Herrscher und ihr Auftreten:Immer schön locker bleiben

Stephen Harper; Barack Obama; Angela Merkel

Der Mächtigste ist der Lässigste: US-Präsident Obama und Kanzlerin Merkel in Elmau

(Foto: AP)

Jeder Herrscher, jeder Politiker hat seinen Stil. Warum ist uns das so wichtig? Eine Spurensuche in der frühen Neuzeit, die bis zu Obama, Merkel und Putin weist.

Von Kathleen Hildebrand

Erst einmal eine Frage, die wie der Anfang eines nicht besonders lustigen Witzes klingt: Was haben Hitlers Lederhosen, verschnörkelte rosa Porzellanvasen und Pferde gemeinsam? Antwort: Sie machen Politik sichtbar, und zwar ganz unterschiedliche Formen von Politik.

Der Volksnähe demonstrierende Diktator, die Geschmacksdemonstration des Rokoko und das gute alte Reiterstandbild, das auch dann noch in Bronze gegossen wurde, als die Anwesenheit des Königs an der Front längst nicht mehr üblich war, erfüllen diesen Zweck.

Lässiges Auftreten

In München hat eine Tagung unter dem Titel "Politikstile und die Sichtbarkeit von Politik in der frühen Neuzeit" nach dem Zusammenwirken von Kunst und Politik gefragt - über geisteswissenschaftliche Fächergrenzen hinweg und mit einem so weit geöffneten Blick, dass auch aktuelles Politikpersonal von ihm gestreift wurde.

Jetzt, da Politiker sich so lässig auf bayerische Bergaussichtsbänke setzen wie Barack Obama und Merkel mit bunten Blazern ihrer alternativlosen Politik ein kleines bisschen Farbe zu verleihen versucht, lohnt die Frage nach politischem Stil und danach, wie er aussehen können.

Denn wer in Herrscherporträts, Standbildern und Schlossarchitektur nur Prunk und schwärmerische Zwangshuldigung sieht, hat nicht genau hingesehen. Das bewies der Abendvortrag von Martin Warnke im Zentralinstitut für Kunstgeschichte. Die Stiche, die im 16. Jahrhundert von Königen und hohen Beamten angefertigt wurden, sind oft umrankt von Eulen und reichen Fruchtgirlanden. Der Verweis auf Weisheit und reiche Erträge sei aber, sagt Warnke mit Bezug auf zeitgenössische Briefwechsel, nicht Schmeichelei, sondern Aufforderung. Kein "du bist so klug", sondern ein "sei so klug!".

Malen - eine von vielen Herrschertätigkeiten

Aber was tun nun diese Herrscher auf den Herrscherbildern? Sie lenken keineswegs nur Schlachten oder stehen im Krönungsornat vor ihrem Thron. Wie Ulrich Pfisterer in seinem Vortrag zeigte, wurden sie auch selbst beim Malen, Zeichnen und Bildhauen dargestellt.

Ein Fresko Giorgio Vasaris etwa zeigt Cosimo I. von Medici 1565 beim Zeichnen als Strategen, der einen Schlachtplan zur Eroberung Sienas austüftelt. Überraschenderweise interessierte das, was Staatsmänner da auf Gemälden hervorbrachten, lange nur sekundär, Zeichnen und Malen waren eine Herrschertätigkeit unter vielen. Bis Georges-Louis Leclerc, Graf von Buffon, mit den berühmten Worten "le style, c'est l'homme même" 1753 den Stil zum Charakterabbild deklarierte, dauerte es noch eine Weile.

Der Herrscher als Alleskönner

Als Metapher für das visionäre Regieren eines Staates wurde künstlerisches Schaffen auch erst später entdeckt: Ulrich Pfisterer schlägt eine kleine Darstellung Peters des Großen als Premiere für die Metapher des Herrschers als Künstler und somit als Schöpfer seines Reiches vor. Auf einer um 1723 entstandenen Bronzebüste des russischen Zaren, gefertigt von Bartolomeo Carlo Rastrelli, ist Peter der Große beim der Meißeln einer weiblichen Figur zu sehen - Russland als Figur.

Die Anstrengung, das Selbermachen und auch die Härte des Vorgangs visualisierten, so Pfisterer, den Herrschaftsstil Peters des Großen, der sich als moderner, an Wissenschaft und Technik interessierter und zupackender Zar inszenierte: Er ließ nicht nur eine große anatomische Sammlung anlegen, sondern zog seinen Getreuen auch faule Zähne. Er gewann nicht nur als Befehlshaber Seeschlachten, sondern konnte selbst Schiffe bauen und lenken.

Darauf, dass der gegenwärtige russische Machthaber eine ganz ähnliche Strategie der Selbstinszenierung nutzt und vom Jagen über Feuerlöschen bis zum Judo alles selbst zu können scheint, hätte Ulrich Pfisterer kaum hinweisen müssen.

Dass selbst frühneuzeitliche Herrscher die Fähigkeit zur Selbstironie hatten, zeigte Christine Tauber mit einem fulminanten Gang durch den Palazzo del Te mit seinen überwältigenden manieristischen Wandmalereien. Federico II. Gonzaga, Herzog des kleinen und unbedeutenden Mantua, ließ sich das Lustschloss, voll von gemalten Omnipotenzfantasien, im Jahr 1530 von seinem Hofkünstler Giulio Romano bauen, einem Schüler Raffaels.

Die beiden verband eine so symbiotische Beziehung, dass der Architekt und Maler Romano es wagen konnte, seinen Dienstherrn in einem der größten Säle des Schlosses als den von Odysseus überlisteten Zyklopen Polyphem zu malen.

Komplexe Beziehung zwischen Herrscher und Künstler

Der Palazzo del Te zeigt nach Christine Taubers überzeugender Interpretation, wie komplex die Beziehung zwischen um Ansehen bemühtem Auftraggeber und autonomem Hofkünstler gewesen sein muss: Der Künstler erschafft erst die fiktionale Welt der Schönheit, in der der Herrscher sich spiegelt und in der er sich Besuchern zeigt. Aber andererseits ist es doch der Auftraggeber, der mit seinem Geld und Wohlwollen die Existenz dieser Kunst erst ermöglicht: In der grandiosen Sala dei Giganti trägt der Blitze schleudernde Zeus dann auch die Züge von Federico II. Gonzaga.

Im Lauf des 17. Jahrhunderts ging es Herrscherporträts immer weniger um die Demonstration von militärischer Macht, wie Godehard Janzing vom Deutschen Kunsthistorischen Forum in Paris betonte. Der Kommandostab etwa, einst Zeichen königlicher Befehlsgewalt, verlor seine Funktion, weil Befehle schriftlich übermittelt wurden.

Mit den Verwaltungsapparaten wuchsen die Einflussmöglichkeiten von Königen und Kaisern, aber dem Volk waren sie zunehmend entrückt. Statt selbst Länder zu erobern, saßen sie in Büros, in die kaum jemand vorgelassen wurde. Abends tanzten sie Ballett auf den Bühnen der Hofgesellschaft, das Volk erfuhr davon durch Druckmedien.

Auf dem Pont Neuf in Paris stand lange ein Reiterstandbild Heinrichs IV. aus dieser Zeit. In seiner rechten Hand hielt er den Stab schon nur noch symbolisch so locker zwischen zwei Fingern, als habe er es gar nicht nötig, ihn festzuhalten. Von jeher gilt, was Barack Obama so gut verstanden hat: Der Mächtigste ist der Lässigste.

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