgemagerten Kamelen und streunenden Banden nicht viel entdeckte.

West-Sambia ist ein weißer Fleck auf der Landkarte, Süd-Malawi Terra incognita, Nord-Mosambik ist von Landminen übersät. Doch Afrika zu verlassen, ist einfach. Eine neuere Untersuchung der Weltbank bestätigt, welch fatale Folgen die Auswanderung von Fachkräften aus kleinen und mittleren Ländern Afrikas in die Industrieländer für die Wirtschaft auf dem Kontinent hat.

Es fehlt nicht wirklich an Arbeitskräften in Afrika. Woran es mangelt, ist der Glaube an das eigene Potenzial. Wiederum könnte Irland hier als Vorbild die Antwort liefern. Nach Jahrhunderten, in denen die Iren sich fortsehnten in andere Länder, entdeckten sie, dass sie zu mehr im Stande waren als dazu, Almosen zu erbetteln. Bessere Bildung, eine vernünftige Regierung, Menschen, die im Land blieben, und schlicht und einfach Fleiß verwandelten Irland aus einem Land, das die Hand aufhält, in eine wirtschaftlich prosperierende Nation. Die Iren haben bewiesen, dass sich der Einsatz lohnt. Ist das auch bei Ihnen angekommen, Mr. Hewson?

Deutsch von Eva Christine Koppold

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