Günther Jauch: Donnerndes Nein zur ARD:Eine ganz exklusive Absage

Genervt verzichtet der erfolgreiche Moderator auf die Nachfolge Sabine Christiansens - er fürchtet die Zwänge des öffentlich-rechtlichen Systems.

Hans Leyendecker, Christopher Keil und Hans-Jürgen Jakobs

Der junge Mann im alten Funkhaus gab zu schönsten Hoffnungen Anlass. Er lebe in einer Männer-WG, erfuhr der Gong-Reporter, und könne "im Grunde nie voll abschalten". Mit Charme und trockenem Humor übernahm er im Radioprogramm des Bayerischen Rundfunks eine Aufgabe nach der anderen, zum Beispiel als Moderator des Morgentelegramms auf B 3 oder als Korrespondent in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn.

Günther Jauch ARD Absage

Nach allen Querelen lustlos und genervt: Günther Jauch

(Foto: Foto: dpa)

Blasser, lächelnder Jüngling

Dann wurde er in der weiß-blauen ARD-Anstalt zur überregionalen Berühmtheit, als er mit dem blondgelockten Dampfplauderer Thomas Gottschalk die B-3-Radioshow machte und zwischen Musikstücken witzelte. Im Münchner Funkhaus mit seinem Holzfurnier, den weiten Fluchten und den Filzböden zog Jugendlichkeit ein.

Das war in den achtziger Jahren, und der etwas blasse, lächelnde Jüngling, der eine Aufgabe nach der anderen übernahm (auch die TV-Sendung Live aus dem Alabama), wurde außerhalb der ARD zum Begriff: Zunächst engagierte ihn das ZDF und dann, 1989, der Privatsender RTL. "Ein Lausbub macht Karriere", freute sich die Münchner Abendzeitung.

Dieser Lausbub war Günther Jauch, für den ein Steilaufstieg im Gewerbe des Entertainments begann, der den in Berlin aufgewachsenen Journalisten auf höchste Gipfel führte - beim Einkommen, in der Zuschauergunst, in der gesellschaftlichen Stellung. Günther Jauch wurde zum Star des deutschen Fernsehens, und ließe er sich als Kandidat einer politischen Partei aufstellen, würden sie ihn zum Gott-weiß-wen wählen.

Korb für den Senderverband Zurück im Münchner Funkhaus an der Hopfenstraße blieben einige Neider, aber auch viele Gönner - die hofften, der talentierte Mundhandwerker könnte eines Tages wieder zurückkehren an frühere Stätten, könnte heimkehren in den Schoß der stets etwas schwierigen ARD.

Tatsächlich sah es viele Monate so aus, als käme der verlorene Sohn heim, denn Jauch war als Moderator der Sonntags-Talkshow im Ersten ausgeguckt, als Nachfolger von Sabine Christiansen, 49. Am Donnerstagmorgen aber schlug der 50-jährige Meistverdiener des TV-Markts die Pauke und verkündete kurzerhand, er sage der ARD ab und werde Christiansen nicht beerben. Genervt von monatelangen Vertragsverhandlungen und Sitzungen, von öffentlichem Gerede und internen Finten, gab er dem Senderverbund einen Korb.

Am Wochenende hatte er den Fall lange mit seiner Frau Thea beredet. Mitte der Woche schrieb er dann einigen ARD-Verantwortlichen Briefe und E-Mails. Schließlich ging er an die Presse - die Furcht vor Interventionen der ARD-Chefredakteure und vor allzu viel Konferenz-Kleinklein hatten ihn zum Rückzug getrieben: "Damit wäre nach meiner Auffassung die Sendung dem ständigen Risiko ausgesetzt, zum Spielball der politischen Farbenlehre innerhalb der ARD zu werden" - dies entspreche nicht seinem Empfinden von "innerer Freiheit und äußerer Unabhängigkeit", erklärte er.

Eine ganz exklusive Absage

Der Star und das System, sie kamen nicht mehr zueinander. Das System war auf einmal wichtiger als der Star, der die Einschaltquoten garantiert und dafür gutes Geld erwartet. Günther Jauch, das erkennt er selbst, kam einfach einige Monate zu spät für einen solchen Wechsel.

Die Skandale um Schleichwerbung, die Debatten um den stasibelasteten Sportkoordinator Hagen Boßdorf, der Wechsel zu neuen Intendanten - nach diesen Krisenfällen hätten viele versucht, "sich durch einen Beitrag zur Personalie Jauch zu profilieren". Bei RTL dagegen "redet mir niemand rein - ich will nicht fremdbestimmt werden".

Die Zeiten haben sich geändert in der gebührenfinanzierten ARD, wo bis vor kurzem die Manager recht frei über Geldtöpfe verfügen konnten und Stars wie Reinhold Beckmann, Jörg Pilawa oder Harald Schmidt engagierten, die zuvor im Privatfernsehen für Stimmung gesorgt hatten. Die Neuzugänge bekamen komfortable Verträge, wonach sie als Produzenten ihrer eigenen Shows einen großen finanziellen Spielraum hatten. Auch Sportrechte wie an der Fußball-Bundesliga waren den ARD-Oberen nicht zu teuer.

Doch irgendwann meldete sich die EU-Kommission in Brüssel und prüfte, ob es sich bei den obligatorischen Rundfunkgebühren für die TV-Zuschauer um staatliche Beihilfen handele, die dem Wettbewerbsgedanken widersprächen.

Am Ende einigten sich die EU-Beamten, die für die Medienpolitik zuständigen Bundesländer und die öffentlich-rechtlichen Sender auf ein Procedere. Es sieht die klare Trennung von gemeinwirtschaftlichen Aktivitäten im Sinne des edlen Programmauftrags und kommerziellen Betätigungen vor. Zugleich wurden die Kompetenzen der Rundfunkräte, der Aufseher in den Gremien von ARD und ZDF, gestärkt.

In dieses neue Leitbild passt es nicht, dass einer wie Günther Jauch sowohl im Kölner Kommerzsender RTL als auch in der öffentlich-rechtlichen ARD zu sehen gewesen wäre. Jauch plante, neben dem Sonntagstalk im Ersten erst mal weiter auf RTL das Quiz Wer wird Millionär? sowie Stern-TV zu moderieren.

Später seien dann weitere Auftritte in der ARD denkbar, soll er seine Gesprächspartner beschieden haben, aber von einer sofortigen journalistischen Exklusivität, die auf einmal immer deutlicher verlangt wurde, mochte er nichts wissen. "Ich wollte keine Zusagen über den Sonntagabend hinausgeben", sagt Jauch.

Tipps von Harald Schmidt

Für den NDR-Intendanten Jobst Plog, 65, und den als Quotenmacher verehrten und gefürchteten ARD-Programmdirektor Günter Struve, 65, ist die überraschende Absage ein Debakel. Sie hatten fest mit dem Transfer gerechnet. Auch WDR-Chef Fritz Pleitgen, 68, hatte ihn mit angebahnt. Seit August wurde über den Kontrakt verhandelt, im November lag das Papier im Grunde vor - doch dann kamen ständige Nachbesserungen.

Er habe die Hoffnung gehabt, dass die drei "ihre letzte Runde drehen und das Ding mit mir zu Ende bringen würden", sagt Jauch. Doch immer neue kritische Äußerungen aus den Rundfunkräten störten einen Abschluss - im Gespräch mit Pleitgen hätte er "Wahrscheinlichkeitsrechnungen angestellt, mit welchem Zugeständnis wir den Vertrag über die Runden bringen".

Mitte Dezember habe Jauch dann um Bedenkzeit gebeten. Pleitgen sagt, er habe bei diesem Termin darauf hingewiesen, dass der TV-Star "auf absehbare Zeit" ganz zur ARD kommen müsse. Jauch müsse auch die Haltung der ARD verstehen: "Wir spielen hier in der Informationsbranche, das ist der öffentlich-rechtliche Kern. Da darf es keine Missverständnisse geben."

Eine ganz exklusive Absage

Gewarnt war Jauch durch seinen Freund Harald Schmidt. Der hatte ihm gesagt, er müsse sich an einen wie Struve halten, wenn aus der Sache etwas werden solle. Würden in der ARD erst mal viele mitreden, könnte es sehr schwierig werden. Schmidts Millionen-Vertrag ist noch mit der ARD-Filmfirma Degeto geschlossen worden, die Rundfunkräte hatten keinen großen Einblick. Nun aber hätten alle ARD-Sender finanziert.

Die Sorgen des Intendanten

Zum Streitpunkt wurde zunächst, ob Jauch weiter Werbung machen darf. Er habe sich geärgert, dass von außen ein Stopp gefordert wurde, sagt Jauch: "Was niemand wusste - ich habe die Werbeverträge selbst gekündigt." Dann ging es um die Hoheit über die neue Sendung - sollte sie wie ehedem bei Sabine Christiansen in der Unterhaltungssparte liegen oder aber doch im Sektor Politik mit zehn Chefredakteuren?

Die letzte Variante fürchtete Jauch wie der Moderator den Stromausfall - dass also die freitägliche ARD-Chefredakteursrunde auf einmal mitbestimmen würde, wer als Talk-Gast kommen dürfe und wer nicht. Da half es auch nicht, dass als oberster ARD-Chefredakteur Thomas Baumann agiert - ein Jauch-Kumpel aus gemeinsamen Tagen beim Bayerischen Rundfunk.

"Das Verfahren hätte ganz in der Hand des NDR gelegen", erklärt WDR-Chef Pleitgen hierzu, die Zuordnung von Christiansen zur Unterhaltung sei ein "Systemfehler" gewesen.

Der Generationenwechsel in der ARD hat dann die Entfremdung zwischen Star und System enorm beschleunigt. Neuer Vorsitzender des Senderverbunds ist Fritz Raff aus Saarbrücken, der intern früh durchblicken ließ, er halte es für wenig glücklich, wenn Jauch mittwochs bei Stern-TV auf RTL aktuelle Probleme behandele, über die er dann wenige Tage später im Ersten auch noch mal groß rede. "Ohne Jauch geht die ARD-Welt nicht unter", verkündete er rechtzeitig im Spiegel - der frühere Chef des Deutschen Journalisten-Verbands plädierte selbstverständlich dafür, dass eine solche Talkshow in der Chefredaktion richtig angesiedelt sei.

Jahres-Gesamterlös von weit mehr als 20 Millionen

In Köln wiederum fand die designierte WDR-Intendantin Monika Piel, die am 1. April auf Pleitgen folgte, klare Worte in einem Zeit-Interview: "Im Sinne der Markenpflege wird es in Zukunft nicht mehr möglich sein, dass jemand in beiden System auftritt. Entweder ist einer bei uns oder bei den Kommerziellen." Später schrieb sie einen persönlichen Erklärungsbrief an Jauch, was "sehr nett" gewesen sei, wie er sich vielsagend äußert.

Der Moderator wusste es auch einzuordnen, dass sich der einflussreiche WDR-Rundfunkrat Marc Jan Eumann - der Chef der SPD-Medienkommission - kritisch zu seiner Personalie äußerte. Langsam wurde ihm klar, dass über kurz oder lang auch Details aus seinem ARD-Vertrag in der Öffentlichkeit diskutiert würden - dessen Dotierung mit jährlich mehr als sechs Millionen Euro auf der Höhe des Christiansen-Kontrakts lag, "plus Inflationsausgleich", sagt Jauch.

Mit seiner Produktionsfirma I & U hätte er die Show gefertigt. Ein erstes Konzept lag vor. Es sollte lustig und menschlich, aber auch hintergründig zugehen. Aus der Traum. Die Sache sei "zu unübersichtlich geworden", sagt Jauch.

So wollte Jauch die journalistische Karriere nicht ausklingen lassen, das wäre ihm gegen den Strich gegangen, dem Wertkonservativen, der sich am Wohnort Potsdam als Wohltäter und Bauherr betätigt, der viel spendet und zu einer übergeordneten Figur geworden ist. Nach den Gesetzen des Marktes ist er mit einem geschätzten Jahres-Gesamterlös von weit mehr als 20 Millionen Euro die Nummer eins. Das ist die Größenordnung des Deutsche-Bank-Chefs Josef Ackermann, und in diesen Dimensionen hält man für Muff und Mief, was für andere Kontrolle und Kommunikation ist.

Eine ganz exklusive Absage

Nach dem großen Krach üben sich die ARD-Hierarchen in ihrer schönsten Disziplin: Selbstreflexion mit Seitenhieben. Er wisse nicht, was Jauch mit "politischer Farbenlehre" meine, erklärt ARD-Chefredakteur Baumann, seine redaktionellen Entscheidungen fänden nicht nach Proporzdenken und Farbenlehren statt, "sondern fußen auf journalistischer Ausgewogenheit".

Er könne Jauchs Entscheidung "jetzt leider nur akzeptieren", formuliert dagegen Programmdirektor Struve, der Journalist hätte "hervorragend" zur Glaubwürdigkeit der ARD gepasst. "Wir hätten ihm den roten Teppich ausgerollt", trauert ARD-Unterhaltungschefin Verena Kulenkampff. Der Vertragsabschluss sei "durch eine Reihe von Indiskretionen und Nachforderungen aus einigen Landesrundfunkanstalten und deren Gremien" gefährdet worden, enthüllt NDR-Chef Plog - und zeigt sich besorgt, ob die ARD noch mal einen Fernsehstar dieser Güte gewinnen könne.

"Ich weiß, dass ich gut bin."

Muss sie vielleicht auch nicht, denn das System hat eigene Talente, die in Dritten Programmen auf einen Ruf warten. Talente wie der WDR-Moderator Frank Plasberg, 49, der mit seinem Talk Hart aber fair zugleich für Substanz und Quote sorgt. Plasberg, den Plog für die große Bühne noch nicht als geeignet empfand, ist erster Kandidat auf die Nachfolge des verhinderten Sabine-Christiansen-Nachfolgers Günther Jauch.

Das System ist sich wieder selbst genug - und der Star schwebt nicht wie ein quotenbringender Glücksengel von Sender zu Sender. Gerhard Zeiler, der Chef der RTL Group, hat in Gesprächen mit Jauch in Berlin dem Moderator den Rücken gestärkt. Nun macht er bei RTL wie gehabt weiter. Es bleibt die Chance, frühere Gespräche mit ZDF-Intendant Markus Schächter aufleben zu lassen - der wollte ihn ebenfalls für eine Talkshow am Sonntag.

Vermutlich wird einer wie Jauch am Ende doch wie Hansjoachim Friedrichs sein. Schon im August 2000 offenbarte Jauch, der einstige "Mister Tagesthemen"sei sein Vorbild. Er hat schon schlimmere Krisen überlebt, zum Beispiel vor zehn Jahren den Skandal um gefälschte Filme des Autoren Michael Born in Stern-TV. Wie sagte Günther Jauch im Jahr 1989, einige Monate, bevor er in München der ARD Ade sagte: "Ich weiß, dass ich gut bin."

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