Großformat:Bloß ja kein Theater

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(Foto: LSD | Lenore Blievernicht)

Bert Neumann war für die Berliner Volksbühne der einflussreichste Bühnenbildner der letzen 20 Jahre. Im Juli starb er überraschend. Wir zeigen eine Zeichnung aus seinem Skizzenbuch.

Von  Peter Laudenbach

Bert Neumanns Bühnenbilder waren immer überraschend - auch weil er es nicht mochte, wenn Theater zu sehr nach Theater aussah. Readymades und Fundstücke der Warenwelt, von weißen Plastikstühlen bis zu komplett funktionstüchtigen Küchenzeilen, waren ihm lieber als die üblichen Dekorationen. Er hat das Theater in ein Filmstudio verwandelt oder ganze Stadtlandschaften auf die Bühne gesetzt.

Sein Anti-Marketing mit rätselhaften Parolen in Runenschrift, Kondomen als Werbeträger und Besetzungszetteln aus altem DDR-Papier hat die Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz nach innen wie nach außen geprägt: Corporate Identity nicht als Verkaufsinstrument im Dienst der Markenpflege, sondern als Fortsetzung der Kunst mit anderen Mitteln. Die letzte Rauminstallation des am 30. Juli mit nur 54 Jahren verstorbenen Künstlers erfindet wieder mal das Theater neu: Er hat den Innenraum der Volksbühne für die laufende Spielzeit komplett entkernt. Schwarze Glitzervorhänge baumeln vor den schwarz gestrichenen Wänden, eine Leuchtreklame für Coca Cola in kyrillischer Schrift demonstriert den Sieg des Kapitalismus. Die Schräge des Zuschauerraums ist asphaltiert, als wachse die Stadt ins Theater - eine spöttische Umdrehung der inflationären Mode, Theater in den urbanen Raum zu holen. Nach Frank Castorf mit "Die Brüder Karamasow" bespielt nun René Pollesch mit seiner neuen Inszenierung diese Theaterhöhle, Premiere ist am kommenden Donnerstag. Der Titel hätte Neumann gefallen: "Service / No Service". Ein Dienstleister für trendbewusste Abendunterhaltung war dieser Künstler nie.

Wir zeigen eine Zeichnung aus Neumanns vorletztem Skizzenbuch aus dem Frühjahr 2015 . Kein Bühnenbild-Entwurf, sondern eine Gedanken-Skizze: Auf dem Dach des Palastes - des Reichstagsgebäudes? - ist Feuer ausgebrochen, die alten Sicherheiten kollabieren.

Auf dieser Seite zeigen wir jede Woche neue, unbekannte oder verschollene Werke von Künstlern, Autoren, Architekten, Komponisten, Regisseuren und Designern. Sie sprechen für sich selbst, wir erzählen die Geschichte ihrer Entstehung.

© SZ vom 28.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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