Großformat:Bloß nicht waschen!

Großformat: Foto: Thomas Mayfried, 2016

Foto: Thomas Mayfried, 2016

In der Kunst haftet an allem die Aura des Ateliers. Der Münchner Maler Florian Süssmayr macht die Hemden, an denen bei der Arbeit Farbspuren kleben bleiben, zu eigenständigen Objekten.

Von Catrin Lorch

Die Palette des Künstlers, beliebte Geschichte: Außer dem Pinsel ist dem Maler bei der Arbeit ja nichts näher als die Holztafel, auf der er Farben anmischt. Es gibt nicht wenige Museen, die verwahren so was im Depot. Weil Paletten - wenn der Künstler nur berühmt genug ist - etwas von der Aura des Ateliers anhaftet. Im hart eingetrockneten Blau und Rot und dem wieder und wieder angemischten Hautrosa. Und weil sie schön aussehen und an Bilder erinnern, an abstrakte.

Doch auch andernorts bleibt vom Malen einiges hängen: Es gibt Fotos, die zeigen Lucian Freud vor einer Wand in seinem Londoner Atelier. An der hat er, offensichtlich, viele Jahre lang die Farbe vom Pinsel oder dem Malmesser abgestreift. Sie ist dick verkrustet mit Freuds charakteristischen dunklen Brauns und Graus und Blaus, die sich auftürmen wie Stalagmiten in der Tropfsteinhöhle. Bei Florian Süssmayr, der, anders als Lucian Freud, nicht mit freiem Oberkörper arbeitet, landet viel von der Farbe auf den T-Shirts, die er beim Malen trägt: Dunkelgrau und Grün sprenkeln den Aufdruck "Snipers Amusement Center" auf diesem Foto, das den Künstler in seiner Arbeitskleidung zeigt.

Dem blauen Schriftzug wird man womöglich eines Tages im Museum oder auf Ausstellungen wieder begegnen. Denn zum Werk des Münchner Malers gehören seit einigen Jahren auch T-Shirts. Als original verkleckster Hemdenstoff. Vor drei Jahren spannte er das erste Mal ein paar farbstarrende Shirts auf Keilrahmen und verkaufte sie - ohne weitere Bearbeitung - als Edition im Münchner Kunstverein. Waren das nun Readymades, also Alltagsgegenstände, die sich durch die Signatur des Künstlers in Kunstwerke verwandeln? Oder gilt das jetzt als Malerei, wenn einer sich bei der Arbeit vor der Staffelei schmutzig macht? Und spielt Süssmayr mit der kleinen Serie womöglich auf das Schweißtuch der Heiligen Veronika an, einen Ur-Mythos der Kunstgeschichte? Jedenfalls fand Süssmayr - der mit abgemalten Graffiti und Klosprüchen international berühmt wurde - dass sich die eigenen Zufallsprodukte so gut machten, dass er die abgetragenen Hemden als Motiv aufgriff und auch wieder abmalte.

Auf unserem Foto trägt Florian Süssmayr fast Weiß, noch ist die Schrift auf dem T-Shirt lesbar. Das "Snipers Amusement Center" gab es übrigens wirklich. "Das war eine Kneipe in Beirut, die ich besucht habe, als ich Mitte der Neunzigerjahre für ein Filmprojekt im Libanon war", erinnert sich der Künstler. Aber eine Bar mit einem so aggressiven, amerikanischen Namen - "die wird es sicher nicht mehr geben". Ein Hemd fürs Museum also. Schon jetzt.

Auf dieser Seite zeigen wir jede Woche neue, unbekannte oder verschollene Werke von Künstlern, Autoren, Architekten, Komponisten, Regisseuren und Designern. Sie sprechen für sich selbst, wir erzählen die Geschichte ihrer Entstehung.

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