Hertzkammer:Wie im Dschungel

Julio Victorias Musik ist voller Überraschungen

Von Rita Argauer

Die Nähe von klassischer Musik und Techno überrascht, ist aber bei näherer Betrachtung völlig natürlich. Neuere Klassik und zeitgenössische elektronische Musik haben im Minimal von Steve Reich oder Philip Glass gemeinsame Wurzeln. Außerdem gibt es bei beiden wenig konkret greifbare Inhalte, außerhalb des Musikalischen, die über längere Zeit hinweg fortgesponnen und variiert sind. Einer, der diese Nähe ziemlich gut für sich zu nutzen weiß, ist der studierte Pianist Francesco Tristano, der wie kein anderer in beiden Sparten besteht. Der wiederum hat einen Remix für den kolumbianischen DJ und Produzenten Julio Victoria erstellt. Und der ist so etwas wie der Impressionist unter den klassikaffinen Elektro-Musikern.

Ein Beispiel dafür ist etwa sein "Amazonas Project" aus dem Jahr 2015. Da treffen in Musik übersetzte Dschungelgeräusche auf lang angelegte Synthie-Phrasierungen. Diese Musik soll keinen Dschungel nachahmen, sie verleibt sich den Dschungel ein und spuckt eine Variante von lichtem House aus - ähnlich der "Ankunft auf dem Lande" in Beethovens Pastorale. Doch auch die weniger programmatischen Stücke, wie etwa "Impermanent", lassen in der Genauigkeit, in der trabende Beats mit Klavierstückchen angereichert werden, an klassische Kompositionen denken. Victoria klingt unverkrampft, aber nicht unkompliziert. Das ist kein stumpfer Druffi-Techno, das sind geschmeidig konzipierte Klangstücke.

Dass Julio Victoria, der einmal professioneller Tennisspieler war und bei einem Turnier in Deutschland in einem Plattenladen seine Liebe zum Vinyl entdeckte, in seinem jüngsten Projekt live mit klassischen Musikern zusammenarbeite, überrascht da am allerwenigsten - auch wenn er am Freitag in München aller Voraussicht nach alleine als DJ auftreten wird.

Julio Victoria, Fr., 16. März, 24 Uhr, Bob Beaman, Gabelsbergerstr. 4

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