Herbert Grönemeyer:Die Vorlieben des Frühstücksdirektors

Herbert Grönemeyer leistet sich mit "Grönland" eine eigene, unkonventionelle Plattenfirma.

Heiko Hoffmann

Alternde Fußballer werden Trainer oder Sportdirektor. Alternde Rockstars gründen eine Plattenfirma. Allerdings: Plattenfirmen, die von Popstars betrieben werden, sind gar nicht mal so häufig. Die wenigsten Musiker sind auch gute Geschäftsleute, und wenn sie merken, dass die Karrieren ihrer Künstler nicht so verlaufen wie die eigene und die Ausgaben beständig größer sind als die Einnahmen, werden eigene Labels schnell wieder eingestellt. Die wenigen Stars, die heute respektierte Labels besitzen, haben sich dafür musikalische Nischen ausgesucht. David Byrne, Peter Gabriel oder Damon Albarn etwa veröffentlichen auf ihren Plattenfirmen unterschiedliche Facetten von Weltmusik.

Seit fünf Jahren führt auch Herbert Grönemeyer ein eigenes Label namens Grönland. Damals wurde er gebeten, für eine TV-Produktion über 50 Jahre deutsche Popmusik eine Compilation zusammenzustellen. Das Ergebnis umfasste acht CDs, verband Altes mit Neuem, Vorhersehbares mit Überraschenden: D.A.F. etwa folgten Sabrina Setlur, Enigma erklangen nach Ideal und Nico löste die Scorpions ab. Außer Grönemeyer selbst gab es wohl niemand, der das Werk in seiner Gänze durchhören konnte. Ein ähnliches Muster verfolgte auch die Veröffentlichungspolitik des nun nicht mehr ganz neuen Labels. Erscheinen sollte, was Herbert Grönemeyer gefiel, ganz gleich welcher Stilrichtung. Anders als die Musikkonzerne, bei denen er selbst Karriere machte, wollte er nicht ausschließlich marketingorientiert arbeiten und stattdessen Musiker wie in der guten alten Zeit über mehrere Alben hinweg aufbauen. Und anders als die meisten Indies war er auch nicht daran interessiert, einen eigenen Label-Sound zu schaffen.

Sitz des Labels war und ist London, wo Herbert Grönemeyer bis heute lebt. Unter der Leitung des ehemaligen A&R-Managers René Renner wurde eine Handvoll Mitarbeiter eingestellt. Zum Vorstand von Grönland gehört auch Fotograf und Regisseur Anton Corbijn, der sein Studio in der gleichen Straße im Osten Londons hat. Grönemeyer selbst sieht seine Rolle als ,,Frühstücksdirektor'', der das Label finanziert und musikalisch berät, sich aber aus dem Tagesgeschäft raushält. Gleich mit der ersten Veröffentlichung gelang Grönland ein großer Wurf. Herbert Grönemeyer brachte die seit Jahrzehnten zerstrittenen Michael Rother und Klaus Dinger an einen Tisch und veröffentlichte ihre drei gemeinsam aufgenommenen und bis heute ungeheuer einflussreichen Neu!-Alben aus den Siebzigern erstmals auf CD.

Es folgten bis heute über dreißig Platten, darunter vom verspielten Folk-Elec-tronica-Duo Psapp, von der biederen Schweizer Frauenrockband mit dem schrecklichen Namen AK4711 oder von der wunderbaren Psychedelic-Rock-Gruppe The Earlies. Ein Problem der ersten Jahre war, dass Grönland sich zwar als Indie-Label verstand, aber nicht wirklich unabhängig war. Das Label war vertraglich an EMI gebunden. Für den internationalen Musikkonzern waren die Veröffentlichungen jedoch nur von geringem Interesse. Viele Alben und Künstler, an die das Label Hoffnungen geknüpft hatte, fanden kaum Beachtung.

In diesem Jahr fand ein Neustart statt. Grönland trennte sich von EMI und suchte für jedes Land unterschiedliche Partner, die nun die Platten vertreiben. Und in den letzten Monaten erschienen Alben, die bislang zu den besten des Labels gehören. Zum einen die Werkschau ,,Works 1968 - 2005'' von Hans-Joachim Roedelius, dessen Aufnahmen als Mitglied von Cluster und Harmonia ähnlich wegweisend waren wie die von Neu!, zum anderen das intim und dunkel klingende Solodebüt ,,The Bells of 1 2'' der Sparklehorse-Sängerin Sophie Michalitsianos alias Sol Seppy. Und selbst ein neues Album von Neu! ist angeblich im Gespräch. Aber diese Versprechung haben wir tatsächlich schon einmal zu oft gehört.

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