Geschichtsmuseum in Moskau:Gazprom statt Gulag

Das Museum für Russische Zeitgeschichte in Moskau im Jahr 2008.

Das Museum für Russische Zeitgeschichte in Moskau im Jahr 2008: Inzwischen wird der Bau aus dem 18. Jahrhundert aufwendig renoviert.

(Foto: NVA / (CC BY-SA 3.0))
  • Vor einem Jahr hat das Museum für russische Zeitgeschichte eine neue Direktorin bekommen. Irina Welikanowa ist nicht vom Fach, doch seit sie da ist, fließt das Geld.
  • Inhaltlich hat sich die Ausrichtung des Museums bereits verändert. Der Teil über das Russland nach 1991 wird ganz neu konzipiert.

Von Julian Hans, Moskau

Das dreistöckige Gebäude mit dem klassizistischen Säulenportal ist in Bauplanen eingepackt, Presslufthämmer dröhnen, Staub liegt in der Luft. Das Museum für russische Zeitgeschichte bekommt eine frische Fassade. "Die Ausstellung läuft weiter" steht am Bauzaun, und wer sich nicht abschrecken lässt, merkt hier, wie tief die aktuellen Veränderungen wirklich gehen.

In der Sowjetunion befand sich in dem Gebäude das Revolutionsmuseum. Im Akkord wurden Schulklassen durchgejagt. Nach der Wende hätten manche das Museum am liebsten geschlossen. Wer braucht einen Tempel für eine gescheiterte Idee?

Aber das Museum wurde erhalten, bekam einen neuen Namen und die Ausstellung wurde ergänzt um die dunklen Seiten der Sowjet-Epoche. Neben den Exponaten zur Industrialisierung unter Stalin wird nun auch an die Repressionen erinnert und an den Gulag. Ein Raum ist den sowjetischen Dissidenten gewidmet, da steht eine Schreibmaschine, auf der heimlich Bücher im Samisdat abgetippt wurden und die Gitarre von Wladimir Wyssozkij.

Ein frühes Logo der Organisation Memorial ist zu sehen, die sich nach dem Zusammenbruch des Systems ans Werk machte, das Gedenken an dessen Opfer lebendig zu halten.

Es sind Stücke wie dieses, bei denen klar wird, was einmal möglich war im modernen Russland - und wie weit das Rad in den vergangenen drei Jahren zurückgedreht wurde. Die Menschenrechtsorganisation Memorial wird heute vom Staat als "ausländischer Agent" diffamiert. Keine aktuell konzipierte Ausstellung eines staatlichen Museums würde sie würdigen.

Gleich im ersten Raum begrüßt Wladimir Putin die Besucher

Vor einem Jahr hat das Museum eine neue Direktorin bekommen. Irina Welikanowa hatte vorher nie etwas mit Museen zu tun oder mit Geschichte. Dafür hat sie zehn Jahre lange die Geschäfte der Kreml-Partei Einiges Russland in der Moskauer Stadtversammlung geführt. Seit sie da ist, fließt auch das Geld. Zum Beispiel für die aufwendige Renovierung des Baus aus dem 18. Jahrhundert. Und für neue Multimedia-Elemente.

Gleich im ersten Raum, dem "Saal der russischen Staatssymbole" begrüßt jetzt Wladimir Putin die Besucher. Ein großer Bildschirm zeigt seine letzte Rede an die Nation in Endlosschleife. Daneben dreht sich in einem großen Glaskasten, von etlichen Halogenlämpchen angestrahlt, der Füllfederhalter, mit dem Putin den Vertrag über den Anschluss der Krim an die Russische Föderation unterschrieben hat.

Vorgeschmack durch das Provisorium

Aber die Ausstellung hat kein Ende. Der Saal, der das nachsowjetische Russland zeigte, ist geschlossen. Früher war hier unter anderem ein großes Bild von Boris Nemzow zu sehen, als junger Gouverneur von Nischnij Nowgorod und Erster Vizepremier. Heute ist Nemzow ermordet und auch aus dem Museum verschwunden.

Der Teil über das Russland nach 1991 werde ganz neu konzipiert, teilt die Pressestelle des Museums mit. Eröffnung frühestens in einem Jahr. Mehr Platz soll es geben, interaktiv soll es werden. Einen Vorgeschmack gibt vielleicht das Provisorium, das jetzt den Raum füllt. Zwei Schaufensterpuppen in den offiziellen Sportanzügen der Sotschi-Spiele stehen dort. Ein Schutzanzug von Gazprom und das Modell einer Bohrplattform von Lukoil.

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