Helge Schneider in "Mein Führer":Öch bön wödärrr da!

Nun also Hitler: Helge Schneiders Humor versteht sowieso nur, wer ihn schon lange kennt. Da gibt es ein unfehlbares Einverständnis. Doch funktionieren diese Lach-Reflexe auch, wenn Helge den Hitler gibt - und sich gleich davon distanziert?

Gustav Seibt

Wenn ein Komiker den Gipfel seiner Wirkung erreicht hat, muss er keine Faxen mehr machen. Dann ist der Einklang mit seinem Publikum so innig, dass es der Witze kaum noch bedarf. Anspielungen auf alte Pointen, kleinste Gesten, das bloße Klimpern auf der Klaviatur eines tausendfach erprobten Humors genügen, um Lachsalven explodieren zu lassen und Säle zum Toben zu bringen. Jeder Komiker von Rang muss auf dieses Ziel hinarbeiten, auf diese letzte Sicherheit: Er tritt auf die Bühne, er räuspert sich einmal oder zerrt am Anzug, und die Menschen johlen. Solche Unfehlbarkeit der Wirkung ist immer das Ergebnis harter Arbeit, zunächst Arbeit an den eigenen Mitteln, vor allem aber Arbeit an der Erziehung des Publikums.

Unvergessen, wie Gerhard Polt vor über zwanzig Jahren auf den Brettern der Münchner Kammerspiele diesen Moment erreichte: Die Bühne war leer, Polt kam in Janker und Fellstiefeln hervor und zog schweigend eine Luftschlange quer über die Bühne, dann blies er einen Luftballon auf, den er an der Luftschlange befestigte. Erst danach trat er an die Rampe vor das schon glucksende Parkett: "Hehe. Ein Luftschlangerl. Ein Luftballon. Hehe." Pause. Lauter: "Und schoon is" eine Bom-ben-stümmung da." Eigentlich nicht besonders witzig; aber überaus komisch.

Auch Helge Schneider hat, zusammen mit seinem Publikum, diese Stufe einer weitgehend witzfreien Komik mittlerweile erreicht. Die Zeiten der groben Effekte, die ihn berühmt gemacht haben, mit "Katzeklo" und "Käsebrot", mit rosa Hemden und furchtbaren Perücken, sind vorbei. Man kann das derzeit im Berliner Admiralspalast besichtigen, wo Schneider sein neues Programm "We break together" vorstellt, bevor er damit auf Tour geht. Da geht es zu, wie am Familientisch, an dem man sich am Ende nur noch Blicke zuwerfen muss ("ich sag" jetzt nichts"), und alle loskichern, weil sie wissen, was gemeint ist.

Die Witze, die Helge Schneider da macht, sind so flau, dass man sie für Menschen, die das Phänomen Schneider nicht kennen, kaum plausibel machen kann. Schneider gibt den grantelnde, brabbelnden Trottel, der mäßig geistreich vor sich hinnuschelt und Esprit als arte povera produziert. "Schön, dass ihr alle da seit. Wenn ihr nich da wärt, wär"s hier total leer." "Ich hoffe, euch gefällt"s hier." Die Unterforderung ist kalkuliert, das Doofe erlesen. Die englische Königin nennt Schneider "die Kween", später "Kweng", und behauptet, eigentlich sei "Kweng" eine Mischung aus König und Königin. Seinem Tubaspieler, der brav auf den Einsatz wartet und dabei sein riesiges Instrument vor die Brust halten muss, droht Schneider das "längste Solo" aller Abende an, denn "ich wollte zwischendurch mal vor Schloss Sanssouci spazierengehen". Das ist ziemlich komisch, aber eigentlich schon zu gebildet.

Dieser Humor kommt ohne jede Schärfe aus, Anspielungen auf "Misstände", wie die Arbeitslosigkeit, bleiben matt, eine Udo-Lindenberg-Parodie ist ein leichter Sieg. "Zusammen brechen wir zusammen", das ist das Rezept dieses Brabbelhumors, der sich alle Viertelstunde zu einer Musiknummer ermannt, die liebenswürdigen Nonsense produziert: "Lass uns durch das Land der Zufriiiedenheit reiten, schön reiten, auf dem schönen Pferdchen wie Pariiis." "Trompeeten von Mexiko kommen aus den Kakteen. Sie laden dich ein zu Kaffee und Kuuchen und glaciertem Meerschwein." Und ja, der "Telefonmann" darf auch nochmal schmettern, da ist das Gejohle am lautesten. Schneider nutzt es, um eine Plastikwasserflasche aufzuschrauben ("eigentlich tun Stars sowas nicht selber") und auszutrinken. Die Flasche wirft er weg: "Hier, für Ebay!"

Das sind solche Pointen für das familiäre Einverständnis. Die Laune im restlos ausverkauften Admiralspalast ist dabei blendend. Die Männer wollen am liebsten mit Bierkrügen auf ihre Plätze gehen, die durchschnittliche Leibesfülle, der starke Tabakkonsum in den Foyers erinnern mehr an Volksfest als Theater. Das Publikum ist gewitzt, aber nicht intellektuell, von Eleganz und Berlin-Mitte-Schick nicht die geringste Spur. Genauso wird es dann in Detmold oder in Chemnitz aussehen.

Nun also Hitler. Parallel zu Helge Schneiders neuem Programm kommt Dany Levys Komödie "Mein Führer" in die Kinos, in der Schneider den Führer gibt. Schon vor dem Start in dieser Woche hat der Film die erwartbare rege Debatte ausgelöst: Darf man über Hitler lachen (man darf, man soll, man hat schon immer), aber ist der Humor bei Levy nicht zu harmlos? Bleibt einem das Lachen auch im Halse stecken (eher nicht), und so weiter. Der Grundeinfall des Films geht auf jenes historische Faktum zurück, das schon Bertolt Brecht im "Arturo Ui" verwendet hat: Hitler wird von einem professionellen Schauspieler gecoacht, um sich den letzten Schliff geben zu lassen. Bei Brecht entfaltet sich das als Lehrgang zum bürgerlichen Staatsschauspieler, der Furcht und Mitleid und vor allem Würde produzieren soll; das hatte eine theaterästhetische Pointe, die regelmäßig als Parodie herüberkommt.

Levy hat diesen Einfall radikalisiert und zugleich entschärft. Das Hitler-Coaching wird nicht am Beginn des Aufstiegs, sondern kurz vor dem Zusammenbruch, am Jahreswechsel 1944/45 vorgenommen, und der Trainer des Führers ist ein jüdischer Schauspieler, Adolf (!) Grünbaum, der dafür eigens aus dem KZ Sachsenhausen geholt wurde. Die beiden Adolfs gehen dabei eine therapeutische Beziehung ein, in der sich Hitler als jämmerliche arme Sau erweist, als Bettnässer, impotent, von Vateralbträumen geplagt. Und im Buch zum Film wird auch die Bedienungsanleitung dazu gegeben, durch den Verweis auf das Buch "Am Anfang war Erziehung" der Psychoanalytikerin Alice Miller: Hitler als Fall für die Familientherapie.

Helge Schneider wurde an jedem Drehtag in stundenlangen Sitzungen mit Schminke und Pasten und Puder so bearbeitet, dass tatsächlich eine Mischung aus echtem Hitler und Bruno Ganz in "Der Untergang" entstand. Inzwischen ist Ganz ja der Maßstab für Hitler-Verfilmungen jeglicher Art geworden, handlich nicht zuletzt durch die bequeme Parodierbarkeit, die bereits Harald Schmidt ausbeutete ("Das ist ein Böfääähl!"). "Mein Führer" ist über weite Strecken das Gegenspiel zum "Untergang" geworden, und es gehörte oft nur eine minimale Drehung an der Schraube, um die komischen Effekte zu erzeugen.

Man könnte meinen, da sei Schneiders Teilnahme fast belanglos, der Darsteller austauschbar. Er hat sich mittlerweile auch mit der Komikern eigenen Übellaunigkeit von dem Film distanziert ("Hitler-Quatsch"). Doch in Wahrheit ist Schneider unentbehrlich, jedenfalls in Deutschland und so lange es sein riesiges Fanpublikum gibt, das jedes Räuspern von ihm beglückt entgegennimmt. Dieses Räuspern klingt in "Mein Führer" wie ein heiseres Röcheln: "Heilen Se mich, Grünbaum!" Wer hier die Replik auf "Ich heil mich selber!" aus Lubitschs "Sein oder Nichtsein" hört, ist vermutlich schon viel zu gebildet. "Heilen Se mich", das ist bester Spätstil Helge Schneider. Und ist nicht der nazibraune Trainingsanzug, in dem der Film-Hitler steckt, auch ein Nachfahre von Schneiders grellrosa Hemden aus den achtziger Jahren?

Man kann über "Mein Führer" vielerlei Meinungen haben, aber doch anerkennen, dass er Gelegenheiten bietet, Hitler Sätze wie "der Jud tut gut" oder "ich folgen Ihnen, Professor Grünbaum" sagen zu lassen. Die durchgehende Behaglichkeit, die der Film ausstrahlt, beruht nicht zuletzt auf Schneiders Darstellung. Die familiäre Einverständigkeit seines Humors, das harmlos Vertrottelte, das unverwechselbare Timbre seiner Stimme, reißen Levys Komödie unweigerlich ins Heute, in eine Zeit nach sechzig Jahren Frieden. "Ich dringe jetzt in sie ein, Fräulein Braun", knurrt Helge Hitler gemütlich beim Geschlechtsakt.

Ach ja, auch der Führer war ein Versager. Zusammen brechen wir zusammen. Das aber heißt: Diese Geschichte ist vorbei.

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