Gegenwartskunst:Lebenselixier

Turner-Preis für Helen Marten

Die 31-jährige Künstlerin Helen Marten gewann mit ihren Skulpturen den Turner-Preis.

(Foto: Juergen Teller/Tate Photography)

Die 31 Jahre alte Künstlerin Helen Marten erhält in London den Turner-Preis für ihre Hybridskulpturen. Für Marten ist es schon der zweite Preis in diesem Jahr.

Von Alexander Menden

Dass Reden halten nicht zu ihren Lieblingsbeschäftigungen gehört, merkte man Helen Marten an, als sie am Montagabend den Turner-Preis entgegennahm. Die Jury hatte ihr die mit 25 000 Pfund dotierte Auszeichnung für "die Komplexität ihrer Arbeit, deren erstaunliche formalen Qualitäten und immer im Fluss befindliche Bedeutung" verliehen. Mit leicht zitternder Stimme sagte die 31-Jährige, alle in der Tate Britain zur Preisverleihung Versammelten seien in einer Zeit der schwindenden Mittel für Kunstförderung und erstarkender fremdenfeindlicher, homophober und rassistischer Weltbilder "zutiefst privilegiert", in einer Künstlergemeinschaft existieren zu können, deren Lebenselixier gerade die Vielfalt sei.

Was auch immer sonst über den diesjährigen Turner-Preis zu sagen ist, an Vielfalt mangelte es unter den Kandidaten und ihren Arbeiten nicht. Sei es Anthea Hamiltons raumfüllende Installation eines Kunstharz-Gesäßes, Josephine Prydes beinahe ebenso stattliche Modelleisenbahn oder Michael Deans Haufen von Kupfermünzen - Reibungspunkte fürs Publikum gab es genug. Die Hybridskulpturen, mit denen Helen Marten schließlich gewann, sind alles andere als leicht zu entziffern. Zusammengestellt aus Gefundenem und Selbstgemachtem, mehr oder minder Alltäglichem wie Schuhsohlen, Murmeln, Billardkreide und Schlangenhaut, bieten sie sich in ihrer kleinteiligen Komplexität nicht zur flüchtigen Betrachtung an. Die Arbeiten in der Turner-Ausstellung, ein Aktenschrank mit ungewissem Zweck, eine Bahre, beladen mit kleinteiligen Versatzstücken, können nur zu ihren eigenen Bedingungen gelesen werden. Dass alles verbindet Zartheit und Eigensinn in einer Weise, die auch Marten selbst ausstrahlt.

Der Künstlerin ist es nach eigener Aussage peinlich, Preise zu gewinnen, was das Jahr 2016 für sie besonders unangenehm gemacht haben muss: Erst vergangenen Monat gewann sie den mit 30 000 Pfund dotierten Hepworth-Skulptur-Preis, der erstmals vergeben wurde. Das Preisgeld für beide Auszeichnungen will sie übrigens mit den anderen Nominierten teilen.

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