Großformat:Die Kunst des Haareknüpfens

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Die Maskenbildnerin Helene Lang hat Perücken entworfen, die im österreichischen Historienfilm "Licht" von Barbara Albert eine ganze Gesellschaft charakterisieren. Ein Blick in die Werkstatt.

Von Martina Knoben

Hochaufragend und schwer wie aus Beton gegossen sitzt die Perücke auf Maria Dragus' Kopf. In Barbara Alberts Film "Licht" (ab Donnerstag im Kino) ist das Haarungetüm ein Sinnbild für die überbordenden Formen und erdrückenden Regeln der Rokoko-Gesellschaft, von der der Film erzählt. Maria Dragus verkörpert darin die blinde Pianistin Maria Theresia Paradis; sie lebte Ende des 18. Jahrhunderts in Wien. Am Anfang ist "Resi", wie sie genannt wird, bei einem Kammermusikabend zu sehen. Ausstaffiert mit der Riesenperücke wird das Klavierwunderkind den Gästen der Familie vorgeführt.

"Die Perücke sollte Resi erdrücken", sagt Helene Lang, die Maskenbildnerin von "Licht". "Sie sollte schwankend auf ihr sitzen und die Absurdität dieses Zurschaustellens erkennbar sein." Künstlerisch ambitionierte Filme werden gern als "Autorenfilme" wahrgenommen - als ob der Regisseur alles allein machen würde. Bei einem Film wie "Licht" ist offensichtlich, wie entscheidend die Arbeit der Maskenbildnerin ist. Vier Perücken hat Lang allein für Resi angefertigt, darunter das Haarungetüm vom Beginn. "Es gab solche Perücken", erzählt Lang, "aber nicht in Wien, nicht in dieser Gesellschaft." Mit der Regisseurin habe sie entschieden, den historischen Look zu überhöhen. Wenn Resi später zu sich selbst findet, den gesellschaftlichen Druck kurzzeitig ablegen kann, werden auch ihre Perücken kleiner. Einmal ist sogar ihre "echte" Kopfhaut zu sehen - Resi ist fast kahl. Für diese Szene kam unter der Rokoko-Perücke eine zweite Perücke zum Einsatz, die die entstellte Kopfhaut simuliert.

Es war eine aufwendige Arbeit für die Maskenbildnerin, die ein halbes Jahr vor Drehbeginn damit anfing, Abdrücke der Schauspielerköpfe anzufertigen. Sie waren die Grundlage für die sogenannten Monturen aus Tüll, Draht und Bändern, in die die Haare für die Perücken geknüpft werden. Weil Regisseurin und Maskenbildnerin nicht "die üblichen weißen Schäfchenperücken" wollten, die - so Lang - den Eindruck von "Mozartkugelwerbung" erwecken, verwendeten sie ausschließlich Naturhaar, das am Ende mit Fett und Puder patiniert wurde. Die Methode ist historisch verbürgt - vor allem aber passte sie ins Konzept: Statt schäfchenweiß sehen Resis Haare nun pompös straßenköterfarben aus.

© SZ vom 27.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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