Großbritannien:Popstars gründen eigene Gewerkschaft

Sie verdienen einen Haufen Geld und werden bestimmt nicht unterjocht: Gleichwohl gibt es jetzt eine Gewerkschaft für Popstars. Robbie Williams ist auch dabei.

A. Menden

Die brutalen Lebensbedingungen der Fabrikarbeiter von Manchester veranlassten Friedrich Engels einst zu seinem vernichtenden Bericht über "Die Lage der arbeitenden Klasse in England". Für die Gründung einer neuen britischen Gewerkschaft ließe sich also bis heute kein symbolträchtigerer Ort finden als die ehemalige Industriemetropole im englischen Nordwesten.

Großbritannien: Ist jetzt Mitglied einer Gewerkschaft: Robbie Williams.

Ist jetzt Mitglied einer Gewerkschaft: Robbie Williams.

(Foto: Foto: dpa)

Dennoch hätte man wohl bis vor kurzem die "Featured Artists' Coalition" (FAC), die an diesem Sonntag bei der Musikmesse "In the City" in Manchester offiziell entstanden ist, allenfalls als pseudo-subversive Geste oder als Witz aufgefasst. Denn viele ihrer Gründungsmitglieder sind nicht unterjochte Proletarier, sondern Millionäre: Dazu gehören Sänger wie Robbie Williams und Brian Ferry ebenso wie die Bands Radiohead und Kaiser Chiefs.

Doch in Zeiten, in denen selbst stramm kapitalistische Systeme zur Bankenverstaatlichung greifen, um die Wirtschaft am Laufen zu halten, wirkt es nicht mehr ganz so verwunderlich, wenn Künstler, deren Wände gleichsam mit Platin-Schallplatten gekachelt sind, sich zu einer Gewerkschaft zusammenschließen.

IG Glamour

Die FAC soll im Zeitalter des digitalen Musikvertriebs die wirtschaftlichen und urheberrechtlichen Interessen britischer Popmusiker vertreten. In ihrer Satzung verspricht die Popgewerkschaft, sich "für alle Künstler einzusetzen, indem sie gegenüber Regierung, Musik- und Technologiefirmen sowie Verwertungsgesellschaften Fair Play einfordert und, wo nötig, unfaire Methoden aufdeckt".

Hinter dieser Absichtserklärung steht die Sorge, in einem immer unübersichtlicher und unberechenbar werdenden Musikmarkt vollends die Kontrolle über die kommerzielle Nutzung der eigenen Werke zu verlieren. Musikalisch haben Künstler wie die Sängerin Kate Nash, die Heavy-Metal-Veteranen Iron Maiden und der Pink-Floyd-Gitarrist David Gilmour kaum etwas gemein.

Nun haben sie auf politischer Ebene zusammengefunden, in der zweifellos glamourösesten Solidargemeinschaft der britischen Gewerkschaftsgeschichte.

Vor zehn Jahren läutete die illegale Gratis-Online-Musiktauschbörse "Napster" den Niedergang des Tonträgers und den Siegeszug des Musik-Downloads ein. Der Traum, durch das Herunterladen von Musik aus dem Internet würden Künstler und Fans näher zusammenrücken, ist bei den Musikern längst der Furcht gewichen, zu reinen Materiallieferanten zu werden, an denen der Großteil der Profite vorbeigeht.

Grund dafür sind Websites wie "MySpace Music", an deren werbefinanziertem Streaming-Service einige große Musikfirmen beteiligt sind, oder das neue Nokia-Handy "Comes with Music", das mit einer einjährigen Flatrate zum Herunterladen beliebig vieler Musiktitel angeboten wird.

In Großbritannien ist es üblich, dass Musiker den Plattenfirmen oder Publizisten die vollen Nutzungsrechte an ihren Songs überschreiben. FAC fordert, dem deutschen Beispiel zu folgen und die Rechte an allen Songs beim Künstler zu lassen. Die Musikfirmen wären dann auch in Großbritannien nur noch Lizenznehmer, nicht mehr Eigentümer der fraglichen Werke.

Wo die Rechte bereits an einen Vertragspartner abgetreten wurden, soll dieser künftig eine "treuhänderische Verpflichtung" haben, jede weitere Nutzung der Stücke offenzulegen. Letztlich will die FAC eine Änderung der britischen Copyright-Gesetze erwirken, die der "neuen musikalischen Landschaft" Rechnung trägt.

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