Guildo Horn gibt Opern-Debut:Krasse Klassik

Schlagersänger Guildo Horn tritt als Leporello in einer Light-Version von Mozarts "Don Giovanni" auf. Puristische Klassik-Liebhaber geraten bei dem Gedanken leicht ins Schaudern.

Titus Arnu

Diese Oper rockt. Das Orchester besteht zwar nur aus fünf Musikern. Kulissen gibt es keine, nur nackte Podeste und eine Leinwand für Videoprojektionen. Die Vorlage für das karg ausgestattete Singspiel - Mozarts "Don Giovanni" - wurde entschlackt und auf 90 Minuten gekürzt.

Guildo Horn

"Das ist eigentlich ein ganz Lieber": Entertainer Guildo Horn

(Foto: Foto: dpa)

Aber auf der Bühne geht der Punk ab: Drei Frauen und drei Männer singen wild aufeinander ein, fuchteln mit den Armen, beschuldigen sich gegenseitig des Betrugs. Mitten in diesem Wirrwarr fällt eine Gestalt auf, die hier irgendwie nicht so richtig reinpasst.

Der Mann sieht so ähnlich aus wie Riff-Raff, der Diener aus der "Rocky Horror Picture Show": schlaksig, halbglatzig, gurkennasig. Das Resthaar hängt wie bei Riff-Raff seitlich vom glänzenden Schädel herab.

Der Mensch heißt Horst Köhler, wie der Bundespräsident, ist aber weitaus bekannter unter seinem Künstlernamen Guildo Horn. Der Schlagersänger, Entertainer und Rockmusiker tritt als Leporello in einer Light-Version von "Don Giovanni" auf. An diesem Samstag ist Uraufführung des Stückes in der Stadthalle von Singen am Bodensee.

Beim Mittagessen in einem Singener Asia-Supermarkt erklärt Guildo Horn, wie es für ihn ist, wenn Welten aufeinandertreffen. Das Ensemble "Operassion" hat sich mit kleinen Fassungen großer Klassiker einen Namen gemacht; der von seinen Fans als "Meister" verehrte Horn wurde mit dem Titel "Piep piep piep - Guildo hat Euch lieb" und durch seine Nussecken-Leidenschaft bekannt. Wie geht das zusammen? "Ich fühle mich nirgendwo artfremd", sagt der 46-Jährige, "weil ich keiner Art angehöre".

Während des Gesprächs schleichen sich zwei Besucher des Asia-Markts an, bewaffnet mit Fotoapparat und einem Faltblatt mit der Werbung für "Leporellos Tagebücher". "Wir wollten nur wissen, ob Sie das wirklich sind," sagt der ältere Herr und schaut verstohlen auf die dampfende Suppe in Horns Hand. "Klar bin ich das", antwortet der Angesprochene freundlich, "so sieht ja wohl hoffentlich kein zweiter Mensch aus."

Auf der nächsten Seite: Warum die Opernrolle gut zu Guildo Horn passt

Krasse Klassik

Guildo Horn ist in natürlich viel netter und hübscher als der Horror-Diener Riff-Raff aus dem Musical. "Das ist eigentlich ein ganz Lieber", sagt der Singener Dirigent Fabian Dobler, musikalischer Leiter der ungewöhnlichen Kammeroper, und tätschelt zur Bekräftigung die Schultern seines Stars.

Der Auftritt in "Leporellos Tagebücher" ist Horns erste Opernrolle. Und sie passt erstaunlich gut: Leporello, der Diener des Frauenhelden Don Giovanni, macht sich über die Obrigkeit lustig und schert sich nicht um Standesregeln.

So eine ähnliche Rolle spielt Guildo Horn im Showgeschäft auch. Er hat Seemannslieder aufgenommen, in Musicals und Operetten mitgewirkt, eine Fernseh-Talksendung mit Behinderten moderiert, mit Country- und Rockbands musiziert und eine Swing-Platte mit der Bigband "Brassolution" eingespielt.

Die Idee, den Part als Sänger und Erzähler in "Leporellos Tagebücher" zu übernehmen, entstand nach einer Operettenaufführung mit Fabian Dobler als Leiter. Horn schlug vor: "Mach doch mal eine Oper für mich."

Puristische Klassik-Liebhaber geraten bei dem Gedanken leicht ins Schaudern: Guildo Horn in einer Mozart-Oper? Gesanglich ist die Rolle für den erfahrenen Rocker eine Herausforderung.

Mit seiner Band "Die Orthopädischen Strümpfe" röhrt er normalerweise Titel wie "Ich bin doch nicht zu fett" oder "Frisörsalon (Herrenschnitt)", klassische Sangeskunst war ihm bisher eher suspekt. "Die Zauberflöte fand ich zwar immer schon cool, aber das meiste in der Klassik ging mir auf den Zeiger, das war mir zu staubig", sagt Guildo Horn. Mit der Welt der klassischen Musik hatte er wenig am Hut und kann keine Noten lesen.

Im letzten Abschnitt: Was Guildo Horn über Mozart denkt

Krasse Klassik

Umgekehrt sei Fabian Dobler, der musikalische Kopf des Projekts, "ein totaler Pop-Legastheniker", sagt Guildo Horn, "der weiß nicht mal, wer Status Quo ist." Mozarts Musik hält Horn übrigens für ziemlich modern: "Mozart ist ein toller Popmusiker."

Bei der Probe in der neu eröffneten Stadthalle von Singen muss er sich ziemlich ins Zeug werfen, um ohne Mikrofon gegen die ausgebildeten Opernsolisten zu bestehen - dabei halten die Profis sich sogar noch zurück, um ihre Stimmen für die Premiere zu schonen. "Das sind ganz fein abgestimmte Formel-1-Motoren", sagt der Opern-Neuling, "während ich eher ein alter Diesel bin".

Eine klassische Gesangsausbildung hat der Diplom-Sozialpädagoge nicht genossen, dafür habe er aber mal bei einer Gesangslehrerin drei Nachhilfestunden im Fach Heavy Rock genommen, um zu lernen, wie man auf der Bühne länger durchhält. Als Kind sang Horst Köhler, der spätere Guildo Horn, in verschiedenen Chören, unter anderem im Landesjugendchor von Rheinland-Pfalz. Eines Tages flog er dort raus, weil er am Vorabend eines Konzerts in einer Countryband am Schlagzeug gesessen hatte - aus Sicht des Chorleiters ein unglaublicher Affront.

Das Schöne an dem Singener Singspiel ist, dass es überhaupt nicht übergagt wirkt. In der intelligent inszenierten Mini-Oper hält sich Guildo Horn, wie es sich für den Diener Leporello gehört, angenehm zurück. Er kauert stumm am Boden, ohne Faxen zu machen, während Don Giovanni (Douglas Yates) sein berühmtes Duett mit der Statue des Komturs singt.

Auf der Leinwand hinter dem Kammerorchester sind Videobilder von verwelkten Blättern zu sehen. "Wenn es die Rolle von mir verlangt", sagt Guildo Horn, "dann liege ich gerne auch als Staffage auf der Bühne herum, ich nehme das bierernst." Er beruhigt Skeptiker: "Wir machen Mozarts Stück nicht kaputt. Und es werden auch keine Kaninchen auf der Bühne geschlachtet."

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