Gesangsvideo bei YouTube:König der Prärie

Der Russe Eduard A. Chil sang über das Leben eines Cowboys, in der Sowjetunion ersetzte man den klassenfeindlichen Text mit sinnfreiem "Lalala": Es waren zweieinhalb Minuten Anarchie.

S. Zekri

Im Internet gibt es eine Parodie von Christoph Waltz, aber der Clip kann dem Original das Wasser nicht reichen. Waltz, Oscar-Preisträger für seinen Hans Landa in "Inglourious Basterds", macht alles wie sein Vorbild, es ist alles da, der dunkelbraune Anzug, die Schlaghose, die schmiedeeisernen Paravents. Er lässt sogar eine kleine Hawaii-Gitarre vor dem Gemächt kreisen. Und auch sein Lied hat keine Worte.

Cowboy, Youtube

Trololo und Hahaha: Chils Liedtext war den kommunistischen Russen zu amerikanisch.

(Foto: Foto: Youtube)

Und irgendwann kamen die Russen

Indes: Es ist nicht dasselbe. So leicht ist der Trololo-Mann nicht zu überbieten. Der Trololo-Mann: Eduard Anatoljewitsch Chil, dessen Karriere vor mehr als 40 Jahren in der Sowjetunion mit dem Song "Ich bin so froh, dass ich endlich heimkehren kann" einen ersten Höhepunkt erlebte und der jetzt im Internet ein Comeback erlebt, wie es die russische Schlagermusik noch nicht erlebt hat. Auf YouTube wurde "Ich bin so froh . . ." mehr als fünf Millionen Mal aufgerufen. Man kennt ihn in Österreich. Man verehrt ihn in Amerika. Und irgendwann fiel das auch in Russland auf.

Arkadij Ostrowskij hatte "Ich bin so froh, dass ich endlich heimkehren kann" 1966 für Chil geschrieben. Das Lied erzählte das eher konventionelle Schicksal eines Cowboys, der auf seinem Mustang durch die Prärie reitet und sich nach seiner Liebsten Mary sehnt, die zu Hause in Kentucky Socken für ihn strickt. Die Musik bewegte sich irgendwo zwischen Country und Swing, der Rhythmus war eine Ahnung von Pferdegetrappel, aber das Verfänglichste blieb der Text. Zu wildwestlich, zu amerikanisch, zu klassenfeindlich. Prärie und die Cowboysocken mussten weg, sonst würde der Song die Zensur nicht passieren, so viel war klar. Also sang Chil ohne Text. 1976 nahm ihn das schwedische Fernsehen auf. Der Trololo-Mann war geboren.

Eine Hymne fröhlicher Sinnlosigkeit

Chil, 1934 geboren in Smolensk und klassisch ausgebildeter Bariton, war schon vorher ein angesehener Sänger gewesen, aber nun erschallten seine Triller und Trololos, sein Hahaha und Hohoho im ganzen Breschnew-Reich. Was die sowjetischen Zensoren nämlich nicht bedacht hatten, dass das Lied gerade ohne Worte eine Hymne fröhlicher Sinnlosigkeit war. Über wen lachte der glänzend gelaunte Chil da eigentlich? "Ich bin so froh . . ." waren in Wahrheit zweieinhalb Minuten Anarchie, psychedelisch wie eine Prilblume. "Vielleicht war ich damals wirklich ein bisschen Trololo", sagt Chil heute. Ende vergangenen Jahres tauchte das Lied plötzlich im Internet auf - ein Hammer!

Inzwischen bietet eine Internetseite Trololos als Klingelton an und dient als Fanforum. Tausende Besucher haben sich eingetragen, um Chil zu einer Welttournee zu bewegen. Comedy-Serien und Talkshows in Amerika zitierten ihn. Selbstverständlich wird sein Auftritt kommentiert. Ein Song, "der Chuck Norris zum Weinen bringen würde", findet ein Besucher von YouTube. Ein anderer, offenbar mäßig sprachgebildeter Nutzer bedauert, dass er kein Russisch kann: "Sonst würde ich ihn verstehen." Irgendwann kam Christoph Waltz mit seiner Hawaii-Gitarre. Der anzügliche "Humpink", wie Waltz die Figur in seinem Video nannte, könnte "die Rolle meines Lebens" werden, so Waltz im erkennbaren Bemühen, den zweckfreien Chil'schen Wahnsinn auf die Spitze zu treiben.

Inzwischen liegt Chil sogar eine Anfrage aus Disneyland vor, ob man den Song bringen dürfe, sagte er der russischen Zeitung Kommersant: "Sollen sie ruhig ein russisches Lied spielen, das ist nichts Unanständiges." Überhaupt verfolgt Chil, der in Sankt Petersburg von einer sehr überschaubaren Rente und dem Honorar für Gesangsstunden lebt, seine Wiederauferstehung und das mannigfaltige Recycling mit großer Gelassenheit und nicht ohne Rührung: "So viele Jahre sind ins Land gegangen, und ich kehre heim und kehre heim und kehre heim", sagte er. Vor kurzem gab er in einem Moskauer Club ein Konzert. Vor einem Publikum, das nicht mal halb so alt war wie sein größter Erfolg, spielte er die alten Hits, aber vor allem: "Trololo".

Vielleicht, so hat Chil nun angeregt, sollte man es mit dem Geträller jetzt mal gut sein lassen. In einer Videobotschaft hat er unlängst angeregt, dass seine Fans doch einen neuen Text schreiben könnten - jeder ein paar Zeilen: "Und dann verabreden wir uns alle im Internet und singen gemeinsam."

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