Geburtstag:Diener seiner Lieben

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Dieter Dorn, geboren 1935 in Leipzig, prägte 35 Jahre lang das Theater in München, inszenierte Opern in Salzburg, Bayreuth, New York, Genf und München.

(Foto: Sean Gallup/Getty Images)

Dieter Dorn wird achtzig. 35 Jahre lang hat er Theater in München gemacht - stets mit einem grandiosen Ensemble, stets mit dem größten Respekt vor dem Text.

Von Egbert Tholl

"Aus!" Im Sommer vor vier Jahren sprach Dieter Dorn dieses Wort auf der Bühne des Residenztheaters in München, sprach es als König im "Käthchen von Heilbronn". Mit Kleists Drama, von ihm als fünf Stunden dauerndes, literarisch-ironisches Bauerntheater ohne den kleinsten Strich inszeniert, nahm Dieter Dorn Abschied vom Intendantendasein, und es war nicht Eitelkeit, was ihn bewogen hatte, selbst den König in seiner letzten Sprechtheaterinszenierung zu spielen. Es war ein Augenzwinkern, es war jener Schalk, mit dem Dorn immer wieder überraschen konnte, weil man dem gestrengen Theaterherrscher einen solchen kaum zutraute. Aber Dorn sah sich niemals als König, eher als Diener.

Das "Aus" hallt noch lange nach, und vielleicht ist es sogar lauter geworden. Weil es durchaus eine Sehnsucht gibt nach jenem Theater, für das Dorn vorbehaltlos stand: kluge Exegese eines Dramentextes mit grandiosen Schauspielern, die auf der Bühne auch grandios sein dürfen. Darin war Dieter Dorn als Regisseur außerordentlich stur. Nie ging es ihm um Regiekonzepte, die von außen an einen Text herangetragen werden, sondern stets um eine Verlebendigung des Geschriebenen. Stets handelte er als ein Diener des Autors, egal ob der noch lebte oder seit mehr als 2000 Jahren tot war. Stets liebte er seine Schauspieler und war dabei überhaupt kein asketischer Bücherwurm.

Eine von diesen, die jahrzehntelang mit ihm zusammenarbeiteten, Cornelia Froboess, hält ihn für einen grandiosen Jerry-Lewis-Parodisten. Das mag überraschen beim Hüter der Worte, doch Dorn selbst lieferte einmal die Erklärung dafür: Sei er beim Probieren des Redens überdrüssig, spiele er einfach etwas vor. Doch da er es mit Schauspielern zu tun habe, die ihm himmelhoch überlegen seien, münde sein eigenes Vorspielen in die Groteske.

Gespielt hat er früher wirklich, für kurze Zeit. Am 31. Oktober 1935 wurde Dieter Dorn in Leipzig geboren, 1956 floh er in den Westen, studierte am Max-Reinhardt-Seminar in Berlin, war Schauspieler am Landestheater Hannover, begann in den Sechzigerjahren, selbst zu inszenieren, wurde 1976 Oberspielleiter an den Münchner Kammerspielen, deren Intendant er 1983 wurde und bis 2001 blieb. Dann wechselte er unter wütendem Getös ans Bayerische Staatsschauspiel. Gerne wäre er länger an seinen geliebten Kammerspielen geblieben, aber der damalige Kulturreferent Julian Nida-Rümelin, den Dorn in einem berühmt gewordenen Bonmot das "bestangezogene Stück Seife der Stadt" nannte, drang auf einen Wechsel. Dorns Nachfolger wurde Frank Baumbauer.

Dorn indes blieb länger im Amt als dieser, machte 35 Jahre Theater in München, unterbrochen nur von gelegentlichen Ausflügen zur Oper, der er auch nach seinem Abschied treu blieb - 2013/14 inszenierte er in Genf Wagners "Ring" als Geburt der Oper aus dem Geist der Tragödie.

Auch wenn in den letzten Jahren am Staatsschauspiel sein Intendanteninstinkt erlahmte, das Haus einschlummerte und das einst und über Jahrzehnte hinweg exzellente Dorn-Ensemble erodierte - es bleiben die Erinnerungen an jene großen Abende, die schwefelgelb ("Faust"), weiß und licht (alle Stücke von Botho Strauß) oder dampfend vor Expression (Shakespeare) Texte in ihrer Gänze erfahrbar machten dank derer, die Dorn liebte, seiner Schauspieler. Am Samstag nun wird Dieter Dorn 80. Glückwunsch!

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