Gärtnerplatztheater:Zwischen Drama und Euphorie

Gärtnerplatztheater

"Das Gürteltier" nennt der Architekt Wolfgang Achatz den neuen Orchesterprobensaal, der hoch oben überm Innenhof des Gärtnerplatztheaters prangt. Der ideale Ort, um beim SZ Kultursalon erste Zwischenbilanz zu ziehen.

(Foto: Christian POGO Zach)

Die ersten einhundert Tage im neuen, alten Haus: An einem hätte der Intendant beinah hingeworfen

Von Christiane Lutz

Sechs Mal Feueralarm in 100 Tagen. Das bedeutet eine ganze Menge Aufregung und Herumgerenne in einem so großen Haus wie dem Gärtnerplatztheater. Wirklich gebrannt hat es nie, jedenfalls nicht so, dass die Feuerwehr hätte helfen müssen, im übertragenen Sinn aber durchaus. Einmal musste "La Cenerentola" auf einer nackten Bühne stattfinden, weil der Lkw mit dem Bühnenbild nicht durch die komplett zugeparkte Reichenbachstraße passte. Und die offizielle Schlüsselübergabe vom Kultusministerium an die Theaterleitung steht noch immer aus. So etwas passiert, wenn ein Theater lange saniert und dann wieder in Betrieb genommen wird. Überall ruckelt es. Trotzdem fühlte sich der Intendant Josef E. Köpplinger in den vergangenen Wochen von den Pannen und Widrigkeiten ein paar Mal so ratlos und genervt, dass er kurz überlegte, hinzuschmeißen. Hat er aber nicht. Das erzählte er beim Kultursalon, zu dem die Süddeutsche Zeitung diesmal in den neuen Orchesterprobensaal hoch oben auf dem Gärtnerplatztheater geladen hatte.

Dabei hat Köpplinger eindrucksvoll bewiesen, dass er gut mit Ausnahmesituationen umgehen kann. Fünf Jahre lang dauerte die aufwendige Sanierung, zwei länger als geplant, teurer als - in grauer Theorie - geplant sowieso. 121 Millionen Euro nämlich. Fünf Jahre lang war das Gärtnerplatztheater auf pausenloser Wanderschaft durch München, spielte überall, wo es irgendwie ging, improvisierte, probierte. Köpplinger hatte das Haus zur Spielzeit 2012/2013 übernommen, also bis zur Wiedereröffnung keinen einzigen Tag in seinem Theater gearbeitet. Am 8. Oktober 2017 dann eröffneten Köpplinger und sein Team das Gärtnerplatztheater wieder mit einer Einführungsmatinee. Am Wochenende des 14. und 15. Oktober folgte eine große Gala, nach der übrigens der erste falsche Feueralarm los ging. In der Küche funktionierte ein Abzug nicht richtig. Ausgerechnet, als Köpplingers Abendessen - "Ich konnte davor ja vor Aufregung nichts essen", erzählt er in seiner unnachahmlichen Wiener Melange aus Schmäh und Charme - auf dem Herd stand. Am 16. Januar lag die Szene übrigens exakt 100 Tage zurück.

Inzwischen ist Josef E. Köpplinger wieder gelassener. Sechs Mal Feueralarm sei immerhin nicht sieben oder acht Mal, meint er, und in der Reichenbachstraße vor dem Theater herrscht jetzt absolutes Halteverbot. Einen Schreibtisch brauche er auch nicht mehr, sagt er, ein Überbleibsel aus dem Nomadenleben. Ein Notebook und ein kleiner, hübscher, historischer Tisch für Gespräche genügten ihm. Mittlerweile steht dieser Tisch sogar in seinem Büro, das bei der Eröffnung ebenfalls noch nicht fertig war.

Köpplingers neue Aufgabe besteht nun darin, die Inszenierungen der vergangenen Jahre möglichst ruckelfrei ins Repertoire des Stammhauses zu schieben. "Viktoria und ihr Husar" von 2016 wird übernommen, "La Cenerentola" und "Die Zirkusprinzessin", eine Operette von Emmerich Kálmán. Alles Produktionen, die nicht fürs Gärtnerplatztheater konzipiert wurden. Im Sommer 2018 wird es ein paar Vorstellungen von "Jesus Christ" geben, den Köpplinger vergangenes Jahr in der Reithalle inszenierte. Knifflig war das, sagt er, da er bei den ersten Vertragsverhandlungen mit den Künstlern nicht gewusst habe, ob das Theater wirklich bis Oktober fertig würde und inzwischen einige Sänger von damals andere Verpflichtungen hätten.

Wichtig ist Köpplinger aber nach wie vor, eine gute Mischung aus Operette, Musical und Oper anzubieten und dabei immer auch Uraufführungen zu zeigen. So wie "Pumuckl - das Musical" beispielsweise, von Franz Wittenbrink und Anne X. Weber im Frühjahr, und sage und schreibe auch eine Operette, über die er aber sonst noch nichts verraten wollte. Noch während des Salons liefen unten auf der großen Bühne die Proben für die Neuauflage eines Klassikers: "Der Wildschütz". Premiere ist an diesem Samstag.

Die ist ausverkauft, versteht sich, denn die Zuschauer sind vom neuen, alten Gärtnerplatztheater begeistert. Seit der Wiedereröffnung verkaufte das Theater für 63 Veranstaltungen 46 412 Tickets, davon waren 6340 Schüler- und Studentenkarten. "Das ergibt eine Auslastung von 98,6 Prozent", sagt Köpplinger. Vor allem der Musicalversion des Kinofilms "Priscilla - Königin der Wüste" rennen die Zuschauer die Bude ein. Und Feueralarm hat es schon seit eineinhalb Wochen nicht mehr gegeben.

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