Grimms Märchen in Bildern:Hänsel gefällt das

Im Märchenbuch von Frank Flöthmann gibt es keinerlei Text, dafür viele Zeichen. Der Illustrator erzählt Grimms Geschichten in piktografischen Comics, mit einem Fußball anstatt goldener Kugel und Gefällt-mir-Daumen. So ganz genau nimmt es Flöthmann bei der Handlung der Märchen nicht.

Von Alex Rühle

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Grimms Märchen in Bildern

Quelle: DuMont Buchverlag

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Im Märchenbuch von Frank Flöthmann gibt es keinerlei Text, dafür viele Zeichen. Der Illustrator erzählt Grimms Geschichten in piktografischen Comics, mit einem Fußball anstatt goldener Kugel und Gefällt-mir-Daumen. So ganz genau nimmt es Flöthmann bei der Handlung der Märchen nicht.

Es war einmal ein Junge, der war elf Jahre alt und wollte nichts mehr wissen von den Brüdern Grimm, und er sagte, "Ei Vater, Märchen sind doch voll babysch", denn er kannte Darth Vader und den Todesstern und dünkte sich groß.

Im Bild: Rumpelstilzchen

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Wer hier schon einwendet, das Adjektiv babysch gebe es doch gar nicht, der hat noch nie reden hören einen elfjährigen Knaben unserer Zeit. Nun trug es sich aber zu, dass die achtjährige Schwester des Knaben des Weges kam, das großformatige neue Buch erblickte und sagte, naja, ankucken kann man's ja mal, und das war dann für alle ein großes Glück.

Im Bild: Aschenputtel

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Lange nicht solchen Vorlesespaß gehabt mit den Kindern. Wobei man in diesem Fall gar nichts vorliest, schließlich gibt es keinerlei Text.

Im Bild: Rumpelstilzchen

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Eher geht es darum, gemeinsam Altbekanntes neu zu entschlüsseln, in dem Beispiel, das wir hier abdrucken: Was bedeuten die nudelartig verdrehten Finger und das runde Häkchen? In welchem Verhältnis stehen die runde und die wolkige Blase über dem Kopf der Prinzessin? Und in welcher Reihenfolge muss man all die Bilder eigentlich anschauen?

Im Bild: Der Froschkönig

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Der Berliner Illustrator Frank Flöthmann erzählt 16 Märchen der Brüder Grimm in Form piktografischer Comics. Für jedes Märchen braucht er zwischen 30 und 60 Bilder, das heißt, das Ganze ist, sowohl was die Handlung als auch was die Figurenzeichnung betrifft, absolut reduziert.

Im Bild: Rapunzel

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Klar, das Rotkäppchen trägt ein rotes Käppi, Rumpelstilzchen hat Bartstoppeln und Zahnlücken. Ansonsten jedoch sind die Figuren aller physiognomischen Charakteristik beraubt. Das sind sie aber ja im Märchen auch, die Grimms verraten nie, wie jemand aussieht, es heißt nur immer stereotyp, eine Prinzessin sei wunderschön oder ein Prinz sei ausnehmend tapfer.

Im Bild: Rotkäppchen

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Hier nun bedeutet Krone Prinzessin oder König, schiefgestellte Augenstriche: Böser Gesell. Und wo es bei den Grimms heißt: "Da ward gutes Essen aufgetragen, Milch und Pfannekuchen mit Zucker, Äpfel und Nüsse.

Im Bild: Schneewittchen

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Hernach wurden zwei schöne Bettlein weiß gedeckt, und Hänsel und Grethel legten sich hinein und meinten sie wären im Himmel", da schwebt hier nur über den beiden kreisrund lächelnden Geschwistergesichtern ein Gefällt-mir-Daumen.

Im Bild: Hänsel und Gretel

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Gerade aus dieser Lakonie, dem restlosen Einschmelzen alter deutscher Sprache in globalisierte Icons, entsteht oft die größte Komik beim Lesen. Das Ganze funktioniert in seiner Reduktion natürlich nur, wenn man die Märchen kennt, weshalb Flöthmann auch die Evergreens ausgewählt hat, Froschkönig, Schneewittchen, Rotkäppchen, Frau Holle . . .

Im Bild: Frau Holle

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Und es funktioniert auch nur, wenn man in der Lage ist, derlei Symbolsprache selbst zu entschlüsseln, sechsjährige Kinder dürften noch überfordert sein.

Im Bild: Rotkäppchen

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Für größere Kinder aber entwickelt das Buch sofort einen enormen Schlüssel-Reiz, die beiden Probanden stritten sich darum, wer jeweils kommentieren und auflösen darf, am Ende ging es nur in strenger Absprache, okay, du machst Rotkäppchen, dafür du dann den Froschkönig.

Im Bild: Der Froschkönig

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Der still zuhörende Vater merkt dabei, wie viele Sätze man doch aus diesen Märchen auswendig kennt: Wer hat von meinem Tellerchen gegessen? Aber Großmutter, warum hast Du so ein entsetzlich großes Maul? Das hat Dir der Teufel gesagt! - Im Grunde funktionieren diese Sätze selbst wie Piktogramme, evozieren sie doch ganz alleine schon das zugehörige Märchen

Im Bild: Rumpelstilzchen

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So hat man auch als Erwachsener großen Spaß, zumal Flöthmann einiges umdichtet und dazu erfindet: Als die Bremer Stadtmusikanten das Räuberhaus im Wald entdecken, reißt der Hund ängstlich die Arme in die Luft, dazu ist eine Sprechblase zu sehen: "110!"

Der Wolf wird nach dem Erlebnis mit den sieben Geißlein zum Vegetarier.

Im Bild: Die Bremer Stadtmusikanten

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Und Hänsel und Gretel sind hier auch keine hilflosen kleinen Wesen, sondern ziemlich ausgebuffte, selbstbewusste Teenager. Als sie nach überstandener Hexenverbrennung aus dem Wald zurück zum armen Vater finden, sagen sie ihm, wie sehr sie sich freuen, wieder daheim zu sein.

Dann sieht man sie aber nachts wach liegen. Hänsel: Teller, durchgestrichenes Gleichheitszeichen, Gefällt-mir-Daumen. Gretel: Teller, Gleichheitszeichen, Scheißhaufen. Sie haben schließlich bei der Hexe gutes Essen kennengelernt. Dann liegen die beiden still nebeneinander und sinnen vor sich hin. Auf dem Schlussbild schlägt Hänsel vor, den Vater im Wald auszusetzen.

Im Bild: Hänsel und Gretel

Frank Flöthmann: Grimms Märchen ohne Worte. Dumont Buchverlag, Köln 2013. 84 Seiten, 16,99 Euro.

© SZ vom 15.04.2013/kath
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