Gespräch:Der Verleger und sein Autor

Reinhold Neven Du Mont trifft Uwe Timm im Literaturhaus

Von Antje Weber

Je weniger Fakten, desto besser für die Fiktion. Wer seine Phantasie spielen lassen darf, kann einem Text auch stilistisch freieren Lauf lassen. Das wissen nicht nur von der Realität gegängelte Journalisten, das weiß auch der Verleger und Autor Reinhold Neven Du Mont ganz genau: Als mit dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs auch das gesamte Archiv seines Verlags Kiepenheuer & Witsch in den Tiefen verschwand, alle Protokolle, alle Tagebücher, da wollte er an eine Biografie zunächst gar nicht mehr denken. Bis ihm klar wurde, dass er nun die größtmögliche Freiheit besaß, die Vergangenheit neu zu erfinden: "Keiner kann es nachprüfen!"

Daher wohl die Leichtigkeit, die der Schriftsteller Uwe Timm dem Erinnerungsband "Mit Büchern und Autoren" im Literaturhaus zu Recht attestierte. Es war ein Abend der Rückschau von Männern, die in ihrem Leben viel erreicht und bewegt haben. Ein bisschen Wehmut mochte da schon aufkommen, zumal im Publikum etliche Weggefährten aus der Verlagsszene saßen - und zumal sich Timm, der in ungewohnter Funktion als Befrager seines Verlegers auf dem Podium saß, bereits beim scheidenden Literaturhauschef Reinhard G. Wittmann verabschiedete, mit dem er einst in den Gründungsgremien des Hauses gesessen hatte.

Für allzu viel Nostalgie-Seligkeit lässt jemand wie Reinhold Neven Du Mont dann aber doch keinen Raum. "Höflichkeit, Distanz, Distanz zu sich selbst, Humor" - diese Eigenschaften bescheinigte Timm seinem Verleger, und man konnte sie an diesem Abend sehr gut nachvollziehen. Wenn Neven Du Mont, der nach jahrzehntelanger Verlegerarbeit in Köln nun am Ammersee lebt, zu erzählen beginnt, dann erschließt sich tatsächlich Satz für Satz eine Literaturgeschichte der Bundesrepublik.

Heinrich Böll, der Name des Nobelpreisträgers fällt natürlich mit als erster. Er war nicht der einzige Schriftsteller des Verlags, dem es nicht nur um literarisches, sondern auch gesellschaftliches Wirken ging: Die Reportagen Günter Wallraffs als Türke Ali ganz unten haben die Gesellschaft verändert. "Glücksumstand" sagt Neven Du Mont dazu, wie auch zu jenem kolumbianischen Autor, der ihm einst angeboten wurde. "Hundert Jahre Einsamkeit" hieß das Buch, und der Verleger war skeptisch: "Ich dachte: Oh Gott, zehn Jahre Einsamkeit sind ja schon schlimm, aber hundert - das kann nur furchtbar sein!" Nach den ersten Seiten war er jedoch angetan; ein "ungeheurer Glücksumstand", denn Gabriel García Márquez war bekanntlich grandioser Erfolg beschieden.

Doch auch von dunklen Momenten berichtet der Verleger. Als er im Zuge der Fatwa gegen Salman Rushdie selbst mit dem Tod bedroht wurde, war das schon "ziemlich arg", denn ihm war klar: "Es gibt keinen Schutz vor dem Terror. Mit dieser Wahrscheinlichkeit musste ich leben." Dass er standgehalten hat, dass Rushdies "Satanische Verse" auf Deutsch erschienen sind und viele andere Bücher mehr - das ist, alles in allem, ein wirklich ungeheurer Glücksumstand.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: