Globalisierung:Panorama der Probleme

Globalisierung: National Intelligence Council: Die Welt im Jahr 2035. Gesehen von der CIA und dem National Intelligence Council. Verlag C.H. Beck München 2017. 318 Seiten, 14,95 Euro.

National Intelligence Council: Die Welt im Jahr 2035. Gesehen von der CIA und dem National Intelligence Council. Verlag C.H. Beck München 2017. 318 Seiten, 14,95 Euro.

Das National Intelligence Council, der Think Tank der US-Geheimdienste, prognostiziert die Weltlage 2035. Vor allem wird gezeigt, wie alles mit allem zusammenhängt.

Von Felix Ekardt

Die Reichen altern, die Mittelschichten erodieren, zunehmende Ungleichheit und Terrorattacken machen die Bürger immer gereizter, religiöse Fundamentalisten und Populisten setzen ihren Vormarsch fort. So lautet die Essenz eines Berichts für den US-Präsidenten, in dem der National Intelligence Council die globalen Trends der nächsten 20 Jahre zu prognostizieren versucht. Der NIC ist der Think Tank der US-Geheimdienste für langfristiges strategisches Denken. Eher düster sind auch die NIC-Prognosen: Der technische Fortschritt beschleunigt sich weiter, Nationalismen werden stärker, Kriege werden wahrscheinlicher, Klimawandel und globale Infektionskrankheiten führen zu völlig neuartigen Problemdimensionen.

Der Bericht verdient schon deshalb eine breite Leserschaft, weil er etwas leistet, das der politischen Debatte weitgehend abgeht: Er spricht an, wie sich die verschiedenen globalen Herausforderungen gegenseitig bedingen und vorantreiben. So existieren zum Beispiel Klimawandel, Migration, Sicherheitsprobleme und Entwicklungen am Arbeitsmarkt eben nicht unabhängig voneinander, sondern verursachen und verstärken sich oft gegenseitig.

Wenig klar wird die Methodik des NIC-Berichts. Das meiste erscheint als eher intuitive Fortschreibung aktueller Problemlagen. Diese wird zudem dadurch sehr grobstrichig, dass die Autoren offenbar im Wesentlichen Ökonomen sind und sich deshalb Bürger und Politiker als rein eigennützig und kalkuliert agierende Wesen vorstellen. Dabei weiß die Verhaltensforschung seit langem, dass das so nicht stimmt.

Verblüffend ist auch, dass einige naheliegende Zusammenhänge fehlen. Zum Beispiel hält der Bericht - typisch für die Mainstream-Ökonomik - ewiges Wirtschaftswachstum für natürlich. Dabei setzt gerade der Klimawandel dem Wachstumsstreben Grenzen. Auch dass der Hunger westlicher Industriestaaten nach fossilen Brennstoffen wie Öl nicht nur den Klimawandel befeuert, sondern auch den Terrorismus, bleibt seltsam unerwähnt. Dabei könnten sich die gewachsenen nahöstlichen Regime ohne westliche Unterstützung und Ölverkäufe auf Dauer kaum halten. Jene Unterstützung und generell westliche Interventionen im Nahen Osten sind jedoch ein wesentlicher Nährboden des Terrorismus.

Beim Thema Populismus hätte erwähnt werden können, dass die Neigung zu einfachen Wahrheiten nicht auf Rechts- und Linkspopulisten beschränkt ist. Sondern dass diese Neigung so etwas wie eine menschliche Grundtendenz darstellt und dadurch die Demokratie seitens vermeintlich starker Männer immer wieder unter Druck gesetzt werden kann. Dass Automatisierung und Digitalisierung den Arbeitsmarkt drastisch verkleinern könnten, hätte ebenfalls thematisiert werden können. Wegfallende Arbeitsplätze sind nicht nur ein ökonomisches Problem, sondern können für jeden Einzelnen auch die Frage nach dem Lebensinhalt ganz neu aufwerfen.

Insgesamt dennoch ein lesenswertes Buch.

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