Gegen Amazon und Co.:Unabhängige Buchhändler hoffen auf Subventionen

Buchhandlung Frankfurt

Inhabergeführte Buchhandlungen wie diese in Frankfurt sind bedroht: Ihre Zahl hat sich in den vergangenen zehn Jahren um ein Viertel reduziert.

(Foto: DPA)

Im Kampf gegen die Online-Konkurrenz gibt es eine Idee: Die unabhängigen Buchhandlungen könnten subventioniert werden, so wie die Programmkinos. Von jeweils 12.000 Euro ist die Rede. Doch Kulturstaatsminister Bernd Neumann bekennt sich auf der Leipziger Buchmesse lediglich zur Buchpreisbindung.

Von Felix Stephan

Viele Buchhändler dürften die Rede, die Kulturstaatsminister Bernd Neumann jetzt am Freitag bei der Verleihung des Kurt-Wolff-Preises auf der Leipziger Buchmesse gehalten hat, mit Spannung erwartet haben. Schließlich gab es die Hoffnung, dass er sich zu der Idee äußern würde, unabhängige Buchhandlungen in Zukunft direkt zu subventionieren - und zwar analog zur Förderung der Programmkinos.

Diese Hoffnungen blieben unerfüllt. Neumann bekannte sich lediglich zur bestehenden Buchpreisbindung. Die sei "eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Erhalt der Vielfalt des Bücherangebots zu erschwinglichen Preisen"; sie müsse erhalten bleiben und auch für E-Books gelten. "Eine Umgehung der Buchpreisbindung zum Beispiel durch Amazon mit Firmensitz in Luxemburg muss verhindert werden", so Neumann. Das hatte allerdings ohnehin niemand bezweifelt. Zu der Idee einer direkten Förderung der Buchhandelskultur äußerte Neumann sich nicht. Das ist angesichts der Situation der unabhängigen deutschen Buchhändler durchaus auch eine Nachricht.

Denn die Zahlen bieten durchaus Anlass zur Besorgnis: In den vergangenen zehn Jahren sind etwa ein Viertel der inhabergeführten Buchhandlungen in Deutschland verschwunden. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der Branchenverband, verzeichnet heute vierzig Prozent weniger Ausbildungsplätze als noch im Jahr 2008. Allerdings sind Buchhändler eher nicht dafür bekannt, mit gelben Westen und Trillerpfeifen durch die Innenstädte zu ziehen, wenn es ihrer Branche schlecht geht. Die deutschen Buchhandlungen verschwinden in der Regel eher geräuschlos. Sie sterben so, wie sich der amerikanische Dichter T. S. Eliot 1922 das Ende der Menschheit vorgestellt hat: "Not with a bang, but a whimper".

12.000 Euro für unabhängige Buchhandlungen

Erst jetzt, da die Branche bereits um ein Viertel geschrumpft ist, wird der Ruf nach staatlicher Unterstützung laut. Zwar subventioniert der Staat den Buchhandel schon heute, etwa durch die besagte Buchpreisbindung oder einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz. Allerdings gelten diese Regeln auch für den Online-Buchhandel - und damit für den größten Konkurrenten der unabhängigen Buchhändler. Stefan Weidle, Verleger und Vorstandsvorsitzender der Kurt-Wolff-Stiftung, die sich für die Vielfalt im deutschen Buchwesen einsetzt, sagt: "Entweder verabschieden wir uns von dem Buchhandel, wie wir ihn kennen, und überlassen Amazon das Feld, oder wir müssen jetzt Maßnahmen ergreifen."

Stefan Weidle schwebt eine direkte Subventionierung unabhängiger Buchhandlungen nach dem Vorbild Frankreichs vor. Der Plan besagt, dass Buchhandlungen, die bestimmte Kriterien erfüllen, sich ein Mal pro Jahr für eine einmalige Förderung von 12.000 Euro bewerben können. Zulässige Bewerber müssten beispielsweise junge Buchhändler ausbilden, kulturelle Veranstaltungen anbieten und auf einen zentralen Einkauf verzichten. Mit einem Fördervolumen von bereits fünf Millionen Euro jährlich könnten so jedes Jahr 400 Buchhandlungen in Deutschland unterstützt werden.

Derzeit ist der Plan auf dem Weg in die Parlamente und stößt dort dem Vernehmen nach auf offene Ohren. Die Verteilung der Fördergelder könnte die Kurt-Wolff-Stiftung selbst übernehmen. Im Grunde könnte es morgen losgehen, so Weidle: "Wir haben bereits sehr viel entwickelt. Das könnte man sofort in die Tat umsetzen."

Dabei geht es nicht nur um die Buchhandlungen selbst. Wenn die Buchhandlungen als Distributeure besonderer Literatur ausfallen, ist die gesamte unabhängige Literaturszene des Landes betroffen: allen voran die kleinen Verlagshäuser, deren Übersetzer und Lektoren. Gerade jenen Verlagen, die sich der Entdeckung und dem Vertrieb anspruchsvoller und origineller Literatur verschrieben haben, bricht mit den inhabergeführten Buchhandlungen nahezu ihr gesamter Markt weg. Ihr Geschäftsmodell beruht oft darauf, unbekannte Autoren und Übersetzungen ohne großen Werbeaufwand an den Leser zu bringen.

Dafür sind sie auf ein dichtes Netz involvierter Buchhändler angewiesen, die sich nicht damit begnügen, die bekannten Bestseller hervorzuheben und dafür die Prämien der finanzstarken Großverlage einzustreichen, sondern ihren Kunden bisweilen auch persönliche Favoriten abseits der Titelseiten ans Herz legen. Und diese stammen oft von kleinen Verlagen, die sich auf publizistische Experimente einlassen, weil sie nicht an einen Konzern angeschlossen sind, dessen Besitzer oder Aktionäre am Ende des Jahres eine bestimmte Rendite oder Dividende erwarten.

Buchhändler als erster Leser

Der romantische Idealfall sieht so aus: Ein findiger Verleger entdeckt ein Manuskript, an das er glaubt, und macht daraus ein Buch. Dann schickt er seine Vertreter in die Buchhandlungen, die dort versuchen, den Händler für das Buch zu gewinnen. Der Händler verliert dann sofort sein Herz an den Roman, stellt ihn missionarisch ganz vorn in sein Schaufenster und preist ihn seinen Stammkunden an. Der Buchhändler ist in diesem Fall der erste Leser, er steht persönlich hinter seinem Sortiment und verkauft nur, was er selbst verantworten kann.

Dieses Berufsbild verschwindet allerdings zusehends. Als große Buchhandelsketten wie Thalia und Hugendubel Marktanteile übernahmen, fühlten sich dort viele Buchhändler zu Regaleinräumern degradiert. Heute sind sie nicht einmal mehr das: Die internationalen Logistikmaschinen des Online-Buchhandels kommen ohne sie aus. Wer bei Amazon bestellt, weiß in der Regel, was er sucht, schließlich gelangt er überhaupt erst über die Suchmaske zum Buch. Dazu muss er zumindest schon einmal von dem Buch gehört haben - oder er folgt einer automatisch generierten Empfehlung.

Großverlage, die gut ausgestattete Marketingabteilungen unterhalten, können damit gut leben, denn sie haben die Ressourcen, um ihre Autoren und Bücher in der Öffentlichkeit zu platzieren. Kleine Verlage, die auf die Verteilerfunktion der Buchhandlungen angewiesen sind, haben hier nicht nur einen Wettbewerbsnachteil, sie dringen schlicht nicht durch. Man wird sehen, ob die verschiedenen Initiativen zur Stärkung des lokalen Buchhandels dem Trend etwas entgegensetzen können.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: