Für Fans:Party mit Hellboy

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Ums Lesen geht es dabei eher nicht: In der deutschen Comic-Landschaft sind Messen wie die soeben zu Ende gegangene German Comic Con neue, aber energisch auftretende Player. Rund 45 000 Besucher kamen am vergangenen Wochenende nach Dortmund.

Von Christoph Haas

Ja, Comics gab es auch. Betrat man am Wochenende die German Comic Con in Dortmund, fiel der Blick allerdings zunächst auf einen Stand mit Schießgeräten der Firma Nerf. Geplagte Eltern wissen Bescheid: Das Unternehmen stellt riesige Pistolen und Pump Guns aus Plastik her, mit denen sich Wasserstrahlen und Soft Darts verschießen lassen. An den Ständen drumherum gab es ähnlichen Schnickschnack; erst dann, die erste von sechs Hallen war fast durchquert, fanden sich ein paar Tische, an denen aktuelle Comics auslagen. Von den wichtigen deutschen Verlagen war jedoch nur ein Teil vertreten; gerade die renommiertesten - wie Carlsen und Ehapa, Avant und Reprodukt - fehlten.

Der Titel Comic Con - abgekürzt für: Comic Convention - ist im Grunde eine Irreführung. Passender wäre es, von einer Crossmedia Con zu reden. Denn Comics sind bei einer solchen Veranstaltung ein eher unbedeutender Aspekt eines Spektakels, in dem sich Merchandising-Business, Film- und TV-Fandom sowie Cosplay - das Schaulaufen in der Verkleidung populärer Comic-Figuren - überschneiden. Typisch ist auch, dass hier die Vermarktung von Stars und Stoffen in mehreren Medien offensiv unterstützt wird. "Hellboy" etwa ist ein Horror-Fantasy-Comic, der inzwischen zweimal erfolgreich verfilmt wurde. Ron Perlman, der Darsteller der dämonischen Hauptfigur, war in Dortmund anwesend, schrieb Autogramme und stand für Fotoshootings mit Verehrern bereit.

Cosplay verliert gerade seinen Status als Subkultur und drängt in die Mitte der Comic-Szene

In der deutschen Comic-Landschaft sind die Cons ein neuer, aber energisch auftretender Player. Seit 2015 konkurrieren zwei Unternehmen: Die Comic Con Germany findet jährlich in Stuttgart statt. Die German Comic Con dagegen ist ein Wanderzirkus, der neben Dortmund in Frankfurt, Berlin und München seine Zelte aufschlägt; für das nächste Jahr ist eine Ausweitung in die Niederlande und nach Polen geplant. Publikumsträchtig sind sie beide. Markus Borchert, der junge Chef der German Comic Con, spricht von 45 000 Besuchern der jüngsten Messe; im vergangenen Jahr seien es noch 30 000 gewesen. Die konkurrierende Comic Con Germany zählte 50 000 Besucher in diesem Jahr.

Von einer Veranstaltung wie dem Comic-Salon, der seit 1984 alle zwei Jahre in Erlangen stattfindet, unterscheiden sich die Cons radikal. In Erlangen orientiert man sich an dem berühmten Salon in Angoulême; es geht um den Comic als Kunstform, und als Veranstalter tritt das städtische Kulturamt auf. Die Cons dagegen eifern der 1970 gegründeten San Diego Comic Con nach, die sich von einem bescheidenen Fan-Treffen zu einem Showbiz-Event entwickelt hat. Die Nähe zu Hollywood ist in San Diego nicht nur eine geografische: Dort wird mit Staraufgebot massiv für die jeweils neuen Blockbuster der Filmstudios geworben, am liebsten natürlich für Comicverfilmungen. Auch auf den deutschen Cons sollen keine wissenschaftlichen Vorträge angehört oder Ausstellungen von Originalseiten angeschaut werden; hier wollen die Organisatoren Geld verdienen. Hollywood allerdings ist fern.

Eine Attraktion in Dortmund waren Pamela Anderson und David Hasselhoff. Wer sich mit den beiden in einem strikt vor der Presse abgeschirmten Bereich für einen "Baywatch Shoot" ablichten lassen wollte, musste stolze 150 Euro zahlen; bei Hellboy Ron Perlman waren es immerhin noch 100 Euro. Geradezu günstig waren da die 45 Euro, die ein Bild mit dem großartigen Tarantino-Mimen Michael Madsen ("Reservoir Dogs", "The Hateful Eight") kostete. Selfies mit den Stars waren strikt verboten. Die Zombies aus "The Walking Dead" oder die diversen "Stars Wars"-Charaktere, die an mehreren Ständen warteten, boten aber auch sparsamen Besuchern reichlich Gelegenheit, ihre Handys zu zücken.

Trotz der massiven kommerziellen Ausrichtung war in Dortmund eine entspannte, karnevalistische Atmosphäre zu spüren, die sich der Tatsache verdankte, dass weit mehr als die Hälfte der anwesenden Fans kostümiert war. Cosplay ist gerade dabei, seinen Status als Subkultur minderjähriger Manga-Leserinnen und -Leser zu verlieren und drängt in die Mitte der Comic-Szene. Als besonders beliebtes Role Model für junge Frauen erwies sich Harley Quinn; die freche Freundin des Jokers, des Erzfeindes von Batman, lief gleich dutzendweise durch die Hallen. Aber auch ganze Familien und Paare jenseits der Fünfzig hatten sich kostümiert. Dazu passt, dass auch ein Schweizer Nähmaschinen-Hersteller mit einem Stand vertreten war.

Treffen von Lesern sind die Comic Cons jedenfalls nicht. Zwar sind sie nach den Comics benannt, wären ohne sie undenkbar - aber sichtbar sind Comics auf diesen Messen kaum. Markus Borchert von der German Comic Con beteuert, dass dies nicht an ihm liege: "Die Verlage scheuen die Kosten, die mit einem Stand verbunden sind. Aber sie sollten nicht nur an die Verkäufe denken, sondern an die Chance, überhaupt auf sich aufmerksam zu machen. Manche Besucher wissen gar nicht, dass ,The Walking Dead' ursprünglich ein Comic ist, keine Fernsehserie." Ob das im Rahmen einer solchen Messe tatsächlich eine Chance für die Verlage wäre? Comic Cons sind groß darin, Fan-Bedürfnisse zu stimulieren und zu befriedigen. Inwieweit sie auch dazu taugen, Comic-Leser zu gewinnen, muss sich erst zeigen.

© SZ vom 08.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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