GroKo ist Wort des Jahres 2013:Deutsche Sprache, neue Sprache

Experimentiert hat die Gesellschaft für deutsche Sprache schon öfter, doch eine Wahl wie "GroKo" und noch dazu ein Hashtag für das Wort des Jahres ist neu. Die Jury ehrt einen Trend aus dem Netz - dort hält sich die Begeisterung in Grenzen.

Von Irene Helmes

Es gibt sie noch nicht, und viele wollen sie nicht einmal als Wort gelten lassen. Trotzdem: Die "GroKo", kurz für Große Koalition, ist Wort des Jahres 2013. An Kroko oder gar das ganze Krokodil fühlt sich die Jury der Gesellschaft für deutsche Sprache ihrer Erklärung zufolge erinnert, und hebt die "halb spöttische Haltung" des Worts sowie "Sprachwitz und Kreativität" heraus. Es handle sich um eine "interessante, sprachspielerische Wortbildung".

Da die GroKo außer in Gesprächen vor allem im Netz als #GroKo zu finden ist, wird mit ihr erstmals ein Hashtag zum Wort des Jahres und setzte sich damit auch gegen #Aufschrei durch, der vielen als Favorit galt. Verdient?

Bislang fielen die Favoriten der Gesellschaft für deutsche Sprache - zumindest sprachlich gesehen - eher konservativ aus. Da gab es die "Rettungsroutine", den "Stresstest", und natürlich den "Wutbürger" oder schlicht und einfach die "Bundeskanzlerin". Das erste Wort des Jahres überhaupt lautete 1971 "aufmüpfig".

Immerhin schon 2002 wagte sich die Jury bei Platz eins mit dem "Teuro" in die Welt der Wortkreationen und Neuschöpfungen vor. Auf den Rängen 2-10 der alljährlichen Listen tummeln sich hingegen schon lange alle möglichen Neuschöpfungen, ob "BRDDR" (1989), "simsen" (2001) oder "guttenbergen" (2011). Oder "googeln" (2003) und "twittern" (2009).

Womit man schon fast bei der Erklärung für das Phänomen GroKo angelangt ist. Denn allgegenwärtig wurde sie zweifellos durch den Twitter-Trend in diesem Herbst. Wer jedoch glaubt, die GroKo sei eine Schöpfung der Netz-Wahldebatten 2013, wird sich wundern, dass Harald Schmidt schon 2005 in seiner ARD-Show in Zusammenhang mit der damaligen Großen Koalition eine Krokodilhandpuppe mit dem Namen GroKo präsentierte. Im österreichischen Standard war die Überschrift "Die vielleicht beste 'GroKo' aller Zeiten" am 29. November 2008 zu finden. Auch Twitter kennt den Begriff schon seit Jahren.

Abkürzungen sind im Netz wie auch für Journalisten besonders attraktiv, und hier liegt das Erfolgsgeheimnis der GroKo. In einem Dickicht aus Koalitionsverhandlungen, Mitgliederentscheiden und weiteren nicht herausragend schönen Exemplaren aus dem Wortschatz der Politik nahmen viele in den endlos erscheinenden Wochen nach der Bundestagswahl die GroKo dankbar auf. Und Witze gelangen mit ihr auch viel besser.

Die Tageszeitung taz etwa befreite den Begriff Ende November von seinem Hashtag und nahm ihn mit der Schlagzeile "Es wird ein GroKo" auf den Titel. Mit Betonung auf "ein", nicht "eine" - bebildert war das Ganze mit dem bereits erwähnten Krokodil. Die Gesellschaft für deutsche Sprache ignoriert den Hashtag-Aspekt der GroKo interessanterweise zumindest in der Kurzbegründung auf ihrer Website völlig. Vielmehr betont sie, das Kurzwort habe "die Presse bereits zu neuen Bildungen wie GroKo-Deal animiert".

Nun könnte man meinen, die Anerkennung des Begriffs durch die Jury, die schließlich mit renommierten Sprachwissenschaftlern besetzt ist, könnte im Netz für Jubelstürme sorgen, als Geste der Anerkennung vielleicht. Doch die Reaktionen fallen skeptisch bis negativ aus.

Das "Unwort des Jahres" wird übrigens von einer anderen Jury vergeben und im Januar bekanntgegeben. Wie viele Reaktionen bei Twitter andeuten, wäre so manchem die GroKo dort besser aufgehoben. Vor allem aber: Auch nach der Bekanntgabe ist die GroKo im Netz nicht nur Wort des Jahres, sondern weiter das, was sie auch vorher war: die #GroKo, um sich etwas leichter durch das Dickicht der Debatten schlagen zu können. Und so ergibt sich nun ein ganz ungeahntes Dilemma:

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