Gratiszeitungen:"Deutschland? Je früher, desto besser"

Durch Gratiszeitungen ist Metro International zum größten Zeitungsherausgeber der Welt aufgestiegen. Konzernchef Per Mikael Jensen will nun den deutschen Markt erobern, der als besonders schwierig gilt.

Gunnar Herrmann

Der schwedische Konzern Metro, der 1995 die erste Gratiszeitung herausbrachte, ist inzwischen mit 70 Ausgaben in 23 Ländern größter Zeitungsherausgeber der Welt. In den vergangenen Wochen wurden in Dänemark und Schweden Kooperationen mit den Verlagshäusern Schibsted und JP/Politiken geschlossen. In Stockholm und Kopenhagen wurden erste Gratiszeitungen aufgegeben. Metro-Chef Per Mikael Jensen, 46, spricht über die Konsolidierung des Markts und die Chancen einer eigenen Gratiszeitung in Deutschland.

Gratiszeitungen: "Vielleicht braucht man einen Außenseiter, der es tut." Metro-Chef Per Mikael Jensen.

"Vielleicht braucht man einen Außenseiter, der es tut." Metro-Chef Per Mikael Jensen.

(Foto: Screenshot: sueddeutsche.de)

SZ: Herr Jensen, in Stockholm ist mit .SE diesen Monat einer Ihrer Wettbewerber vom Markt verschwunden, in Dänemark kooperieren Sie neuerdings mit dem Konkurrenten 24timer. Was passiert im Gratiszeitungsgeschäft?

Per Mikael Jensen: Wir werden in Zukunft noch mehr Konsolidierung erleben. In den vergangenen drei bis fünf Jahren sind - nicht in Deutschland, aber anderswo in Europa - die Gratiszeitungen aus dem Boden geschossen wie nichts. Es gibt Länder, in denen bis zu neun Titel miteinander konkurrieren. Eine Menge neuer Akteure sind in den Gratiszeitungsmarkt - in unseren Markt - eingedrungen. Und sie tendieren dazu, unser Produkt zu kopieren. In der Welt der Bezahl-Zeitungen sind alle verschieden. Wir hingegen erleben, dass neue Gratiszeitungen mehr oder weniger wie Metro aussehen. Aber mit der Zeit werden sie sich in verschiedene Richtungen entwickeln. So dass sich etwa ein Titel auf Sport spezialisiert, einer auf Finanzen, einer auf allgemeine News, auf alle möglichen Dinge eben.

SZ: Was bedeutet das für die traditionellen Zeitungen?

Jensen: Die größte Herausforderung der Bezahl-Zeitungen sind nicht die Gratiszeitungen. Ihre größte Herausforderung sind sie selbst. Und die nächstgrößte ist der steigende Konsum bei anderen Medien. Als ich 1986 begann, im Journalismus zu arbeiten, gab es bereits Anzeichen dafür, dass junge Menschen Zeitungen nicht mehr so annehmen, wie ich das zum Beispiel getan habe. Mit 18, 19 Jahren war es für mich natürlich, eine Zeitung zu abonnieren. Das hat sich geändert.

SZ: Also sind sie doch ein Problem für die traditionellen Blätter?

Jensen: Wenn man Märkte mit Gratiszeitungen mit Märkten ohne Gratiszeitungen vergleicht, dann sieht man, dass der Auflagenverlust der traditionellen Zeitung der gleiche ist. Ich glaube nicht, dass wir den etablierten Zeitungen Auflage wegnehmen. Was wir uns schon nehmen, ist ein Teil der Werbeeinnahmen. Metro ist ausgerichtet auf die Zielgruppe der 20- bis 40-Jährigen, und da werden die Bezahl-Zeitungen immer schwächer.

SZ: Warum ist gerade Metro in dieser Gruppe erfolgreich?

Jensen: Der große Unterschied zwischen einer bezahlten und einer Gratiszeitung ist: Zeit. Die Menschen sind heute so beschäftigt. Sie haben Kinder, eine Karriere, gehen ins Fitnessstudio, aber sie haben keine Zeit. Gratiszeitungen sind eine Antwort darauf. Eine Abo-Zeitung, die macht ihnen so etwas wie ein schlechtes Gewissen.

SZ: Auch Metro hat Probleme: 2007 war ein Jahr mit schlechten finanziellen Ergebnissen. Ist die Expansion beendet?

Jensen: Nein. Im Augenblick sind wir dabei, Metro in ein profitables Unternehmen zu verwandeln. Wir waren sehr damit beschäftigt, neue Zeitungen zu gründen. Unser Fokus lag auf Wachstum und weniger auf dem, was am Ende dabei rauskommt. Aber wir wollen, dass das Unternehmen einen gesunden Gewinn abwirft. Jedes Mal, wenn man eine neue Ausgabe startet, kostet das Geld. Es dauert mindestens drei Jahre, bis eine Metro-Zeitung profitabel wird. In den kommenden Jahren wird man also den Start neuer Ausgaben nicht mehr in der gleichen Weise durchführen. Ich denke, Franchise-Unternehmen wären eine der Möglichkeiten, wie Metro wachsen kann.

SZ: Sie wollen Ihre Marke anderen Verlagshäusern überlassen?

Jensen: Natürlich nur unter bestimmten Bedingungen - ähnlich wie bei der Kaffeehaus-Kette Starbucks.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, ob Jensen den mächtigen Springer-Verlag fürchtet.

"Deutschland? Je früher, desto besser"

SZ: Wird es Metro in Deutschland geben?

Gratiszeitung Metro

Die "Metro" gilt als größte globale Zeitung der Welt: Eine Frau liest in der schwedischen Ausgabe.

(Foto: Foto: dpa)

Jensen: Das hoffe ich.

SZ: Wann?

Jensen: Je früher, desto besser. Deutschland ist ein großer Markt und hat eine Bevölkerung, die ihre etablierten Zeitungen liebt. Manche mögen sogar Hardcore-Zeitungen der alten Schule. Sie sind wirklich so, wie Zeitungen vor fünfzig Jahren waren. Ich liebe sie, das sind phantastische Zeitungen! Aber: Ich persönlich bin nicht der Massenmarkt. Für die deutsche Zeitungslandschaft ist außerdem charakteristisch, dass es einen großen Akteur gibt und viele starke, regionale Akteure. Und die haben aus irgendwelchen Gründen beschlossen, dass sie keine Gratiszeitungen gründen und sich auch nicht an einer Gründung beteiligen. Vielleicht braucht man also einen Außenseiter, der es tut.

SZ: Dennoch haben Sie es bis heute nicht versucht. Fürchten Sie sich vor dem Springer-Verlag, der für den Fall einer deutschen Metro-Ausgabe mit einer eigenen Gratiszeitung gedroht hat?

Jensen: Springer ist eine beeindruckende Organisation, und wenn man sich mit Springer auf einen Kampf einlassen möchte, dann muss man ein paar Tricks kennen. Das ist ein großes Unternehmen und offensichtlich hat Springer unter anderem mit der Bild-Zeitung viel zu verlieren. Also (er atmet einmal tief durch), also wenn man einen großen Markt wie Deutschland ansieht, dann tut man genau das, was ich eben getan habe. Man atmet tief durch. Und sagt dann: Lasst es uns tun! Aber man tut so etwas nicht über Nacht. Partnerschaften wären sicher eine Möglichkeit, eine deutsche Metro-Ausgabe zu starten.

SZ: Mit der Deutschen Post? Die denkt über eine Gratiszeitung nach.

Jensen: Mit der Deutschen Post oder mit Lidl oder dem Einzelhandelsunternehmen Metro, mit der WAZ-Gruppe oder einem der anderen regionalen Zeitungsverlage, mit der Commerzbank, mit wem auch immer - es gäbe viele Möglichkeiten. In den alten Zeiten gab es Kooperationen stets zwischen Verlagshäusern und Metro. Aber theoretisch sind Allianzen mit anderen Unternehmen ebenso denkbar. Wir haben jedoch keine konkreten Pläne für diese Woche, die nächste Woche oder den Rest des Sommers.

SZ: In Dänemark und in Schweden kooperieren Sie neuerdings eng mit etablierten Verlagen. Lösen sich die Grenzen zwischen Gratis- und Abo-Zeitungen auf?

Jensen: Metro ist ein junges Unternehmen in einer traditionsreichen Branche. Ich glaube, wir haben eine Art an die Dinge heranzugehen, von der die alten Zeitungen lernen können. Wenn alte Verlage Gratiszeitungen herausgebracht haben, dann tendierten sie dazu, sehr viel Geld auszugeben. Viel mehr als wir. Wir halten die Dinge ein wenig einfacher. Wir haben nicht diese ganze Geschichte. Eine Sache, die ich besonders an Metro mag, ist, dass unser Schwerpunkt ebenso sehr auf dem Geschäft liegt wie darauf, ein gutes Produkt zu liefern. Wir müssen uns nicht um Fragen kümmern wie: Was denken wir über den Irak-Krieg? Denn darüber denken wir gar nichts, wir haben keine politische Meinung.

SZ: Werden Sie durch Ihre Kooperationen mit alten Verlagen wie in Dänemark und Schweden nicht auch langsam Teil der traditionellen Zeitungslandschaft?

Jensen: Sowohl in Schweden als auch in Dänemark haben die alten Verlage uns die Kontrolle über das Gemeinschaftsunternehmen Metro überlassen. Sie haben uns sogar gebeten, die Kontrolle zu übernehmen. Darum denke ich, dass es künftig mehr Franchise-Abkommen geben wird, wo traditionelle Verlage Metro nach unseren Vorstellungen herausgeben. Denn wir sind gut darin, Gratiszeitungen zu machen, da sind wir weltweit die Experten. Die alten Verlage sind gut in ihrem Geschäft, und da werden wir ihnen keine Konkurrenz machen.

Per Mikael Jensen ist seit 1. November 2007 Präsident von Metro International mit Firmensitz in Luxemburg. Der Däne löste Pelle Törnberg ab, der das Unternehmen sieben Jahre lang geführt hatte. Jensen ist ausgebildeter Journalist und arbeitete in Dänemark für verschiedene große Zeitungsverlage. Zuvor führte er ein Jahr lang die Geschäfte bei Dänemarks öffentlich-rechtlichem Fernsehsender TV2. Metro, der Erfinder der Gratiszeitung, gilt als "größte globale Zeitung der Welt" und wird von der schwedischen Familie Stenbeck kontrolliert. Metro erscheint heute in 23 Ländern in Europa, Asien und Amerika mit insgesamt 400 festangestellten Redakteuren. In manchen Ländern, etwa in Schweden, ist das Gratisblatt inzwischen die meistgelesene Zeitung. Metro gibt es ausschließlich in Großstädten, wo sie morgens an den U-Bahn-, Zug- und Busstationen ausliegt oder an die Pendler verteilt wird. In Deutschland ist das Unternehmen bislang nicht aktiv geworden. Konkurrent Schibsted scheiterte mit einem Projekt in Köln.

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