Gespräch über Zeitschriftensterben:Mach mal locker

Lesezeit: 3 min

Entlassungen, Dumping und Staatshilfe: VDZ-Geschäftsführer Wolfgang Fürstner spricht über Medien, die in der Krise mit Wohlfühl-Themen punkten.

Interview: Claudia Tieschky

Die deutschen Zeitschriftenhäuser haben in den vergangenen Monaten zügig Printtitel begraben ( Amica, Park Avenue, Vanity Fair, Maxim), und ihre Manager reden vom Sparen. Wolfgang Fürstner, 64, ist Geschäftsführer des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ). Er glaubt, dass Printunternehmen nicht nur durch die Wirtschaftskrise bedroht sind, sondern auch durch das Internet der öffentlich-rechtlichen Sender und durch Product Placement.

"Enorme Aufgaben": Wolfgang Fürstner ist Geschäftsführer des Verbands Deutscher Zeitungsverleger (VDZ). (Foto: Foto: VDZ)

SZ: Herr Fürstner, wie schlecht oder wie gut geht es den deutschen Zeitschriftenhäusern?

Wolfgang Fürstner: In Deutschland rechnen wir 2009 mit einem Einbruch von fünf bis acht Prozent. Das andere ist der Veränderungsprozess durch die Digitalisierung - eine enorme Aufgabe für die klassischen Medien.

SZ: Kennen Sie Online-Modelle, die Erlöse bringen?

Fürstner: Die deutschen Zeitschriftenverleger verfolgen eine breitgefächerte Strategie im Internet, der Erfolg liegt in einem Mix von verschiedenen Erlösquellen. Bei aller Krisendiskussion muss man sagen, dass die Reichweite unseres Qualitätsjournalismus durch Online gesteigert wurde. Verändert hat sich die Wirtschaftlichkeit. Das gehen wir an, allerdings unter Schmerzen.

SZ: Zuletzt war zum Beispiel bei Bertelsmann von Stellenstreichungen im großen Stil die Rede. Das gängige Geschäftsmodell besteht derzeit offenbar in der Kostensenkung.

Fürstner: Es liegt auf der Hand, dass solche Strukturveränderungen die Schlagzeilen bestimmen. Fest steht aber, dass die Verlage mit großer Energie neue Geschäftsmodelle entwickeln. Nur: Wir sind ja in einer nie dagewesenen Situation. Verlage müssen neue Erlöswege finden und zugleich wegen der weltweiten ökonomischen Vorgaben weiter ihren Workflow verbessern, daran führt kein Weg vorbei. Das ist ein gewaltiger unternehmerischer Prozess. Bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten sieht das durch die Rundfunkgebühren natürlich anders aus.

SZ: Die Zeitschriftenverleger gehen mit dem Dreistufentest und dem Telemedienkonzept von ARD und ZDF sehr kritisch ins Gericht. Ist die Internetgefahr, die von den gebührenfinanzierten Anstalten ausgeht, tatsächlich so groß?

Fürstner: Die Kritik war wichtig, weil die Sender mit Gebührengeld unkontrolliert im Internet expandierten - zu Lasten der privatwirtschaftlichen Medien. VDZ-Präsident Hubert Burda hat dazu deutlich Stellung genommen. Die Politik ist glücklicherweise wachgerüttelt. Ein positives Signal des seit 1. Juni gültigen Staatsvertrages ist, dass relevante Teile der öffentlich-rechtlichen Textangebote bereits aus dem Netz genommen werden. Aber selbst jetzt findet man noch wichtige presseähnliche Elemente in vielen Themenbereichen, mit denen man mühelos Online-Zeitschriften anbieten kann. Ich bin noch nicht überzeugt.

SZ: Die Fernsehsender werden von ihren Werbekunden inzwischen mit sehr extremen Wünschen nach Preisnachlässen konfrontiert. Wie hoch ist der Dumping-Druck auf Zeitschriftenverlage?

Fürstner: In Krisenzeiten kommen immer große Rabattforderungen, das liegt in der Natur des Wirtschaftens. Wenn wir unsere Qualitätsleistungen nur wegen der schwierigen Marktsituation unter Preis weggeben, verlieren unsere Marken an Bedeutung. Das ist für die langfristigen Erlöse ein hochgradig gefährlicher Prozess.

SZ: Titel wie Frau im Spiegel, Landlust sowie Programmzeitschriften melden in diesem Jahr Anzeigenzuwächse. Gibt es krisenfeste Zeitschriftenthemen?

Fürstner: Medien, die in der Krisenzeit besonders erfolgreich sind, haben derzeit eines gemeinsam: Sie vermitteln ein kontemplatives Moment, sie dienen alle der Entschleunigung. Landlust ist ein Titel, der das Heimatgefühl, das Wohlsein stark in den Vordergrund stellt. Ohne den Vergleich überstrapazieren zu wollen, aber auch bei der Zeit stellt sich ein ähnlicher Effekt ein. Auch die Zeit setzt Themen so, dass die Leser sich gut aufgehoben fühlen - das ist ja immer das Geheimnis erfolgreicher Blätter gewesen.

SZ: Warum ist der VDZ dagegen, dass die Bundesländer dem Privatfernsehen künftig Product Placement in Filmen, Serien, Show und Sport erlauben wollen?

Fürstner: Qualitätsjournalismus lebt von strikter Trennung zwischen Werbung und Information. Wenn wir Produktplatzierung in Bewegtbildern zulassen, ist das Irreführung des Zuschauers. Die Kennzeichnungspflicht ist nach den bisherigen Gesetzesentwürfen völlig unzureichend. Das ist Schleichwerbung light. Zudem würde es den Wettbewerb verzerren. Für Printmedien gilt die Trennung von Redaktion und Werbung ja weiter, und zu Recht. Werbekunden werden aber zu jenen Medien abwandern, bei denen sie unauffällig und auf neue Weise ihre Produkte darstellen können.

SZ: Was ist mit Zeitschriften, in denen rechts ein Produkt beworben wird, das links im redaktionellen Teil gelobt und vielleicht sogar abgebildet ist?

Fürstner: Es gibt keine Gesetze, gegen die nicht auch verstoßen wird. Aber es werden auch Verstöße in allen Medien, Presse wie Fernsehen, von Gerichten geahndet. Jetzt aber steht zur Debatte, dass der Gesetzgeber solche rechtswidrigen Praktiken in einem einzigen Medium ohne Not legalisiert.

SZ: Erste Verlage haben Kurzarbeit beantragt, wollen also staatliche Hilfe in Anspruch nehmen. Soll die Regierung die Printbranche subventionieren?

Fürstner: Damit entstünde eine fatale Abhängigkeit vom Staat als Geldgeber, das wollen wir nicht. Aber die Rahmenbedingungen für Print müssen stimmen. Dazu gehört für uns ein angemessener Mehrwertsteuersatz. In England liegt er bei null, gemäß der Philosophie: Don't tax reading. Wenn die deutsche Politik so dächte, wäre es eine große Unterstützung für die Qualitätsmedien.

© SZ vom 09.06.2009/rus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: