Haute-Couture:Frühlingserwachen

Bildergalerie zu den Defilées von Versace, Gaultier, Chanel & Co: Die Mode verlangt Körperbewusstsein

(SZ vom 22.01.2002)- Yves Saint, in Frankreich verehrt wie der Heilige Laurent, wird an diesem Dienstag im Centre Pompidou seine letzte Kollektion und gleichzeitig einen Rückblick auf sein Lebenswerk zeigen. Das Gerangel um die Eintrittskarten ist noch bizarrer als sonst bei den Pariser Schauen - sei es bei denen der ausländischen Couturiers wie Valentino und Versace oder der Nachwuchs-Designer wie Maurizio Galante oder Nicholas Le Cauchois. Wer eine Karte für YSL hat, sagt das besser nicht zu laut, sonst ist sie womöglich nach einem kurzen Gang ans Buffet verschwunden - wie vereinzelt geschehen.

Haute-Couture: undefined

Die Haute-Couture-Häuser verdienen mit ihrer eigentlichen Arbeit, den in Hunderten von Stunden Handarbeit erstellten Kleidern, schlecht. Bei Yves Saint Laurent kostet eine dieser Roben zwar 30000 Euro aufwärts, seine Verluste aber gehen angeblich in zweistellige Millionenhöhe. Und so beschwört Pierre Bergé, langjähriger Lebensgefährte und Geschäftspartner Saint Laurents, das Ende der Epoche der Haute Couture herauf: "Sie war geschaffen, um eine Lebenskunst zu begleiten, die in der Gegenwart von Jeans und Nike keinen Platz mehr hat."

Nach dem Rücktritt des melancholischen Meisters YSL - der so gerne unter dem Pseudonym des Proust-Romanhelden "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit", Monsieur Swann, reist - werden nur noch elf feste Haute-Couture-Häuser übrig sein: Balmain, Chanel, Dior, Lacroix, Ungaro, Feraud, Givenchy, Hanae Mori, Scherrer, Torrente und der einzige Neuzugang der jüngeren Zeit: Jean- Paul Gaultier.

Dieser präsentierte sich und seine Kreationen am Sonntag in den frisch bezogenen Firmenräumen. Neben allerlei orientalischen Motiven - Hosen mit tief hängendem Schritt, Orangetönen, üppigen, aber zart fließenden Seidenröcken - zeigte er als unkonventionelles Accessoire auf den Bäuchen seiner Models festgeklebte Elektroden wie fürs EKG. Als wolle Gaultier sagen: Seht her, der Patient lebt noch. Auffallend auch seine farbigen Variationen des Fracks für die Frau. Eine Hommage an den von ihm sehr verehrten YSL, der auch durch seine Damen-Smokings bekannt wurde.

Der Name Yves Saint Laurent schwebt diesmal omnipräsent über allen Schauen der "Haute". Doch schon einen Tag nach den ersten Defilees titelte das Journal du Dimanche angesichts der avantgardistischen Modelle von Fred Sathal und der gediegenen Qualität von Torrente begeistert: "Es lebe die Wiederauferstandene". Das Haus Dior nahm die Totengräberstimmung von Anfang an mit Humor und stellte seine Après-Defilee-Party im Ritz unter das Motto "Der Tanz der Vampire". Und so ist es denn beschlossene Sache, dass die Haute Couture - dank ihrer Popularität immer noch Lokomotive des Modegeschäfts - weiterlaufen soll.

Bildlich wird sie sich wieder aufrappeln wie das Versace- Model im schwarzen Pailetten-Traum, das beim Abgang vom Laufsteg einen Schritt daneben tat, stürzte und den letzten halben Meter auf allen Vieren nahm.

Doch beim Schlussdefilée führte dieses Model die Riege der Schönen wieder an. Äußerlich unversehrt und hoch erhobenen Hauptes.

Von Susanne Hermanski

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: