Französisches Fernsehen:Kündigung per SMS

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Frankreichs bekanntester Fernsehjournalist hatte allen Grund, sich für unersetzlich zu halten. Doch nun brachte ihn der Quotendruck zu Fall - für ihn kommt eine junge Frau.

Johannes Willms

Noch im vergangenen Jahr hatte er nonchalant angedeutet, er werde nicht vor 2012 seinen Posten als Anchorman der 20-Uhr-Nachrichtensendung des privaten französischen Fernsehsenders TF1 räumen.

Solcher Hochmut kommt, wie das Sprichwort weiß, vor dem Fall. Am vergangenen Sonntagnachmittag, so ein in Paris kursierendes Gerücht, habe Patrick Poivre d'Arvor, 60, eine SMS erhalten, mit der ihm in dürren Worten von Nonce Paolini, dem Chef von TF1, das Ende seiner Karriere nach der Sommerpause im September angekündigt wurde - nach mehr als 30 Jahren.

Ort und Zeit, da ihn diese fatale Botschaft erreichte, waren von einschlägiger Symbolik: PPDA, wie er nach seinem Namenskürzel gern genannt wird, war als Gast auf der Prominententribüne des Stadions Roland-Garros zu sehen, wo er der Niederlage in drei Sätzen des Schweizer Tennisstars Federer gegen den Spanier Nadal beiwohnte.

Blitz und Donner bei heiterem Himmel

Die Nachricht seiner bevorstehenden Ablösung - angeblich wegen schlechter Quoten - hatte die Wirkung von Blitz und Donner bei heiterem Himmel, denn PPDA ist mit Abstand der bekannteste und beliebteste Fernsehmann Frankreichs.

Diesen Ruhm und Ruf hat er sich in harter Bildschirmpräsenz erarbeitet, unter der er zum Nachrichtenonkel der Nation wurde. Von 1976 bis 1983 präsentierte er zunächst die 20-Uhr-Hauptnachrichtensendung im staatlichen Fernsehsender Antenne2 und wechselte dann nach einem Zwischenschritt beim privaten Canal plus zum privaten und beim Publikum beliebten Fernsehveranstalter TF1, wo er seit 1986 im Wechsel mit Claire Chazal Frankreichs meistgesehene Nachrichtensendung moderiert.

Patrick Poivre d'Arvor, der verheiratet ist und drei Kinder hat, verband mit Claire Chazal zeitweilig mehr als nur ein kollegiales Verhältnis: Am 29. April 1995 brachte Claire Chazal einen Knaben, François, zur Welt, zu dessen Vaterschaft sich PPDA aber erst in seinem 2005 veröffentlichten Roman mit dem passenden Titel Confessions ("Geständnisse") bekannte.

Hohes Maß an Narrenfreiheit

Solche Beziehungen wie deren gelegentliche Folgen tragen in Frankreich nicht unwesentlich zur Steigerung von Bekannt- und Beliebtheit des oder der Beteiligten bei.

So war es auch hier, zumal PPDA sein Image auch auf eine sehr traditionelle Weise pflegt, die einem in Frankreich stets größte Wertschätzung und damit verbunden auch ein hohes Maß an Narrenfreiheit verschafft: PPDA trat auch als erfolgreicher Buchautor in Erscheinung. Bislang hat er rund 30 Romane und Sachbücher vorgelegt, von denen er manche gemeinsam mit seinem Bruder Olivier Poivre d'Arvor verfasste.

Das Ansehen, das sich PPDA durch diese permanente Präsenz und Umtriebigkeit erwarb, nährte bei ihm vermutlich die Illusion der eigenen Unersetzlichkeit.

Als Beweis dafür konnte bislang gelten, dass ihn noch nicht einmal das am 16.Dezember 1991 im Programm von TF1 gesendete getürkte Interview, das ihm Fidel Castro vorgeblich gewährt hatte, nachdrücklich beschädigte: Vorgesetzte und Zuschauer verziehen dem Tausendsassa diesen Betrug ebenso wie eine auf Bewährung ausgesetzte Haftstrafe von immerhin 15 Monaten, zu der er 1996 in zweiter Instanz wegen Beihilfe zur betrügerischen Verwendung von Sozialleistungen verurteilt wurde.

"Patrick von der Pfefferküste"

Auch die Eitelkeit des angemaßten Familiennamens, dessen offizielle Anerkennung durch den Conseil d'Etat erst 2004 erfolgte, wurde ihm nachgesehen. Allerdings behaupten Spötter, dass der vermeintliche Adelsname d'Arvor im Küchenbretonischen "Küste" heißt, so dass man seinen Namen mit "Patrick von der Pfefferküste" übersetzen könnte.

Damit ist möglicherweise das Ziel benannt, an das es den begeisterten Hobbysegler im September verschlägt. Zu Fall gebracht hat ihn eine 41 Jahre junge, hübsche und blonde Frau namens Laurence Ferrari, die ihm auf den Moderatorensessel nachfolgen wird.

Deren Bestallung, darauf darf man wetten, dürfte aber auch Ko-Moderatorin Claire Chazal in Bedrängnis bringen. Frankreich wird sich also an neue Gesichter gewöhnen müssen.

© SZ vom 12.06.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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