Haus der Kunst:Visionär und Freund

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Stimmen zum Rücktritt von Okwui Enwezor

Wie das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst am Montag mitgeteilt hat, legt der künstlerische Geschäftsführer des Hauses der Kunst in München, Okwui Enwezor, zum 1. Juni aus gesundheitlichen Gründen sein Amt nieder. Die Gesellschafter des Hauses der Kunst und Okwui Enwezor haben sich vor diesem Hintergrund einvernehmlich auf einen Auflösungsvertrag verständigt. Enwezor war seit 2011 künstlerischer Direktor im Haus der Kunst München. Hier einige Stimmen zu seinem Rücktritt.

Michael Barnick, Vorsitzender der Gesellschaft der Freunde Haus der Kunst:

"Der Vorstand, aber auch der Aufsichtsrat der Stiftung bedauern diesen Schritt. Mit Okwui verlieren wir einen Großmeister unter den Ausstellungsmachern. Wir alle erinnern die politische Kraft und Aussagemächtigkeit seiner Programme. Wir hatten geglaubt, dass mit dem hinzugekommenen kaufmännischen Direktor die Basis für eine gedeihliche Zukunft gelegt sei. Insofern hat uns seine Entscheidung überrascht. Wir wünschen Okwui Enwezor eine baldige Genesung. Möge er unserem Haus der Kunst als Freund erhalten bleiben."

Ludwig Spaenle, Kultusminister von 2008 bis 2018 (CSU):

"Das ist ein großer Verlust für das Haus der Kunst. Ich habe ihn in den Jahren unserer Zusammenarbeit als wirklichen Visionär schätzen gelernt. Enwezor hat dem Haus der Kunst eine Weltbühne geboten. Jetzt steht das Haus mit seiner anstehenden Sanierung und mit der geplanten Rückgewinnung des Westflügels vor einer Riesenherausforderung, die aber auch eine Riesenchance ist."

Wolfgang Heubisch, bayerischer Kunstminister von 2008 bis 2013 (FDP):

"Man kann Okwui Enwezor nur alles Gute wünschen, das ist mit Sicherheit kein Rückzug, bei dem gesundheitliche Gründe nur vorgeschoben sind, wie es sonst oft der Fall ist. Aber offenbar hat es auch Druck aus dem Ministerium gegeben, dass aus Enwezors Krankheit dann auch die Konsequenzen zu ziehen sind. Das Wichtigste ist nun, dass die kaufmännische Konsolidierung im Haus der Kunst weitergeht. Die künstlerische Neuorientierung ist dann erst der zweite Schritt. Klar scheint mir aber schon jetzt zu sein, dass damit auch das Sanierungskonzept des Architekten David Chipperfield infrage gestellt ist. International hat das Haus bei der Gegenwartskunst noch immer einen hervorragenden Ruf, den muss es behalten. Aber gleichzeitig sollten wir an einem Konzept zur Steigerung der Besucherzahlen arbeiten."

Bernhard Maaz, Generaldirektor der Bayerischen Gemäldesammlungen:

"Mit Bedauern nehmen wir zur Kenntnis, dass Okwui Enwezor sein Amt niedergelegt hat, und das gibt uns Anlass, rückblickend zu würdigen, mit welchem Elan und welch großer internationaler Vernetzung und Kenntnis der Gegenwartskunst er das Haus der Kunst leitete. Für die kommende Zeit wünschen wir ihm aus tiefstem Herzen Gestaltungskraft und Gesundheit, denn seine Begeisterung für die Kunst der Gegenwart ist anstiftend und fundiert gleichermaßen."

Isabell Zacharias, kulturpolitische Sprecherin der Landtags-SPD:

"Der Rückzug kommt nicht überraschend, und er ist überfällig. Mit seinen Problemen bei der Finanzlage, aber auch den Verwicklungen mit Scientology braucht das Haus jetzt einen künstlerischen Neuanfang. Das Konzept dazu muss Hand in Hand mit der fälligen Generalsanierung entwickelt werden, und es darf auch die dunkle Seite des Hauses nicht aussparen. Einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin zu finden, der das Haus der Kunst in die Zukunft führt, wird mit Sicherheit nicht leicht. Es muss jemand werden, der für dieses Haus lebt, damit es wieder seine Rolle in der Münchner Kunstlandschaft findet. Ich fände es gut, wenn die Neubesetzung transparenter abläuft als bisher. Am Parlament liefen solche Fragen bisher vorbei."

Michael Buhrs, Direktor des Museums Villa Stuck:

"Ich habe Okwui Enwezor im Rahmen der Ausstellung ,The Short Century. Unabhängigkeits- und Befreiungsbewegungen in Afrika 1945-1994' kennengelernt, die er 2001 für das Museum Villa Stuck kuratierte. Die New York Times nannte die Ausstellung seinerzeit ,landmark exhibition' und viele solcher Meilensteine sollten folgen. Okwui ist ein exzellenter Kurator und ein visionärer Denker, vor allem aber auch ein grundsympathischer Freund und Kollege. Er hat an allen Orten in seiner außergewöhnlichen Karriere polarisiert, so auch in München. Das ist gut so und ich wünsche ihm von Herzen, dass er diesem Impetus auch in Zukunft folgen kann."

Matthias Mühling, Direktor der Städtischen Galerie im Lenbachhaus:

"Okwui Enwezor hat der Stadt München die mutigsten und bedeutendsten Ausstellungen der vergangenen Jahre geschenkt. Sein Programm hat die Welt nach München gebracht und immer auch das spezifisch Lokale im Blick gehabt. Seine kuratorische Expertise hat unseren Blick geweitet und herausgefordert, intellektuell und emotional. Seine weltgewandte Art und seine gesellschaftliche Perspektive wird nicht nur dem Haus der Kunst und dieser Stadt fehlen."

© SZ vom 05.06.2018 / lyn, fmue - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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