Gesellschaft:Sei helle, denke naturwissenschaftlich

Unter dem Dach der "Brights" sollen sich all diejenigen versammeln, deren Weltanschauung frei von übersinnlichen Elementen ist. Und sie sollen politischen Einfluss nehmen, fordern die Gründer der Organisation.

Von Thomas Thiel

Der Aufruf des amerikanischen Philosophen Daniel Dennett hatte etwas ganz und gar Unakademisches: Es können Ärzte, Hausfrauen, Polizisten, es können deine Brüder und Schwestern sein, schrieb Dennett am 12. Juli 2003 in der New York Times.

Gesellschaft: Brights-Mitbegründer James Randi mit dem Pigasus-Preis, den er für die ungeheurlichste, übernatürlichste oder okkultischste Behauptung  verleiht.  Darüber hinaus vergibt seine Stiftung eine Million Dollar an denjenigen, der ein übernatürliches Phänomen unter wissenschaftlichen Bedingungen reproduziert. Dazu gehören etwa Telepathie oder Wünschelrutengänge. Bislang ist das noch niemandem gelungen.

Brights-Mitbegründer James Randi mit dem Pigasus-Preis, den er für die ungeheurlichste, übernatürlichste oder okkultischste Behauptung verleiht. Darüber hinaus vergibt seine Stiftung eine Million Dollar an denjenigen, der ein übernatürliches Phänomen unter wissenschaftlichen Bedingungen reproduziert. Dazu gehören etwa Telepathie oder Wünschelrutengänge. Bislang ist das noch niemandem gelungen.

(Foto: Foto: AP)

Sie seien überall. Sie hätten alle das eine Ziel, die naturalistische Weltsicht zu verbreiten, "a great culture", der die meisten Naturwissenschaftler anhingen, aber nicht nur sie. Es gebe 27 Millionen allein in den USA.

Noch würden sie isoliert und gegängelt von einer Politik, die sich bedingungslos einer religiösen Beschwörungsrhetorik ausgeliefert habe. Doch langsam beginne er die Hitze zu fühlen, langsam sei es an der Zeit, die Keime zu ihrem Zusammenwachsen auszustreuen und eine schlagkräftige politische Bewegung entstehen zu lassen.

Dennetts Aufruf galt den Brights, einer neuen politisch-ideologischen Gruppierung, die sich kurz zuvor konstituiert hatte und die nun gezielt in den Raum der öffentlichen Wahrnehmung vordringen will.

Weltanschauung frei vom Übersinnlichen und Metaphysischen

Im Quellgebiet naturwissenschaftlicher Institutionen und atheistischer Vereinigungen entstanden, sollen sich unter dem Dach der Brights all diejenigen versammeln, deren Weltanschauung frei von übersinnlichen und metaphysischen Elementen ist.

Fündig wird man da vor allem im Lager der Naturwissenschaftler: 60 Prozent aller amerikanischen Wissenschaftler und 93 Prozent aller Mitglieder der National Academy of Sciences geben sich als Atheisten zu erkennen.

Angesichts der rasanten Fortschritte der Wissenschaften scheint es da nur konsequent, wenn der dazugehörige Denkstil nun auch politischen Einfluss sucht.

Ein Roboter namens Seele

Es dauerte bis zum April 2003, als auf einer Konferenz der Atheist Alliance International in Florida die Idee zu einer solchen Bewegung entstand. Der Vordenker der Sceptical Society, Michael Shermer, referierte über das Problem, dass Atheisten und Skeptiker immer unter negativen Begriffen abgehandelt und ihre Interessen von der Politik kaum wahrgenommen würden.

Dem Vorbild der Schwulenbewegung folgend, die das Adjektiv "gay" kaperte und erfolgreich als Emanzipationsinstrument benutzte, schlug er die Einführung eines semantisch unbelasteten, warmherzigen Begriffes vor, der den Naturalisten ein stolzes Selbstbekenntnis ermöglichen solle: "Bright", als Substantiv bis dahin ungebräuchlich, schien bestens geeignet.

Die Hellen, die Strahlenden, die Aufgeweckten - wie ein Etikett mystischer Erleuchtung tragen die Brights ihren Namen vor sich her, wo es ihnen doch gerade darum geht, die Räume der Innerlichkeit und Verheißung trocken zu legen.

Auf der Webseite The-Brights.Net ließen sich bisher 15.000 Personen registrieren. Wer Dennetts Worten glaubt, kann darin nur einen zaghaften Anfang sehen. Weit mehr Brights warten weltweit auf ihre Erweckung. Sie könnten eine politische Kraft werden, wenn sie eine eigene Identität entwickeln und der Begriff Bright weitere Verbreitung findet.

Im Wege steht dem laut Brights.Net-Organisator Paul Geisert, dass viele potentielle Mitglieder das Label Bright nicht mit ihrer skeptischen Grundhaltung vereinbaren können. Trotzdem will Geisert jetzt zu einer Aktionsphase übergehen, über deren konkrete Gestalt derzeit heftig debattiert wird.

Sei helle, denke naturwissenschaftlich

Das Herz der Finsternis

Sei helle, denke naturwissenschaftlich

Das Herz der Finsternis vermuten die Brights mitten in der westlichen Zivilisation, wo sich die Schere zwischen einer Verwissenschaftlichung der Alltagserfahrung und einer unkontrolliert wuchernden Esoterik weit öffnet. Immer wieder nutzt Bright-Mitbegründer James Randi, ein renommierter Zauberkünstler, seine Auftritte zu Attacken gegen vermeintlich übernatürlich Begabte.

Eine Million Dollar hat die von ihm gegründete James-Randi-Stiftung für denjenigen ausgelobt, der ein übernatürliches Phänomen unter wissenschaftlichen Bedingungen reproduzieren könne.

Mit den Brights tritt ein neuer Typus des Intellektuellen in den Fokus der Öffentlichkeit, der nicht mehr die literarisch-historische, sondern die naturwissenschaftliche Bildung als Grundlage zeitgemäßer Intellektualität betrachtet. Etwa der Radikalmaterialist Dennett, der das Problem des Bewusstseins für gelöst hält, weil die Seele aus winzigen Robotern bestehe.

Oder der Oxforder Biologe und Ultradarwinist Richard Dawkins, der 1976 mit seinem Werk "Das egoistische Gen" für Furore sorgte. Dawkins drehte hier die Darwinsche Evolutionslehre noch eine Stufe weiter: Nicht die Arten oder die Individuen seien es, die in einem egoistischen Kampf ums eigene Überleben die Felder der Evolution bestellen, sondern die einzelnen Gene, die den menschlichen Körper nur als vorübergehendes Transportmittel benutzen.

Hinter solchen Theorien klingt das alte Lied des Positivismus, wie es in deutschen Landen besonders beherzt von dem Hirnforscher Gerhard Roth intoniert wird: Wahrnehmungsformen jenseits der Quantifizierbarkeit sollen auf den Müllplatz der Geistesgeschichte geschoben werden. Was sich nicht messen lässt, das gibt es nicht - mithin keine dunkle Seite der Vernunft, kein Umschlagen ihres totalitären Anspruches in kruden Irrationalismus, wie es Deutschland im Dritten Reich erlebte.

Erstaunlich wenig Energie investieren die Brights in das Unterfangen, ihre Weltanschauung differenziert darzulegen. Das vage Schlagwort des Naturalismus muss genügen.

Dass es noch immer die Religion ist, der die Brights als erstes das Anathema entgegenschleudern, mag überraschen, wenn man bedenkt, dass das moderne wissenschaftliche Weltbild zwischen Heisenbergs Unschärferelation und Gödels Unvollständigkeitstheorem durchaus Platz für einen unbewegten Beweger lässt; und wenn man bedenkt, dass das forsche Bekenntnis zum Atheismus in Deutschland auf den Komfort der öffentlichen Mehrheitsmeinung zählen kann.

Verständlicher wird die unversöhnliche Haltung vor dem Hintergrund einer anschwellenden Religiosität in der amerikanischen Politik. Schon bald aber, prophezeit Dawkins, könnte es einen atheistischen US-Präsidenten geben. Dagegen spricht, dass die Brights bei allem Vereinigungswillen doch Individualisten und ein Cyberspacephänomen bleiben wollen.

Das anonyme Medium des Internet soll genügen, um ihre Bewegung zur Einheit zu schmieden. Vielleicht zu wenig, wenn man bedenkt, dass Groß-Ideologien meist im Schweiß von Massenversammlungen geboren werden.

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