Frauenrechte:Das Märchen von der weiblichen Politik

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Zurück in die Steinzeit: Unter Premierministerin Beata Szydlo (hier links mit den Amtskolleginnen Theresa May und Angela Merkel im Februar 2017) haben die polnischen Frauen nichts zu lachen. (Foto: REUTERS)

Szydło, May, Merkel: Eine Frau an der Macht bedeutet nicht automatisch eine feministischere Politik. Besser macht das gerade ein Mann.

Von Susan Vahabzadeh

In Frankreich wurde nach den Wahlen am vergangenen Wochenende ein neuer Rekord verkündet: Im Parlament sitzen mehr Frauen als je zuvor, 39 Prozent, 224 weibliche Abgeordnete - nach der letzten Wahl waren es noch 155.

Zu den neu gewählten Frauen gehört zwar auch die Front-National-Chefin Marine Le Pen, aber das Ergebnis hat mehr mit Emmanuel Macron zu tun, der sein Kabinett schon zur Hälfte mit Frauen besetzt hat. Seine neugegründete Partei La République en Marche und der Koalitionspartner Modem haben jeweils über 45 Prozent weibliche Abgeordnete ins neue Parlament geschickt.

Nur mal zum Vergleich: Auch in Großbritannien wurden vor zwei Wochen mehr Frauen als je zuvor ins Parlament gewählt, und zwar 32 Prozent. Das sind vier Abgeordnete mehr als in der letzten Legislaturperiode. Und obwohl im Unterhaus ja mit Theresa May eine Frau der Chef ist, hat ihre Partei nur zu 21 Prozent weibliche Parlamentarier beigesteuert.

Macrons Vorstellungen in Frauenfragen kann man bei En Marche nachlesen. Für die klaren Worte vorweg muss man Macron schon einmal loben. Zur Einleitung steht da, dass es eben keine hergestellte Gleichberechtigung gibt, sondern für die halbe Menschheit eine Zwanzig-Prozent-Regel gilt: Frauen haben zwanzig Prozent der Parlamentsposten, zwanzig Prozent weniger Gehalt, zwanzig Prozent aller Frauen werden im Lauf ihres Lebens vergewaltigt, und Männer machen zwanzig Prozent der Hausarbeit (das steht da wirklich).

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En Marche will Parität, ansonsten hat das Programm drei Schwerpunkte für Frauen, einer davon ist eine Sensibilisierungskampagne gegen Gewalt und Belästigung. Es stehen auch sonst Gedanken darin, die von recht viel Einsicht zeugen: So will Macron beispielsweise einen Mutterschutz für alle durchsetzen, das heißt: Auch für Frauen, die nicht irgendwo fest angestellt sind. Was den Reiz senkt, sie nicht anzustellen.

Schwerpunkt drei: Es reicht nicht, dass Frauen Jobs haben, sie müssen auch davon leben können. Für die Einhaltung der Regeln zu gleicher Bezahlung soll es Überprüfungen geben können, und die Regierung will mit gutem Beispiel vorangehen und auch Verwaltungsposten möglichst paritätisch besetzen.

Macron hatte ein Ministerium für Frauen versprochen. Es ist wohl besser, dass es das nicht gibt

Sicher muss man erst abwarten, wie viel er davon auch umsetzt. In Frankreich hat er von einigen Feministinnen schon für das Kabinett Gegenwind bekommen. Er hat nämlich ein Versprechen gebrochen: Er wollte ursprünglich ein Frauenministerium schaffen.

Man kann allerdings darüber streiten, ob es wirklich eine gute Idee ist, die Gleichberechtigung in ein eigenes Ministerium abzuschieben, wo man sie dann eine ganze Legislaturperiode über einlagert und sich hinterher wundert, dass sie nicht von der Stelle kommt. Jedenfalls gibt sich der Feminist Macron erkennbar viel Mühe.

Das CDU-Regierungsprogramm für die Wahl im September gibt es noch nicht, aber in dem von 2013 steht, Frauen sollten mehr Männerberufe ergreifen, um das Gehaltsniveau zu steigern. Ist es nicht eigentlich so, dass das Gehaltsniveau in Berufszweigen sinkt, sobald der Frauenanteil steigt?

Angela Merkel war ihrer Ministerin Manuela Schwesig keine große Hilfe

Gewalt will man nicht entgegenwirken, sondern hinterher Frauenhäuser finanzieren. Und eine Frauenquote für Aufsichtsräte wird ab 2020 gefordert, und die Transparenz von Bezahlung zur Herstellung von mehr Lohngerechtigkeit wollte man prüfen. Angela Merkel war ihrer Ministerin Manuela Schwesig (SPD) bei der Durchsetzung keine große Hilfe.

Es ist tatsächlich wichtig, dass Angela Merkel die mächtigste Frau der Welt ist, dass Frauen selbst über Gesetzgebung und Recht entscheiden, schon, damit man sich an den Anblick gewöhnt.

Das ist nicht selbstverständlich, wie man gerade in Washington beobachten konnte. Die amerikanische Gesundheitsreform, "Trumpcare" genannt, wurde in der bisher vom Kongress abgesegneten Fassung von einem reinen Männergremium zusammengezimmert, dem es offensichtlich schleierhaft ist, warum die Krankenkassen Schwangerschaftsuntersuchungen bezahlen, obwohl Männer doch gar keine Kinder kriegen.

Und Theresa May, die britische Premierministerin? Die hat sich zwar vor ein paar Jahren mit einem T-Shirt ablichten lassen, auf dem stand "This is what a feminist looks like", aber viele Britinnen trauten ihren Augen nicht. Denn denen gilt sie, als Innenministerin wie als Premier, als die Frau, die Budgetkürzungen zu verantworten hat, die vorwiegend Frauen tragen.

Untersuchungen des Think Tank Women's Budget Group ergeben, die Einsparungen beträfen über gekürzte Sozialhilfen und verändertes Steuerrecht zu 85 Prozent Frauen. Austerität trifft Frauen härter, solange sie im Schnitt finanziell schlechter gestellt sind. Da hilft es auch nicht, wenn eine Frau die Sozialausgaben kürzt.

Es gibt in Europa insgesamt drei weibliche Regierungschefs, aber was heißt das eigentlich? Eine von ihnen ist die polnische Beata Szydło, und da ist leicht zu erkennen, dass ihr Regierungsprogramm den Weg zurück in die Steinzeit ebnet.

Da gab es zum einen den (gescheiterten) Versuch, ein totales Abtreibungsverbot durchzusetzen. Und dann ist da noch ein Gesetz namens "500 +", dass die Pis-Partei eingeführt hat. Demnach bekommen Familien mit Kindern 115 Euro Kindergeld, pro Kind - außer, es ist nur ein Kind da, was gerade bei alleinstehenden Frauen oft der Fall ist.

Merkel will sich "nicht mit fremden Federn schmücken"

Das Gesetz hat dann nach seiner Einführung im vergangenen Jahr erst einmal dazu geführt, die ohnehin schon niedrige Erwerbsquote polnischer Frauen weiter zu senken. So steigt zwar die Geburtenrate, aber auch die abhängigen Mütter werden mehr sich.

Unlängst war Angela Merkel Gastgeberin des W 20, des Gipfels für Frauen. Sie wurde da gefragt, ob sie Feministin sei. Die Antwort fiel sehr zögerlich aus. Sie wolle sich "nicht mit fremden Federn schmücken", hat die Kanzlern abwiegelnd geantwortet, was dann irgendwie doch besser ist als die Antwort ihrer Sitznachbarin Ivanka Trump, die prompt herausposaunte, sie sei eine, obwohl das genau genommen nicht stimmt. Nicht jede Frau, die sich für sich selbst einsetzt, ist deswegen schon Feministin. Das setzt voraus, dass man auch etwas für andere Frauen getan hat.

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Zu Angela Merkels Ehrenrettung muss man sagen: In ihrer Regierungszeit wurde der Anspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder geregelt, das Gesetz geschaffen, das durch mehr Transparenz für mehr Lohngerechtigkeit sorgen soll, und eines, das verlangt, Aufsichtsratsposten großer Unternehmen zu dreißig Prozent mit Frauen zu besetzen - seit 2016, nicht ab 2020.

Das ist nicht ihr Verdienst. Aber sie hat es auch nicht verhindert. Merkel sagte beim W-20-Gipfel gar über die Aufsichtsrats-Quote, man habe die Unternehmen jahrelang "gebettelt und gebeten, die haben sich das Gesetz durch Nichtstun erarbeitet". Dann ist sie ja mit dem Ergebnis wenigstens zufrieden.

© SZ vom 23.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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