Ground Zero:"Die Twin Towers bleiben stehen"

Mehr als vier Jahre liegt der Anschlag auf die Türme des World Trade Centers in New York bereits zurück. Seitdem wird versucht, ein neues Gebäude zu errichten - ohne Erfolg. Und die Menschen in New York scheinen zurück zu ihrem Leben gefunden zu haben.

Jürgen Schmieder

Groß sollte er werden, 541 Meter hoch, einem Ausrufezeichen ähnlich. Mit einem eigenen, im Gebäude integrierten Windkraftwerk: Der Freedom Tower. Stararchitekt Daniel Libeskind hatte ihn designt und ein weiteres Element eingebaut. Am 11. September - Jahrestag der Anschläge auf das World Trade Center - wird der Freedom Tower keinen Schatten werfen. Weder auf sich selbst noch auf die Straße. Ein Symbol der Reinheit sollte er werden.

Ground Zero: Zero Bewegung am Ground Zero.

Zero Bewegung am Ground Zero.

(Foto: Foto: Stadtler)

Aber irgendwie scheint der Bau des Turms unter einem schlechten Stern zu stehen, so dass im Moment in Manhattan das passiert, wonach die Gedenkstätte benannt ist: zero.

Im Mai gab es Warnungen, dass der Wolkenkratzer künftigen Terroranschlägen nicht standhalten könnte. Weniger als acht Meter von einer Straße entfernt, könnte der Turm nicht sicher sein vor Anschlägen mit Autobomben.

Die Folge: Gouverneur und Bürgermeister erklären, dass eine gründliche Überarbeitung der Baupläne, insbesondere der unteren Etagen, nötig sei. Der Grundstein war schon gelegt, der Bau jedoch verzögert sich. Nicht vor 2010 soll der Freedom Tower fertig gestellt werden.

Auch ist noch nicht geklärt, wer in den neuen Turm einziehen soll. Die meisten Firmen, die im World Trade Center beheimatet waren, sind in leer stehende Gebäude im Norden Manhattans umgezogen.

Auch für die Wohnungen ist kaum jemand zu begeistern. Zu groß ist die Angst, dass der Freedom Tower als neues Symbol der Vereinigten Staaten ein ideales Ziel für Terroristen sein könnte.

Auch der so genannte Transportation Hub, die U-Bahn-Station am World Trade Center, ist in seinem derzeitigen Zustand nur temporär. Geplant ist eine Station, die über eine Milliarde Dollar kosten soll und der neue Mittelpunkt der öffentlichen New Yorker Verkehrsmittel sein soll.

Durch die Verzögerungen beim Bau des Turms ist auch der Zeitplan des Projekts von Architekt Santiago Calatrava in Gefahr. Etwa 2008 soll sie fertig sein.

Wer in diesen Tagen Ground Zero besucht, bekommt nicht allzu viel zu sehen. Das Gelände ist immer noch abgesperrt, man kann vereinzelte Bagger und Bauwagen erkennen - aber keine Arbeiter. Ein paar Stadtführer kommen und erzählen, was sich hier vor vier Jahren ereignet hat. Straßenverkäufer versuchen, den Touristen Photos von der Katastrophe aufzuschwatzen. Besucher lesen Gedenktafeln und starren auf die Namen der Opfer. Nicht wirklich viel zu sehen, "zero on ground zero".

Von einem schnellen Aufbau, wie kurz nach den Anschlägen angekündigt, kann also keine Rede sein. Viele Bürger New Yorks aber finden den bedächtigen Aufbau die richtige Maßnahme. "Am Anfang ging es nur darum, ein schnelles Statement gegen Terrosrismus zu demonstrieren", sagt Arjuna Cuddeback, Chef einer Marketingfirma in Manhattan. "Nun aber wird dafür gesorgt, dass eine vernünfige Lösung gefunden wird, anstatt nur irgendein Gebäude zu errichten."

Er bezweifelt auch nicht die Wirtschaftlichkeit des Freedom Towers: "Wenn der Turm erstmal gebaut ist, werden Firmen sofort Büros buchen."

Die Bürger von New York glauben an den neuen Turm - auch wenn der Hype um die Gedenkstätte deutlich abgenommen hat. "Am Anfang bin ich fast jede Woche zu Ground Zero gegangen, um der Gefallenen zu gedenken", sagt Jordan Vatt.

Er arbeitet seit 2000 in einem Bürogebäude direkt neben Ground Zero. "In diesem Jahr war ich nur noch drei Mal dort, um nachzusehen, was sich dort tut", gibt er zu. Das Leben hat die New Yorker eingeholt, vieles geht seinen gewohnten Gang. "Das aber wollten wir", sagt Vatt. "Wir möchten zeigen, dass wir uns nicht einschüchtern lassen und unser Leben weiterführen können." Vergessen wollen sie jedoch nie.

Deshalb sind überall in Manhattan Gedenktafeln zu sehen. Nur wenige Meter entfernt von Ground Zero steht "Sphere", ein Monument, das die Terroranschläge vom 11. September 2001 überlebte. An jedem Jahrestag werden Lichtanlagen installiert, um nachts die Illusion zu bieten, dass die Twin Towers immer noch Teil der Skyline sind. "Auch wenn sich die Menschen nicht mehr täglich damit beschäftigen, gehört Ground Zero dennoch zum Leben von uns New Yorkern", sagt Arjuna Cuddeback.

Denn auch wenn 2010 dann endlich der neue, schattenfreie und reine Freedom Tower seine Tore öffnen wird, werden die Twin Towers im Gedächtnis des Big Apple bleiben. Schon allein deshalb werden an den Seitenflügeln des Turms zwei riesige Löcher errichtet, um Einwohner und Besucher immer an die Anschläge zu erinnern.

Eine richtige Entscheidung, wie Cuddeback sagt: "Auch mit den neuen Bauwerken werden die Twin Towers immer das absolute und bedeutendste Symbol der Stadt bleiben, für Freiheit und Demokratie stehen." Gerade weil sie nicht mehr stehen.

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