Hertzkammer:Klangarchäologie

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Mike Green aka Fort Romeau kommt ins Kong

Von Martin Pfnür

Wenn der junge Produzent und DJ Mike Green die Facebook-Infosparte "Ausführliche Beschreibung" mit dem Sätzchen "Discotheque music from London" füllt, dann ist das letztlich ebenso sehr Statement wie Understatement. Statement, weil Green damit mal wieder beweist, dass Musiker ihre Klänge lieber von anderen interpretieren lassen. Understatement, weil Green mit den Klängen, die er als Fort Romeau kreiert, eine höchst innovative Form von Sound-Archäologie betreibt und dabei weit mehr Genres freilegt, als es das dürre Sätzchen vermuten lässt.

Besonders anschaulich lässt sich die Kunst des Mike Green etwa anhand seiner zweiten, im Frühjahr erschienenen Platte "Insides" demonstrieren, ein Album, so seltsam stilhybrid und eklektisch, dass es sich einem erst nach diversen Hördurchgängen wirklich erschließt. "Slow listening", langsames Hören, nennt Green das; der Hörer solle peu à peu eine Beziehung zu den acht Tracks aufbauen, indem er diesen seine volle Aufmerksamkeit schenkt.

Nun mag dieses Konzept, gemessen an den dramatisch veränderten Konsumgewohnheiten von Musik im digitalen Zeitalter (Streaming!), vielleicht etwas vermessen klingen - und doch sei an dieser Stelle ganz unbedingt bekräftigt, dass es sich hier wirklich lohnt, mal etwas länger am Ball zu bleiben. Denn die Ruhe und Souveränität, mit der Green auf "Insides" das Wurzelwerk der elektronischen Musik ausgräbt, wie er den entschlackten, ebenso souligen wie physisch erlebbaren Four-to-the-Floor-Charakter des Chicago House mit sanften ambienten Atmosphären und Versatzstücken jener Synthie-Klänge, die Tangerine Dream Anfang der Siebziger als "Kosmische Musik" entwarfen, verquirlt, und dieses eklektische Gebräu dann auch noch ganz herrlich grooven lässt, all das hat man so tatsächlich noch nicht gehört.

Kein Wunder, dass Green mit seiner "Discotheque Music" in den vergangenen Jahren vermehrt in besonders angesagten Clubs wie der Berliner Panorama Bar, dem Plastic People in London oder dem Robert Johnson in Frankfurt gebucht wurde. "In diesen großen Clubs aufzutreten, hatte definitiv einen starken Einfluss auf meine Kompositionsweise", sagt er. "Ich lasse die Stücke jetzt mehr atmen, lasse mir mehr Zeit, die Höhepunkte anzubahnen, anstatt alles in fünf Minuten reinzupacken." Es könnte also auch im Kong ein ziemlich langer Abend werden, wenn Green dort hinter den Decks steht und Altes mit Neuem vermengt. Gut so.

Fort Romeau, Samstag, 29. August, 23 Uhr, Kong, Prielmayerstraße 6

© SZ vom 27.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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