Grammys 2011:Erst Ei, dann Gaga

Lady Gaga gewinnt, klar. Eminem gewinnt, auch klar. Bei den Grammys 2011 feiert die Musikindustrie ihre Lieblingsgesichter. Eine kleine Sensation aber gibt es beim Preis für das beste Album. Und dann ist da noch eine Botschaft von Aretha Franklin.

Katharina Riehl

In Deutschland haben wir ja nicht erst in den vergangenen Wochen Erfahrungen mit großen emotionalen Inszenierungen bei Preisverleihungen gemacht. Schon Jahre bevor Monica Lierhaus vor einer Woche bei der Goldenen Kamera auftrat, gab es zum Beispiel den Auftritt des damals todkranken Rudi Carrell im Jahr 2006. Auch als vergangene Woche dem eben verstorbenen Bernd Eichinger gedacht wurde, und man ihn posthum auszeichnete, standen einigen Gästen im Saal die Tränen in den Augen.

Im Vergleich zur perfekt durchkonzipierten, durchchoreographierten, durchgestylten Grammy-Verleihung in Los Angeles ist die Goldene Kamera in Berlin natürlich ein ambitioniertes Schultheater. Der Grammy wird in unfassbaren 109 Kategorien vergeben, 20.000 Menschen passen ins Staples Center, im Publikum sitzen keine beliebten Fernsehkrimikomissare sondern Will Smith, Nicole Kidman und Katy Perry. Es ist eine riesige Party, auf der sich die amerikanische Musikindustrie mit viel Jubel und vielen Lichteffekten selber feiert. Und wahrscheinlich deshalb wirken die hier erzeugten emotionalen Momente noch ein wenig inszenierter als im Verlagshaus der Axel-Springer-AG.

Der Abend der 53. Grammy-Verleihung begann also gleich mit einer schwer emotional aufgeladenen Huldigung. Die erkrankte und sehr dünn gewordene Soul-Königin Aretha Franklin meldete sich in einer Videobotschaft bei ihren Fans zurück, bedankte sich für Blumen und Karten, die man ihr geschickt hatte und versprach, bald wieder auf einer Bühne zu stehen. Christina Aguilera, Jennifer Hudson, Martina McBride und Florence Welch brachten ein paar von Franklins größten Hits zum Besten. Wie sich das für einen gefühlvollen Showauftakt eben gehört.

Auch danach, klar, flossen noch viele Tränen - auch an Stellen, an denen man weniger mit ihnen gerechnet hätte. So sollte man doch zum Beispiel meinen, dass Lady Gaga im Gewinnen unglaublich vieler Preise inzwischen einige Übung haben müsste. Am Sonntagabend gewann sie drei (bestes weibliches Gesangsalbum, beste weibliche Gesangsdarbietung, bestes Kurz-Video) - und vergoss prompt trotzdem ein paar Tränen. Vielleicht weiß sie auch einfach, was sich gehört: Die verrückte Lady, die eben noch mit Spritztüten-förmigen Schulterpolstern aus einem Ei gestiegen war, bedankte sich artig bei Mommy und Daddy - und bei Whitney Houston. In Gedanken an sie hätte die Lady ihren Titel Born this Way geschrieben, denn sich selbst hätte sie die Performance dieses Liedes nicht zugetraut. Schön.

Es war auch ein Abend der großen Danksagungen. Da kam zum Beispiel Justin Bieber auf die Bühne, um mit seinem Entdecker Usher gemeinsam aufzutreten. Dazu gab es ein putziges Video des damals 13-jährigen Kanadiers, der seinem großen Vorbild ein Liedchen singt. Auch schön.

Bei all dieser wunderhübschen Dankbarkeit und Harmonie, bei all dieser Ehrerbietung für die großen der Branche (Barbara Streisand sang, Bob Dylan sang) war man richtiggehend dankbar über jeden, der es mal mit einem blöden Witz versuchte. Als die Gruppe Train für die beste Pop Performance einer Gruppe oder eines Duos ausgezeichnet wird, bedanken sie sich bei Justin Bieber dafür, dass er keine Pop-Gruppe und kein Duo ist. Ja, das sind die humoristischen Highlights dieser Nacht.

Die Verleihung der Grammys ist die größte Party der Musikbranche - und wahrscheinlich spricht es nicht gerade für das kreative Potential der Industrie, dass man beim Ansehen der Show das Gefühl nicht los wird, vielleicht doch in der Wiederholung vom vergangenen Jahr hängengeblieben zu sein.

Lady Gaga gewinnt, klar. Eminem gewinnt, auch klar. Lady Antebellum, 2010 Bester Newcomer und Beste Countrydarbietung, gewinnt neben demselben Country-Preis wie im vergangenen Jahr auch Preise für die beste Country-Platte und den besten Country-Song, die beste Single und die beste Platte. Singen dürfen Justin Bieber, Rihanna, Katy Perry. Highlight ist dann der erste Grammy-Auftritt von Mick Jagger, der einen Song aus den achtziger Jahren singt. Nur Beyoncé Knowles, die 2010 sechs Preise abräumte, ging diesmal leer aus.

Die einzige, vielleicht klitzekleine Sensation ist der Preis für das beste Album. Weil weder Lady Gaga noch Lady Antebellum, weder Katy Perry noch Eminem gewinnt. Den Grammy für das beste Album bekommt die kanadische Indie-Rockband Arcade Fire. Damit zumindest dürften nicht allzu viele gerechnet haben. Und vielleicht ist das ja schon einmal etwas.

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