Freiwilliger Helfer im US-Wahlkampf:Wer war noch mal Obama?

"How Joerg can change America": Unser Korrespondent Jörg Häntzschel war ein Wochenende lang Freiwilliger in Obamas Wahlkampf-Telefonkampagne. An ihm soll es nicht liegen.

Sollte Barack Obama die Wahl wider Erwarten doch noch verlieren - an mir hat's nicht gelegen! 250 Telefonnummern in Ohio habe ich am Wochenende angerufen, um die Menschen von ihm zu überzeugen. Ich ließ es klingeln in Cleveland, in Cincinnati und überall dazwischen. Ist nun ein Erdrutschsieg für Obama zu erwarten? Wohl kaum, aber zwei, drei Leute konnte ich umstimmen.

Freiwilliger Helfer im US-Wahlkampf: Oft meldet sich nur der Anrufbeantworter: Freiwillige Helfer bei Barack Obamas Telefonkampagne bei den Vorwahlen in Nevada, Januar 2008.

Oft meldet sich nur der Anrufbeantworter: Freiwillige Helfer bei Barack Obamas Telefonkampagne bei den Vorwahlen in Nevada, Januar 2008.

(Foto: Foto: AFP)

Es war Jon Carson, Obamas "national field director", der mich mit einer Mail dafür gewann, den Samstag damit zuzubringen, im Büro der Truckergewerkschaft an New Yorks 14. Straße amerikanische Provinzler zu bearbeiten.

Betreffzeile: "How Joerg can change America." Millionen bekommen solche Mails, zwei bis drei pro Tag, mal von "Barack" selber, mal von "Michelle", Obamas Frau, mal von David Plouffe, seinem Wahlkampfmanager.

Meistens bitten sie um Spenden. Jetzt, in der heißen Phase, reicht das nicht mehr. Um die letzten Unentschlossenen zu überzeugen und phlegmatische Demokraten darauf einzuschwören, wirklich wählen zu gehen, sollen wir unsere Großeltern in Florida besuchen, in Pennsylvania Klinken putzen oder eben Wähler in Ohio anrufen. Jeden einzelnen.

Während McCain die Wackelstaaten mit seinen "Robocalls" überziehen lässt und so Schauermärchen wie das von Obamas angeblicher Verbindung zu "Terroristen" vollautomatisch in Millionen Haushalte trägt, setzt Obamas Team auf echte Menschen und einfühlsame Überzeugung. Überall in den USA sitzen deshalb ehrenamtliche Helfer zusammen, so wie hier. "Vergesst nicht: 500.000 Anrufe dieses Wochenende sind das Ziel!", ruft Jason Haas, einer der Organisatoren, bevor er zur nächsten phone bank weitereilt. "Wir können es schaffen! Mit eurer Hilfe!"

Die Herausforderungen des Amtes

Anders als etwa in Deutschland hat das Werben um Stimmen, der Einsatz des ganzen Instrumentariums aus Rhetorik, Argumenten und Babystätscheln in den USA nichts Anrüchiges.

Solange die Schläge nicht unter die Gürtellinie gehen, gilt die Kampagne nicht als schmutziger Nebenschauplatz der Politik, sondern als öffentliche Generalprobe für das, was der Kandidat später im Amt auszurichten vermag. Und einen erfolgreicheren Wahlkampf als Obama hat in der jüngeren amerikanischen Geschichte kein Kandidat geführt. Das ist an den 600 Millionen Dollar abzulesen, die er bislang sammelte, ein Betrag, von dem McCain nur träumen kann.

Einen großen Teil des Geldes, rund 250 Millionen, gibt Obama für die Fernsehwerbung aus, mehr als das Jahresbudget von Marken wie Apple oder Burger King. Er sättigt die Sender derartig, dass für McCains Spots oft schlicht kein Platz mehr ist.

Doch am effektivsten sind weder Fernsehauftritte noch TV-Spots, sondern das ground game, die Arbeit der unbezahlten Wasserträger und Fußsoldaten, die Obama zu mobilisieren verstand wie niemand zuvor.

So wie die 20 Leute hier. Unser Training dauert ein paar Minuten. "Sagt ihnen, er ist kein Sozialist, er wird die Steuern nur für die ganz Reichen erhöhen", meint Catherine, eine der beiden älteren Frauen, die die "phone bank" leiten. Den Rest erklärt das "persuasion script", auf dem verschiedene Gesprächsmodelle umrissen sind, samt der Antworten, die wir skeptischen Wählern geben sollen.

Dann bekommt jeder ein paar Seiten eines riesigen Papierstapels in die Hand: die Liste potentieller Wähler in Ohio, samt Wohnort, Alter, Geschlecht, Telefonnummer. Obama liegt knapp vorne in diesem wichtigen Staat, den Bush in den letzten beiden Wahlen gewann.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, warum die Wahlhelfer auch bei Wählern nachhaken, die für Obama stimmen wollen.

Wer war noch mal Obama?

Teresa Johnson, 59, aus Milford, Ohio, scheint auf meinen Anruf nur gewartet zu haben. "Darf ich Sie fragen, ob Sie schon entschieden haben, wem Sie am 4. November Ihre Stimme geben werden?", frage ich zuckrig, um nicht gleich aus der Leitung zu fliegen. "Well - ich mag Obama, aber ich weiß nicht, ob er Christ ist. Ich mag "In God We Trust". Es steht auf den Münzen, der Präsident soll sich ebenfalls dazu bekennen." - "Teresa, an den Gerüchten, dass Obama kein Christ sei, ist nichts dran!", erwidere ich mit fester Stimme. Und sanfter: "Er ist ein Christ, er hat sich immer dazu bekannt, in seinen Reden, in seinen Büchern." - "Sind Sie sicher?" - "Absolut. Sie können sich darauf verlassen." - "Na, dann." - "Kann Obama also mit Ihrer Stimme rechnen?" - "Ja, ich werde ihn wählen."

Das war ja fast zu einfach! Ich mache einen Strich in der "Yes!"-Spalte und kreuze hinter ihrem Namen das Kästchen für "Wählt Obama" an. In ein paar Tagen wird ihr ein weiterer Anrufer nochmal einschärfen, ja zur Wahl zu gehen.

Doch ermutigende Momente wie diese sind rar. Viele der Nummern, die meistens von der letzten Wahl stammen, sind nicht mehr gültig. Oft meldet sich nur der Anrufbeantworter. Die Leute sind bei Wal Mart, auf dem Sportplatz, verreist. Oder sie gehören zu den vielen Amerikanern, die das Telefon nur abnehmen, wenn sie die Nummer des Anrufers kennen.

Offene Türen

So hat man ausgiebig Gelegenheit, den blechernen Stimmen von Joe Thompson, 59, in Toledo oder Peggy Franz, 43, in Springfield und vielen anderen zu lauschen und sich vorzustellen, wie es wohl aussehen mag in ihren Küchen und Wohnzimmern, hinter der Fabrik, an der Autobahn oder wo sie sonst wohnen in der tonlosen Banalität des Mittleren Westens.

Manche Anrufbeantworter stimmen optimistisch. Die jungen Studentinnen oder die Eltern, die die Namen ihrer Kinder auf der Ansage mit erwähnen. Da kann es nicht ganz übel zugehen, redet man sich ein, egal ob sie Obama wählen oder nicht. Oft aber fühlt man sich in den pathologischen Welten von David Lynch oder den Coen Brothers, die wir hinter den harmlosen Fassaden amerikanischer Kleinstädte immer vermuten.

Bei vielen, die das Telefon tatsächlich abnehmen, rennt man offene Türen ein: "Wir sind zu viert und haben alle für Obama gestimmt", sagt einer. "Obama hat meine Stimme, klar", ein anderer. Doch das ist nicht genug: "Wussten Sie, dass die Wahllokale in Ohio schon jetzt geöffnet sind? Wie wäre es, wenn Sie schon dieses Wochenende hingingen", flöte ich. "Wissen Sie, wo Ihr Wahllokal ist? Soll Sie jemand mit dem Auto abholen?"

Soll Sie jemand mit dem Auto abholen?

Es gibt die Unentschlossenen wie Jenny Lau, 22, aus Cincinnati, ein Hillary-Fan; die Seltsamen wie die Frau, die erklärt, als Zeugin Jehovas wähle sie grundsätzlich nicht; die Protestwähler, die den Namen ihres Favoriten auf den Zettel schreiben wollen. "Nämlich?" "Ron Paul", der Antikriegs-Republikaner.

Etliche legen sofort auf, wenn der Name Obama fällt. "Kein Interesse", "keine Zeit", "Will nicht drüber reden". Tyler Olson aus Ohio platzt in mein Begrüßungssprüchlein: "Sorry, ich muss Sie gleich stoppen." - "Sie wählen McCain?" - "Genau." Leute wie er werden von der Liste gestrichen und in Zukunft in Ruhe gelassen. "Die noch zu bearbeiten wäre nur Zeitverschwendung", so Catherine.

Viele der volunteers in dem engen Raum haben kaum mehr zu sagen als die skeptischen Wähler, die sie von Obamas Politik überzeugen sollen. Andere stürzen sich kaltblütig selbst in die undurchsichtigsten Bereiche von Obamas Programm, seine Gesundheitspolitik etwa.

Wieder andere investieren alles, was sie an der Schauspielschule gelernt haben - oder beim Telefonmarketing. "Lisa, ich kann gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass Barack auf dich zählen kann", sülzt einer ins Telefon. Nur bei einem der Angerufenen verschlug es selbst diesem Schauspieler mit der PR-Eloquenz die Sprache. Er habe den Namen Barack Obama schon mal gehört, sagte der, aber könne sich gerade nicht erinnern, wer er sei.

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