"Harry und Sally"-Autorin Nora Ephron ist tot:Alles, nur keine Dame

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Sie schaffte es, dass ein vorgetäuschter Orgasmus in einer amerikanischen Liebeskomödie landete, galt manchen als witziger als Dorothy Parker und war angeblich die einzige Praktikantin, die Präsident Kennedy nie anmachte. Nach einem munteren Leben ist die Autorin und Regisseurin Nora Ephron, eine der erfolgreichsten Frauen Hollywoods, mit 71 Jahren verstorben.

Von Irene Helmes

Sie sei ein wenig wie Dorothy Parker, nur vielleicht sogar klüger und witziger, schrieb die New York Times. Lange vor "Sex and the City" schrieb Ephron offen und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen über Frauen, Beziehungen und das Leben in New York. "Sie war die lustigste Feministin oder Pseudofeministin, je nachdem, wen man fragt", hieß es 2009 im Magazin New Yorker.

Nora Ephron im November 2010 in New York - in dieser Stadt verbrachte sie den größten Teil ihres Lebens. (Foto: AP)

Ein Heimchen, eine brave amerikanische Hausfrau zu werden wie in den fünfziger und sechziger Jahren üblich, das war jedenfalls nichts für sie, sagte Ephron einmal. Stattdessen schrieb sie Essays mit Titeln wie "A Few Words About Breasts" (1972) und schuf einige der beliebtesten Komödien, so zum Beispiel "Harry und Sally" (1989). Nun ist Ephron im Alter von 71 Jahren an Leukämie und den Folgen einer Lungenentzündung verstorben.

Ephron war geborene New Yorkerin und sie blieb ihrer Stadt treu. Dass ihre Eltern Henry und Phoebe Ephron, beide erfolgreiche Drehbuchautoren, sie der Karriere wegen als Kind aus Manhattan nach Los Angeles mitnahmen, blieb nur eine Episode. Nach der Schule folgten ein Abschluss in Journalismus und ein kurzes Praktikum im Weißen Haus im Sommer 1961. Später schrieb sie, sie sei wohl die einzige Praktikantin gewesen, die Präsident Kennedy nie angemacht habe.

Von Brüsten und Scheidungen

Mit Anfang Zwanzig kam Ephron wieder in ihre Stadt, New York, zurück. Zunächst als Hilfskraft bei Newsweek, ergatterte sie bald die Chance, die Familientradition fortzusetzen, das Schreiben. Es zeigte sich, dass wohldosierte Frechheit helfen kann: Während eines Zeitungsstreiks 1962 parodierte Ephron das Boulevardblatt New York Post so treffend, dass die Verlegerin sie direkt einstellte. Bald brachte sie Texte bei Magazinen wie Esquire und im New York Times Sunday Magazine unter. Der Essay "A Few Words About Breasts" ("Ein paar Worte über Brüste") machte Ephron 1972 bekannt. Mit einer Kolumne in Esquire gewann sie Fans im ganzen Land.

Ihre Karriere als Autorin setzte Ephron mit der Veröffentlichung erfolgreicher Romane fort. Ihr Privatleben war für sie eine unerschöpfliche Quelle. Von ihrer Figur bis hin zu ihren Ehen - Ephron schrieb über alles. Ihr Buch "Heartburn", auf Deutsch "Sodbrennen", das später mit Meryl Streep und Jack Nicholson verfilmt wurde, basierte auf ihrer gescheiterten Ehe mit dem Journalisten Carl Bernstein, der durch die Aufdeckung der Watergate-Affäre weltberühmt geworden war.

In ihren letzten Jahren setzte sich Ephron auch mit dem Altern auseinander, zum Beispiel in der Essaysammlung "I remember nothing" (2010). Nichts war ihr zu ernst für einen guten Spruch. Als Kind jüdischer Eltern erklärte sie etwa 2009 in einem Interview: "Man kann niemals zu viel Butter nehmen, das glaube ich. Wenn ich eine Religion habe, dann das".

Mit "Harry und Sally" zum Durchbruch

1983 verfasste Ephron ihr erstes Hollywood-Skript für "Silkwood" mit Meryl Streep. Den internationalen Durchbruch erreichte Ephron Ende der achtziger Jahre mit ihrem Drehbuch zu dem Film "Harry und Sally". Die ewige Frage, ob Männer und Frauen einfach nur Freunde sein können, beantwortete sie in dieser Geschichte letztendlich mit einem äußerst charmanten Nein. Unvergessen Sallys Orgasmus-Szene im Restaurant vor einem puterroten Harry. Dass so etwas im prüden Amerika der Zeit durchging, sagt einiges darüber aus, wie raffiniert Ephrons Vorlagen waren.

Zur Belohnung gab es eine Oscar-Nominierung (später sollten zwei weitere folgen). Doch die Glückssträhne hielt nicht. Ausgerechnet bei dem Versuch, ins Regiefach zu wechseln, erlebte Ephron einen Dämpfer, denn der Film "This Is My Life" (1992) über eine alleinerziehende Mutter floppte.

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Doch mit dem nächsten Film war alles wieder gut: "Schlaflos in Seattle" - mit Sally-Darstellerin Meg Ryan und dem knautschigen Tom Hanks - wurde ein Hit. Ephron galt nun endgültig als Meisterin der Romantic Comedy, sowohl als Autorin als auch als Regisseurin. Das uramerikanische Traumpaar Meg Ryan und Tom Hanks brachte Ephron 1998 noch ein zweites Mal auf die Leinwand in "e-m@il für Dich", dem Update einer Lubitsch- Screwball-Komödie der vierziger Jahre.

Dass Ephron ein Household-Name in den USA ist, bewies unter anderem 2006 die Essaysammlung "I Feel Bad About My Neck: And Other Reflections on Being a Woman", das direkt auf Platz eins der New York Times-Beststellerliste schoss. Auch als Bloggerin amüsierte sich Ephron bei der Huffington Post in den vergangenen Jahren über die Absurditäten des Lebens.

Ephrons letzter Kinoerfolg war die Komödie "Julie & Julia", bei der sie Regie führte und Produzentin war. Mit der Geschichte über die legendäre Köchin Julia Child nahm Ephron noch mal eine ihrer größten Leidenschaften auf, das Kochen. Denn auch wenn sie sich dem Schema Kinder-Küche-Kirche stets verweigert hatte, gutes Essen war ihr heilig.

In einer der Hauptrollen war wiederum Meryl Streep zu sehen. Mit Streep, Ryan, Hanks und vielen weiteren Kollegen arbeitete Ephron mehrmals zusammen. Besonders Frauen schätzten ihre Art. Meg Ryan etwa sagte, sie arbeite besonders gerne mit Ephron, weil sie sich von ihr viel besser verstanden fühle als von männlichen Kollegen. Geschichten über Dramen und Streitereien vom Filmset hörte man über Ephrons Produktionen nicht.

"Am Esstisch wie am Filmset angespornt"

"Ich werde die gemeinsamen Abendessen, Spiele und unser Lachen nie vergessen", sagte Nicole Kidman, die in Ephrons "Verliebt in eine Hexe" (2005) mitspielte, als Reaktion auf Ephrons Tod. "Ich hatte großes Glück, dass ich ihre Worte aussprechen durfte", sagte Billy Crystal über Ephrons Schreibkunst. Sie sei eine "brillante Schreiberin und Humoristin" gewesen, zitierte die Los Angeles Times den Schauspieler.

Auch Tom Hanks und Ehefrau Rita Wilson fanden warme Abschiedsworte. "Mit Weisheit und Witz, vermischt mit Liebe für uns und Liebe für das Leben, hat sie uns am Esstisch wie auf dem Filmset angespornt", zitierte die Los Angeles Times. "Als sie mit der Regie anfing, war sie eine Inspiration für weibliche Filmemacher, denn das war eine Zeit mit sehr wenig Regisseurinnen in Hollywood", würdigte Taylor Hackford ("Ray"), Chef des US-Regieverbands DGA, Ephrons Verdienste. Mit Ephron verliert Hollywood eine der bis heute wenigen Frauen, die dort als Regisseurin erfolgreich waren und einprägsame, individuelle Frauenrollen in Kinohits schufen.

Sie habe sich ungefähr alle zehn Jahre gefragt, "soll es das gewesen sein?", sagte Ephron vor einigen Jahren. Studentinnen ihres ehemaligen Colleges gab sie bei einer Rede auf den Weg: "Was immer ihr tut, welchen Weg auch immer ihr einschlagt, ich hoffe ihr entscheidet euch nicht dafür, Damen zu werden".

Ephron hinterlässt ihren dritten Ehemann, den Drehbuchautor Nicholas Pileggi, sowie ihre beiden Söhne Jacob und Max Bernstein.

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