Heimatsound und Brass Wiesn:Aufmüpfiges wird Trend

heimatdamisch

Lady Gaga auf Bairisch: "The Heimatdamisch" um die "Bananafishbones"-Musiker Sebastian Horn und Florian Rein (1. u. 2. v. l.) knöpfen sich Hits vor.

(Foto: Südpol)

Nicht nur Oberammergau: Gleich mehrere Festivals widmen sich derzeit der Volxmusik

Von Michael ZIrnstein, Oberammergau

Die neue Volksmusik hat schon wieder einen Bart. Beziehungsweise verhält es sich mit ihr wie mit dem Gesichtsgestrüpp, das Münchens Hipster gerade stolz tragen wie Gebirgsschützen ihre Gamsbärte. Anfangs noch ein Hingucker, verbuschte die Szene regelrecht, bis die Ersten wieder zum Rasierer griffen - Vollbart ist nun für alle ein Klassiker, sagen die Barbiere: "Geht immer." Wie alpine Pop-Musik eben, die sich zu allen Moden und Retro-Trends kombinieren lässt. Besonders gut sieht man dies derzeit bei den vielen Festivals rund um München, und ganz besonders beim "Heimatsound" in Oberammergau, das mit Sebastian Horn einen so musikalischen wie vollbärtigen Ansager vorweisen kann.

Seit sieben Folgen moderiert der bärbeißig-charmante Sänger der Bananafishbones die "Heimatsound"-Konzertmitschnitte aus dem Münchner Club Strom im Bayerischen Fernsehen. Der BR pappt das selbsterklärende Label mit breitem Identifikationspotenzial derzeit auf etliche seiner Produkte; in nahezu jeder Sendung auf "Bayern 2" gibt es Hinweise auf die Heimatsound-Doppel-CD oder das seit Wochen ausverkaufte große Heimatsound-Festival, das Ticketlose immerhin als Stream im Internet verfolgen können. Sebastian Horn wird wieder live dabei sein in Oberammergau: "Das ist der Hammer, das ganze Dorf macht zwei Tage lang mit, überall sind Biergärten aufgebaut, und wenn man Musik hören will, geht man rüber ins Passionstheater mit seinem Schiebedach." Er wird dort nicht nur im Pingpong zwischen Haupt- und Nebenbühne die Künstler vorstellen, er hat sie im Gremium zusammen mit BR-Leuten und Konzertveranstalter Till Hoffmann mitausgesucht. "Ich hatte gar nicht auf dem Schirm, wie viel unglaublich gute Musik hier stattfindet." Das "hier" sei die einzige Auftrittsbedingung, wobei "hier" von Bayern bis Südtirol reicht. Am meisten ist Horn heuer gespannt auf die Schweizer Chanteuse Sophie Hunger, die ihn vor fünf Jahren in München verzaubert habe. Wanda aus Wien sind ihm zwar etwas zu viel gehyped, hätten aber einen "sehr sexy auftretenden Sänger"; den Funk-Reggae der Mundwerk Crew habe er nach Interviews verstanden und zu schätzen gelernt, obwohl er "so etwas sonst gar nicht" höre.

"Heimatsound" habe nicht zwangsweise etwas mit Dialekt oder Volksmusik zu tun, erklärt Horn, daher gingen ihm einige bayerische Rock-Kollegen wie Slut oder Emil Bulls noch ab. Die würden sich etwas zieren bei der Heimatsound-Marke, ebenso wie The Notwist aus Weilheim. Deren Bosse Markus und Michael Acher - er hat sie gerade auf der Bühne bei der "Mia san ned nur mia"-Demo in München getroffen - rücken immerhin mit den Anti-Jazzern des Alien Ensemble an. Freilich sind in Oberammergau auch Vertreter der aufmüpfigen Volksmusik-Avantgarde zu hören, wie die Frauen-dominierte Combo Zwirbeldirn ("A Bier will i ham, sonst hau i alles zam") oder als Ehrengast der Pionier des Genres: Hubert von Goisern. "Bei seinem ,Brenna tuats guat' habe ich mich schon gewundert, dass ich selbst als Bayer nicht alles verstehe", sagt der Lenggrieser Horn. Spätestens am Sonntag nach Oberammergau wird er ihn um eine Übersetzung bitten können, da spielt er beim Goisern-Konzert in Passau selbst im Vorprogramm: mit seiner eigene Moritaten-Band Dreiviertelblut. Denn wie sein Rauschebart ist in den vergangenen Jahren auch die Liebe des Bananafishbones-Fortmanns zu bairischen Darbietungen gewachsen.

So singt Horn auch für die Gruppe The Heimatdamisch seines Fishbones- und Nockherberg-Singspiel-Kollegen Florian Rein: Für die gleichnamige Heimat-Hörspielreihe haben sie englische Hits wie "Fire Water Burn" der Bloodhound Gang ("Am Doch is a Feia") bajuwarisiert und mit Bläsern und Goaßlschnoiza-Beats aufgepumpt. Damit stellen sie auf der "Brass Wiesn" in Eching einen Teil der Party-Fraktion. Bei der dritten Auflage dieses immer weiter wachsenden Festivals am Echinger Badesee (7. bis 9. August) kommen alle Arten von Blasmusik zusammen: amerikanische von der Youngblood Brassband, traditionelle von den Innsbrucker Böhmischen, multikulturell gefärbte von Äl Jawalla oder Gankino Circus, Ska von Babylon Circus, mit Hip-Hop befeuerte von Moop Mama aus München oder deren Schweizer Pendant The Pullup Orchestra (auch in Oberammergau dabei) sowie die Väter der alten Volksmixmusikwelle Haindling und die Mutter der neuen: La Brass Banda.

Es geht nicht ohne Heimatsound. Ob man jetzt zum 22. und wegen Straßenbaus vorerst letzten Mal "Prima Leben und Stereo" am Vöttinger Weiher in Freising schaut (31.7. und 1.8.), wo etwa Bayern-Rap-Pionier Monaco F und die Hip-Hop-Stars Blumentopf antreten, die in "Fenster zum Berg" auch schon Umpftata-Beats einsetzten. Oder zum "Stereowald" bei Aichach, wo nahe und ferne Heimatklänge von The Notwist, wieder mal Wanda, Kofelgschroa und Dicht & Ergreifend ertönen. Es ist wie mit den Bärten, wie der diplomierte Biologe Horn, einen Ethnologen zitierend, erklärt: "Die gab es vor allem da, wo viel Platz war, eben auf dem Land. Dann zogen sie in die Städte ein." Und jetzt kehren sie aufs Land zurück.

Heimatsound, Fr. und Sa., 31. Juli und 1. August, Passionstheater Oberammergau, ausverkauft; Brass Wiesn, Fr. bis So., 7. bis 9. August, Freizeitgelände Eching, Tickets gibt es hier online

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