Hardrock:Ü60-Party im Regen

AUFTRITT AC/DC AM 19.05.2015 IN MÜNCHEN

Die Schul-Uniform nie losgeworden ist der AC/DC-Gitarrist Angus Young - auch in mehr als 40 Jahren auf der Bühne nicht.

(Foto: Jens Niering)

Dank Glocken, Böllern und Strapspuppen gelten "AC/DC" als monumentale Live-Band. Doch dazu machen die in die Jahre gekommenen Herren im Olympiastadion leider schrecklich langweilige Musik

Von Oliver Hochkeppel

Man muss etwas nur lange genug durchziehen, dann wird man irgendwann selbst vom Feuilleton geliebt. Dann entschwindet die Sache selbst der kritischen Betrachtung, stattdessen wird es phänomenologisch, ja "kultig". Mit den australischen Hardrockern AC/DC geht das schon seit 20 Jahren so, weil sie die Voraussetzung dafür ideal erfüllen: Nach einer durchaus interessanten Band-Frühgeschichte - für die vor allem der tragisch verstorbene Sänger Bon Scott verantwortlich war - hat sich keine andere Band der Welt so radikal und populistisch auf ihr Erfolgsrezept zurückgezogen.

Das wurde nun auch im Münchner Olympiastadion mit erschütternder Erwartbarkeit abgespult. Nach dem Warmup kommt "Thunderstruck" als erster Höhepunkt (erklärlich durch das schlichte Call-and-Response-Motive mit "Hoi!" und "Thunder!"), kurz danach wird bei "Hells Bells" die große Pappglocke geschwungen, deren Produktionskosten wohl ebenso seit vielen Jahren abgeschrieben sind wie die des zweiten Großrequisits, der überdimensionalen, beweglichen Straps- und-Busenpuppe bei "Whole Lotta Rosie". Der erste Mitsing-Orgasmus folgt bei "You Shook Me All Night Long", mit "T.N.T." geht es dann schon in die Schlussrunde, die - "Let There Be Rock" - natürlich aus dem Zehn-Minuten-Gitarrensolo von Angus Young besteht. Als Zugabe gibt's, worauf alle gewartet haben: "Highway To Hell". Wenigstens reimt sich das auf originell.

Als Musikkritiker ist man mit diesem Programm schnell durch. Streng genommen sind es zwei Stücke, die AC/DC in verschiedenen Variationen spielen: Die harte, schnelle Nummer im Vierviertel-Takt und die nicht ganz so harte im Sechsachteltakt. Auf den Alben findet sich noch die eine oder andere Ballade, die live die offensichtlich erstrebte Monotonie zerstören würde. Bleiben die Intros. Bei "High" klingt "Nutbush City Limits", ein andermal Led Zeppelin an, doch nach wenigen Takten biegt das alles auf den AC/DC-Highway ein.

Angus Young hat immerhin nie einen Hehl daraus gemacht, um was es bei AC/DC geht: "Es ist eine Trash-Geschichte. Die Leute wollen einfach unterhalten werden." Ehrlich ist das, und genauso kommt es auch auf der Bühne rüber. Man muss daraus allerdings nicht gleich die "Essenz des Rock" oder eine "metaphysische Idee" machen. Man kann es eben auch doof finden, wenn sich etwas - und das gilt ja nicht nur für Musik - vorwiegend über Lautstärke definiert. Man darf jemanden albern nennen, der mit 60 nach wie vor in der Schul-Uniform über Bühnen hopst. Man sollte auch den ganzen Rockrebellen-Sums kindisch nennen können, der sich samt seinem Hölle- und Teufelshörnchen-Getue mit dem kleinstmöglichen Tabubruch begnügt. Vor allem aber kann man das noch den Unmusikalischsten mitnehmende ganz Schlichte eben auch schlicht langweilig finden, selbst und gerade nach den Maßstäben des Rock.

Übrigens schienen auch die eingefleischten Fans im Stadion ein wenig enttäuscht gewesen zu sein. Nach dem armen, wegen Demenz zu Hause gebliebenen Malcolm Young kommen halt auch die anderen in die Jahre. Schon der Einstieg mit Pyrotechnik und Video - diesmal ein aus dem Mond entspringender glühender AC/DC-Meteor zum aktuellen Hit "Rock Or Bust" - war weniger imposant als der leibhaftige Rock-Train beim vorigen Mal. Brian Johnson klang oft nicht mehr schrill, sondern krächzend. Und es lag sicher nicht nur am Regen, dass sich Angus Young beim Solo nur noch kurz am Boden wälzte und gar auf den üblichen Striptease verzichtete.

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