Gegenwartskunst:Turnerpreis an Assemble

Das britische Architekten-Kollektiv Assemble bekommt den britischen Turnerpreis zugesprochen, eine der wichtigsten Auszeichnungen der Gegenwartskunst. Zuletzt kooperierte es mit Anwohnern in Liverpool.

Von Catrin Lorch

Das britische Kollektiv Assemble ist mit dem Turner-Preis ausgezeichnet worden, der mit umgerechnet 35 000 Euro dotiert ist. Das ist nicht nur deswegen bemerkenswert, weil damit eine der international bekanntesten Auszeichnungen der Kunst an eine Gruppe von Designern, Architekten, Philosophen und Ethnologen geht (doch, ja, ein paar Künstler gehören auch zu Assemble). Sondern auch deshalb, weil ein paar Anwohner aus dem Viertel Granby Street auf der Bühne auftauchten, einem von der Politik längst aufgegebenen Problemviertel in Liverpool (SZ vom 4.12). Assemble renoviert dort gemeinsam mit ihnen ganze Straßenzüge. Die Dankesrede der Geehrten bestand vor allem in der Feststellung, dass die vergangenen Monate "super-surreal" gewesen seien. Ein lokales Bauprojekt - wie modellhaft auch immer - gerät eben eher selten in den Fokus der internationalen Kunstberichterstattung.

Der Charme der Entscheidung für Assemble liegt aber nicht darin, dass nun junge Architekten im Rahmen der Kunst aufgewertet werden. Es ging den Auslobern von der Tate Gallery und der Jury wohl vielmehr darum, ein Signal in die Kunstszene zu senden. Die berauscht sich - vor allem in London - an einem boomenden Kunstmarkt und den glamourösen Umtrieben von Stars wie Damien Hirst, Turner-Preisträger des Jahres 1995, der in diesem Winter in einem eigenen Museum seinen Reichtum - in Form von Kunst aus seiner Sammlung - zelebriert. Die diesjährige Entscheidung im Namen des Landschaftsmalers William Turner dagegen verpflichtet die Kunst auf soziale Fragen und politische Haltung, kurz: einen sehr zeitgemäßen Realismus.

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