Frankfurter Lyriktage:Klingende Dinge

Mit experimenteller Musikbegleitung trug der Büchner-Preisträger Jan Wagner in Frankfurt seine Gedichte vor.

Von Volker Breidecker

"Geladen war der junge Lyriker, es kam der neue Büchner-Preisträger." So begrüßte Ina Hartwig, die Gastgeberin und Frankfurter Kulturdezernentin, Jan Wagner, dem vor wenigen Tagen erst der wichtigste deutsche Literaturpreis zugesprochen wurde (SZ vom 21. Juni). Und wie zum Beweis der von der Darmstädter Jury neben den weiteren Vorzügen ausdrücklich belobigten "musikalischen Sinnlichkeit" seiner Gedichte, war Jan Wagner zur konzertanten Eröffnung der biennalen Frankfurter Lyriktage 2017 nicht alleine gekommen: Mit ihm als Sprecher teilten sich die Musiker des für seine Experimentierfreude in Sachen Neuer Musik international angesehenen Ensemble Modern unter dem argentinischen Dirigenten Pablo Druker die Bühne des Altfrankfurter Dominikanerklosters.

Zur Uraufführung gelangte - der kommunale Amtsschimmel hat leider noch kein besseres Wort dafür gefunden - ein "Lesungskonzert". Jan Wagners Gedichte, ausgewählt aus den Anthologien "Regentonnenvariationen" (2014) und "Selbstporträt mit Bienenschwarm" (2016), wurden aber nicht vertont, sondern traten in ein spannendes und lebendiges Wechselspiel mit autonomen, auch zeitlich unabhängig voneinander entstandenen Kompositionen der im österreichischen Linz lehrenden Carola Bauckholt. Ihre Kompositionen, die so poetische Titel wie "Treibstoff" (1995) oder "Laufwerk" (2011) tragen, verschmelzen instrumentale Musik mit geräuschförmigen Klängen, spielerisch erzeugt mit ungewöhnlichen Gadgets, darunter auch performativen Mitteln, oder destilliert aus allerhand merkwürdigen Objekten. Darunter sind ganz gewöhnliche Dingen wie Bierpullen, Weingläser, Putzeimer und Topfschwämme entlockte Geräusche, deren Klang selbst noch im freien und zufälligen Fall eine ihnen innewohnende Musikalität unter Beweis stellen.

Die Musik harmonierte mit all den Gegenständen aus Wagners Lyrik

Auf wunderbare Weise harmonierten Bauckholts Kompositionen mit jenen Teebeuteln, Laken, Tassen, Wippen, Quitten, Seifen, Mücken öder Fönen die Jan Wagner in freien oder gebundenen Versen besingt und mit Worten belebt, von denen die Dinge - ob Gegenstände oder allerhand Exemplare aus den Terrarien und Bestiarien von Fauna und Flora - ihrerseits zum Klingen gebracht wurden, um ihnen eine Botschaft oder Bedeutung zu entlocken. Im Zusammenspiel mit dem Orchester - im steten Wechsel aufeinander, nebeneinander, bisweilen auch ineinander - wurden Worte, Klänge und Bilder "wie Glasperlen" miteinander ausgetauscht. Zum Gedicht "Teebeutel" ließ die Pianistin einen Faden der Länge nach über die Saiten ihres Klaviers gleiten.

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