Gallery Weekend:Geschichtsglittern

Gallery Weekend: Das Gala-Dinner des Gallery-Weekends 2011 in der Postsortierstelle am Gleisdreieck.

Das Gala-Dinner des Gallery-Weekends 2011 in der Postsortierstelle am Gleisdreieck.

(Foto: Ute Thon/art)

Nächste Woche touren in Berlin wieder die Sammler durch die Galerien. Den Veranstaltern fällt es nicht leicht, die Balance zu finden zwischen Ernst und Glamour.

Von Astrid Mania

Nächstes Wochenende rollen sie wieder durch die Stadt - die dunklen Limousinen, mit denen das Berliner Gallery Weekend seine VIPs befördert. Aufgereiht werden die Wagen vor den Galerien und den Locations der Empfänge bereitstehen, in diesem Jahr vor dem Kino International und dem 1968 wieder aufgebauten Kronprinzenpalais: Renommierbauten der DDR als Alleinstellungsmerkmale im internationalen Kunstbetrieb.

Doch während man der Berlinale oder der Berliner Fashion Week samt ihrer Galionsfiguren regelmäßig Mangel an Glamour vorwirft, wird die Leistungsschau der hauptstädtischen Galerien für ihr exklusives Bewirtungsprogramm gern gescholten. Kunst und Knäckebrot ist in den Ohren vieler die schönere Alliteration als Kunst und Kaviar. Aber sind derlei Events nun wirklich bloß elitäre Selbstbespiegelung oder notwendiges Marketinginstrument? Sind sie überbewerteter Nebenschauplatz oder sorgen sie gar für kulturpolitisches Sodbrennen?

Der Zeitgenossenmarkt hat ein Imageproblem - bekommen. Seit Kunstmessen und Großvernissagen nicht mehr nur die Domäne der Fachpresse sind, sondern auch der Peoplemagazine, wächst der Eindruck einer komplett partyfizierten Oberflächenwelt.

Das ist an manchen Stellen sicher wahr. Und im sehr hochpreisigen Segment gibt es auch sicher Transaktionen, die Fälle wie den von Achenbach harmlos erscheinen ließen. Doch dürften die meisten deutschen Galerien von derart alttestamentarisch-babylonischen Zuständen ziemlich weit entfernt sein. Man muss dazu nur auf die Galerienstudie des Instituts für Strategieentwicklung verweisen, nach der die Berliner Händler sehr bescheidene Umsätzen machen.

Anemone Vostell vom Landesverband Berliner Galerien beklagte kürzlich gegenüber dpa den wachsenden kommerziellen Druck auf Galerien durch die gestiegenen Immobilienpreise. Es zeichnet sich ein Bild vom Berliner Kunstmarkt ab, das sich weder für eine klischeehafte Milieustudie im "Tatort" anbietet, noch als Hintergrundkulisse für die gesellschaftlichen Ambitionen wohlhabender Rohstoffhändler.

Gerade das hauptstädtische Gallery Weekend ist in seinen Ursprüngen eher bescheiden und so gar nicht aus Übermut und Übermaß entstanden. Geboren wurde es 2005, um den Standortnachteil Berlins, den Mangel an ortsansässigen Sammlern, auszugleichen. Und es nutzte schon immer Berlins Standortvorteil, die Coolness, nach Kräften. "Es fehlte seinerzeit am Fachpublikum, an Kuratoren und Sammlern, aber auch schlicht an neugierigen Besuchern. Ein Samstag in einer Berliner Galerie ist vom Andrang her mit einer New Yorker Galerie einfach nicht zu vergleichen", so der Galerist Mehdi Chouakri, der seit 2007 am Gallery Weekend teilnimmt und seit zwei Jahren auch Gesellschafter der als GmbH organisierten Veranstaltung fungiert.

Chouakri ist für seine auf Kunst und Mineralwasser konzentrierten Eröffnungen bekannt, aber auch er glaubt, dass "Veranstaltungen wie das Gala-Dinner das Gallery Weekend für die auswärtigen Gäste attraktiver machen".

Natürlich böten derartige Events einen "Mehrwert", so auch Maike Cruse, die 2013 zur Direktorin des Gallery Weekends berufen wurde. Besonders die internationalen Gäste seien von den Berliner Orten, zu denen sie hier gelotst werden, jedes Mal restlos begeistert. Ohne Sponsor fiele aber beispielsweise das Dinner deutlich schlichter aus. Das wünscht sich mancher Galerist mit Blick auf die 7500 Euro Kostenbeitrag, die jeder von ihnen zahlen muss, allerdings sowieso.

Dass es einen gewissen Erwartungsdruck von außen auch an das Rahmenprogramm gibt, gesteht Barbara Weiss, Gallery-Weekend-Teilnehmerin der ersten Stunde, gerne. "Die Beteiligten machen sich den Druck beim Ringen um Aufmerksamkeit auch vielfach selbst." Und genau hier liegt die Krux: im Balance-Akt zwischen gefühltem Bieten-Müssen und realem, ökonomischem Druck. Es gilt die Erwartungen einer Sammlerschaft, die im Kunstbetrieb durchaus auch Entertainment sucht, mit der Ernsthaftigkeit auszutarieren, die an anderer Stelle erwartet wird.

Sind die Galerien Kultur oder Wirtschaft? In Berlin sitzen sie zwischen allen Stühlen

Denn die zunehmende Entfremdung der breiteren Öffentlichkeit vom vermeintlichen Spektakel Kunstmarkt hat auch eine politische Dimension. So gerne gerade Berlin seine viel beschworene Kreativszene als Lockargument für Touristen und ausländische Immobilieninvestoren nutzt, so sehr leiden gerade jene ungefragten Werbeträger unter dieser Strategie.

Und während es für Künstler oder auch freie Projekträume immer noch gewisse Fördermittel gibt, sind die Galerien, wenn man so will, topf-los: Die Kulturverwaltung des Senats ist für den kommerziellen Sektor nicht zuständig, der Wirtschaftssenat aber weiß mit diesem speziellen Segment der so genannten Kreativwirtschaft nichts anzufangen. Immerhin aber ließ sich Kulturstaatssekretär Tim Renner letztes Jahr gleich nach Amtsantritt auf dem Gallery Weekend blicken.

Und so ist die diesjährige VIP-technische Ausrichtung auf Glanz und Gloria der ehemaligen DDR vielleicht ein so zufälliges wie passendes Sinnbild für das Gallery Weekend in all seiner Widersprüchlichkeit zwischen Einschluss und Ausschluss. Denn auch wenn das Dinner nur für geladene Gäste ist, auch wenn die meiste Kunst am Ende nur für wenige erschwinglich ist - auch wenn es immer Einstiegsangebote gibt -, so herrschen bei den Galerie-Ausstellungen mit ihrem grundsätzlich für jeden offenen und freien Zugang schon nahezu sozialistische Verhältnisse. In der Tat würde manche Ausstellung während des Gallery Weekends "regelrecht überrannt", so Maike Cruse. Das sei absolut gewünscht.

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