Mobilfunk:Freenets lange Leitung

Der Mobilfunkanbieter Freenet hangelt sich von Krise zu Krise - und überlebt sie dann doch jedes Mal. Die Strategie von Konzernchef Vilanek: alles mal ausprobieren.

Thorsten Riedl

Die Geschichte von Freenet ist reich an außergewöhnlichen Vorfällen: die Muttergesellschaft ein Überflieger am Neuen Markt, Übernahmen en masse, dann die Beinahepleite nach dem missglückten Versuch ein Mobilfunknetz aufzubauen, staatliche Nothilfe, Klagen von Aktionären, Einstieg eines Finanzinvestors, ein Rechtsstreit mit dem Gründer, Abwehr feindlicher Übernahmen - die Liste ist lang.

Nach dem Tohuwabohu ist es Christoph Vilanek vor allem an einem gelegen: an Ruhe im Unternehmen. Das scheint dem neuen Chef des Mobilfunkdienstleisters gelungen. "Die Turbulenzen um das alte Freenet haben uns in den vergangenen zwölf Monaten nicht mehr belastet", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Nun rückt das Geschäft auf die Agenda: Vilanek will Dividende zahlen und sucht nach Wachstumschancen in einem gesättigten Markt.

Neidvoller Blick auf Apple

Mit 17 Millionen Kunden ist Freenet die Nummer fünf im deutschen Mobilfunkmarkt - nach den vier Mobilfunkanbietern Deutsche Telekom, Vodafone, E-Plus und O2. Das Unternehmen vermittelt Mobilfunkverträge von allen Anbietern, zusätzlich gibt es hauseigene Tarife. Das Problem der Branche: Statistisch hat jeder Deutsche schon mehr als ein Handy.

Wachstum ist nur noch auf Kosten der anderen möglich - und über einen harten Preiswettbewerb. So sinken seit geraumer Zeit die Umsätze der Anbieter, auch wenn die Deutschen mehr mobil telefonieren. Die Hoffnung ruht auf dem mobilen Internet. Doch auch hier sieht Vilanek langfristig wenig Chancen. "Die Zuwächse im Datenbereich verlieren wir durch das zurückgehende Geschäft mit Sprache", erklärt der gebürtige Österreicher, der Freenet seit April vergangenen Jahres führt.

Zugleich schaut die gesamte Branche neidvoll auf Apple. Dem Computerhersteller ist es mit dem iPhone nicht nur gelungen, die Nachfrage nach Oberklassehandys insgesamt anzufachen. Die Kunden sind zudem verrückt nach kleinen Applikationen, die sie auf ihrem Mobiltelefon laufen lassen. Für fast zwei Milliarden Dollar hat die iPhone-Klientel solche Programme im vergangenen Jahr geladen. Schließlich floriert auch noch das Geschäft mit iPhone-Zubehör.

Smartphone-Verkauf zieht an

Vilanek will von diesen Trends profitieren - aber er weiß noch nicht genau, wie. So würde das mobile Portal von Freenet schon "kleine, aber feine" Werbeumsätze generieren. Sein Unternehmen hat die ersten Applikationen für Mobiltelefone erstellt.

Das Geschäft mit Handyzubehör zieht in den Freenet-Läden nach Jahren der Flaute an, der Verkauf von Smartphones wie dem iPhone ebenso, auch von anderen Handyherstellern. Außerhalb des angestammten Geschäftes versucht der Freenet-Chef ebenso sein Glück: In einigen Freenet-Filialen gibt es neben Mobilfunk- auch Gas- und Stromverträge.

"Man muss ein Bündel von Aktivitäten probieren und schauen, wie es sich entwickelt", sagt er. "Ich würde das nicht als Ratlosigkeit bezeichnen, sondern als Realitätssinn." Vilaneks Sinn für die neue Wirklichkeit in der Mobilfunkindustrie soll sich für die Aktionäre auszahlen. "Für das abgelaufene Jahr werden wir eine Dividende von 20 Cent vorschlagen", erklärt der Konzernchef.

Erste Dividende seit vier Jahren

"Für dieses Jahr wollen wir 0,80 bis ein Euro ausschütten." Das würde im Idealfall bezogen auf den aktuellen Aktienkurs einer Rendite von neun Prozent entsprechen. Zuletzt hat das Unternehmen für das Geschäftsjahr 2006 die Aktionäre am Gewinn beteiligt.

Neben den Interessen der Anteilseigner muss Vilanek auch die der Gläubiger wahren. Der Schuldenstand von Freenet liegt bei 790 Millionen Euro. Seit Übernahme von Debitel 2008 hat das Unternehmen hohe Verbindlichkeiten. Vilanek hat in den vergangenen Monaten Unternehmensteile verkauft, so das DSL-Geschäft an United Internet oder die Tochter Strato an die Deutsche Telekom.

"Der Umbau ist abgeschlossen", sagt Vilanek. Er will den Schuldenstand von Freenet auf das anderthalbfache des Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen reduzieren. Dazu müsste er 300 Millionen Euro zurückzahlen auf Basis des Ergebnisses von 2009. Wann und wie das geschehen soll, sagt er nicht.

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