Der Tross der Ü-30-Jährigen schiebt sich die lange Stresemannstraße entlang, raus bis zur Bahrenfelder Trabrennbahn. Die Bäuche sind hier und da etwas fülliger, das Haar an manchen Stellen auffällig licht oder leicht ergraut. Einer hat sogar ein Kind an der Hand. Doch ansonsten ist alles wie früher. Wie vor 15 Jahren, als Hip-Hop in Hamburg noch eine große Nummer war.
Die Hansestadt hat am Mittwoch einen bemerkenswerten Hip-Hop-Abend erlebt. Mehr als ein Festival, eher eine Reise in die Vergangenheit. 15.000 Fans stürmten die ausverkaufte Trabrennbahn, um ihre alten Helden zu sehen. Fünf Sterne Deluxe, die Beginner, dazu Deichkind, inklusive Ferris MC. Alle wieder da, alle auf einem Fleck. Gibt's das?
Das Bo kommt in kurzen weißen Hosen und einem undefinierbaren Hemd auf die Bühne, sein Rapperkollege Tobi Tobsen tiefschwarzbebrillt. Seit 2003 haben Fünf Sterne Deluxe nicht mehr gemeinsam auf der Bühne gestanden. Die beiden Rapper gehen mittlerweile hart auf die 40 zu, aber doch: Sie haben sich gehalten. Zweites Lied: "Fünf Sterne hättste gerne". Die Texte sitzen noch. Sie haben auch geübt.
"Kennt ihr uns eigentlich noch nach all den Jahren?", brüllt Tobi Tobsen der Menge entgegen. "Tobi, ich hab' ein Déjà-vu", freut sich Das Bo wie ein Kind. Im Publikum: wippende Arme, vor allem aber grinsende Ü-30-Jährige. Bei manch einem fließt ein Freudentränchen. Klassentreffen auf der Trabrennbahn.
Vom Hamburger Club-Ereignis zum Massenphänomen
Nach ihrem letzten Konzert vor zehn Jahren hatten sich die Bandmitglieder von Fünf Sterne Deluxe um andere Dinge gekümmert. DJ Coolmann trieb seine Solokarriere voran, Marcnesium arbeitete als Fotograf und Grafiker, Tobi Tobsen gründete das sehr anerkannte Elektroprojekt Moonbootica. Das Bo ließ vor allem seine Haare wachsen, sah zeitweise fürchterlich aus. Er setzte sich bei Stefan Raab in den WM-Wok, war Jurymitglied bei der Castingshow "X-Factor". Alle machten ihr eigenes Ding.
Fünf Sterne Deluxe haben den Hip-Hop in Hamburg geprägt. Ihr erstes Album "Silium" erschien 1998 und gilt als Meilenstein der zweiten deutschen Sprechgesangwelle Ende der neunziger Jahre. Für eine Independent-Produktion war "Silium" außergewöhnlich erfolgreich, Fünf Sterne Deluxe machten den Schritt mit, von Rap als Hamburger Club-Ereignis hin zum Massenphänomen, als Bands wie Fettes Brot, Beginner, Deichkind oder Samy Deluxe plötzlich ganze Hallen füllten.
"Deutscher Rap hat dafür gesorgt, dass alle sich trauen, ihre Sache auf Deutsch zu machen", sagt Das Bo über die Pionierarbeit der späten neunziger Jahre. Doch nach dem letzten Flash-Festival 2002 im Hamburger Stadtpark veränderte sich die Szene. Deichkind und Fettes Brot modifizierten ihren Sound, die Beginner und Fünf Sterne Deluxe gingen getrennte Wege. Der Deutschpop erlebte seine Hochphase, populärer Hip-Hop kam bald nur noch aus Berlin.
Alles eine Spur gediegener
Diese Zeit wurde am Mittwochabend zurückgedreht. Wenn auch alles eine Spur gediegener als vor 15 Jahren. Früher flog bei Fünf Sterne Deluxe im Rausch schon mal ein Barhocker auf die Plattenteller, diesmal stellt Tobi Tobsen fest: "Das halbe Konzert ist rum und ich bin immer noch nicht betrunken." Als wäre ihm das früher nicht passiert. Trotzdem besteht kein Zweifel, dass die Band selbst den allergrößten Spaß an ihrer Live-Reunion hat. Tobi Tobsen und Das Bo kommen aus dem Grinsen gar nicht mehr raus.
Gleich nach "Ja, Ja, deine Mudder" dürfen die Beginner auf die Bühne. Sie waren etwas früher dran mit der Wiedervereinigung, haben schon 2011 ihr Live-Comeback gegeben. Mit Fünf Sterne Deluxe verbindet sie eine alte Bandfreundschaft. Bei "Füchse", einem ihrer prägenden Stücke, gesellt sich sogar Samy Deluxe mit auf die Bühne, rappt seinen Part, wird von den 15.000 gefeiert. Rapper Denyo stellt fest: "Es fühlt sich an wie '98."
War dies nun ein einmaliger Abend? Möglich. Die Beginner haben seit Jahren ein neues Studioalbum angekündigt, ohne es auf den Markt zu bringen. Fünf Sterne Deluxe haben sich gar nicht erst in diese Richtung geäußert. Einen neuen Track haben sie vorgestellt, mehr nicht. "Vielleicht ist es das letzte Konzert", sagte Das Bo kürzlich in einem Interview, "vielleicht ist es aber auch der Anfang von irgendetwas."
Vielleicht sollte man ihnen wünschen, dass sie es bei diesem einen Konzert belassen. Weil es großartig war.