Geburtstag:Ein Flaneur in Athen

Petros Markaris

Petros Markaris, geboren 1937, hat Goethes Faust und Brechts Mutter Courage ins Griechische übersetzt, für Theo Angelopoulos diverse Drehbücher geschrieben (u. a. 1995 "Der Blick des Odysseus").

(Foto: Emilio Naranjo/dpa)

Der griechische Autor wurde als Sohn eines Armeniers in Istanbul geboren und besuchte ein österreichisches Kolleg. Am Sonntag wird Petros Markaris achtzig.

Von Christiane Schlötzer

Petros Markaris hat einen abendlichen Lieblingsplatz in Athen, ein Café mit dem Namen Poems and Crimes. Das "Gedichte und Verbrechen" liegt in einer schlecht beleuchteten Seitengasse, unweit des Akropolis-Rummels, aber davon völlig unberührt. Besitzer des Cafés ist Markaris' griechischer Verleger Samuel Gavrielides, der damit die schöne alte Athener Tradition bewahrt, das Büchermachen mit der Bewirtung zu verbinden. Es ist ein guter Ort für einen Schriftsteller, der Goethes Faust übersetzt hat, den man über Griechenland hinaus aber vor allem als Krimiautor kennt. Auf dem Bordstein vor dem Bistro sitzt häufig ein Bettler, der sich stundenlang kämmt. Markaris sagt, über diesen Mann müsse er auch einmal schreiben.

Der griechische Autor, der am 1. Januar 80 Jahre alt wird, findet seine Erzählstoffe oft im Vorbeigehen, als achtsamer Großstadtflaneur, der seine Wahlheimat Athen bis heute mit kritischer Distanz durchmisst. Markaris wurde 1937 in Istanbul geboren, der Polis, die er bis heute liebt, wie man eine Stadt nur lieben kann. Zu Griechenland, wo er seit Mitte der 1960er-Jahre lebt, bewahrte er sich schon deshalb gewissen inneren Abstand. "Ich halte es mit Brecht", sagt er, "statt meine Heimat zu lieben, beschreibe ich ihren Charakter." Sein schonungsloser, und sogar leicht fremdelnder Blick machte Markaris in den vergangenen Jahren zu einem international viel gefragten Chronisten und Erklärer der griechischen Finanzkrise. Auch seine Krimis lassen sich als Krisen-Chronologie lesen, sie sind in mehr als ein Dutzend Sprachen übersetzt: "Faule Kredite" nimmt die Banken ins Visier, in "Zahltag" geht es um korrupte Politiker und betuchte Steuerhinterzieher, sie erhalten Drohbriefe, bis nach mehreren Morden plötzlich Millionen in die Staatskasse fließen. In "Abrechnung" wird die Drachme wieder eingeführt.

Diese Geschichten wirken mal wütend, oft melancholisch, auch humorvoll, und sie sind immer hochpolitisch. Erzählt werden sie aus dem Blickwinkel der einfachen Leute - vom mürrischen Mordermittler Kostas Charitos, einem Familienmenschen mit Vorliebe für mediterrane Hausmannskost, der wegen der Krise mit gekürztem Gehalt auskommen muss. Wie nebenbei lernt man bei Markaris immer wieder viel über andere griechische Katastrophen, über Bürgerkrieg und Militärdiktatur, Traumata, die bis heute nachwirken.

Mit dem Romaneschreiben begann er eher spät, nach Umwegen. Der Sohn eines Armeniers und einer Griechin wurde aufs österreichische St. Georgs-Kolleg in Istanbul geschickt, weil sein Vater, ein Kaufmann, 1948 meinte, Deutsch sei die "Sprache der Zukunft". In Wien studierte er dann Volkswirtschaft, danach arbeitete er vierzehn Jahre lang als Exportleiter einer griechischen Zementfirma, für die er den Nahen Osten bereiste. "In meinem Leben habe ich stets das getan, was ich nicht tun wollte ... das Seltsame bei mir ist, dass mir die Dinge besser gelungen sind, die ich nicht tun wollte", schrieb er einmal. In Athen begann er dann Theaterstücke zu verfassen, übersetzte Brecht und Thomas Bernhard, mit dem Regisseur Theo Angelopoulos, einem Magier des griechischen Kinos, verband ihn eine über Jahrzehnte währende kongeniale Zusammenarbeit, bis zu dessen Tod im Januar 2012.

Was derzeit in der Türkei geschieht, beobachtet Markaris genau, es schmerzt und beunruhigt ihn. Sein Türkisch ist bis heute fließend. In seinem 2016 bei Diogenes erschienenen Erzählband "Der Tod des Odysseus" gibt es auch zwei Istanbul-Geschichten, voller Poesie, samt historischer Aufklärung über die Vertreibung der Griechen aus der Stadt am Bosporus. Aber auch Kommissar Kostas Charitos hat in diesem Band seinen Auftritt. Er muss den Tod eines Filmregisseurs aufklären, den man im Hinterhof eines Athener Cafés gefunden hat. Das Café heißt Poems and Crimes. Markaris sagt, er habe die Erzählung quasi aus Rache an seinem Verleger geschrieben, der immer mehr Geschichten von ihm verlange.

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