Frankfurter Architektur:Zwischen Krankfurt und Mainhattan

Bankenviertel in Frankfurt

Frankfurter Bankenviertel: "Geradezu stehpartyartig."

(Foto: Frank-Heinrich Müller)

"Turmartige Ungetüme" waren in Frankfurt verpönt. Dann kam die Skyline. Das Deutsche Architekturmuseum erzählt die Baugeschichte der Hochhausstadt, in der einst gefeiert wurde, weil ein Rohbau brannte.

Von Volker Breidecker

Die "Sehnsucht nach neuen Bauaufgaben" habe den "Hochhausgedanken" aufkommen lassen, schrieb der gelernte Architekt und damalige Lokalreporter der Frankfurter Zeitung, Siegfried Kracauer, zu Beginn der Zwanzigerjahre.

Von New York können man dabei allenfalls "in konstruktiver Hinsicht" lernen, mehr nicht: "Turmartige Ungetüme, die ihr Dasein dem ungezügelten Machtwillen raubtierhaften Unternehmertums verdanken, stehen dort wild und regellos nebeneinander. So darf in Deutschland nicht gebaut werden."

Lange erübrigte sich Kracauers Sorge; kein Gebäude überragte in Frankfurt die bescheidenen 33 Meter des Mousonturms von 1926, den wehrhafte Zinnen mittelalterlichen Typs krönten.

Von Max Tauts Gewerkschaftshaus und Hans Poelzigs I.G. -Farben-Haus von 1931 einmal abgesehen, blieb es dabei bis zum Wirtschaftswunderjahr 1962, als an der Seite der gespenstischen Ruine des Opernhauses die blau-silbern schillernden 19 Stockwerke des Zürich-Hauses aufragten.

Sie stießen buchstäblich das Tor zum Westend auf, dessen intakte Bausubstanz aus gründerzeitlichen Villen und Bürgerhäusern nun nach dem Willen der Stadtplaner dem neuen Bedarf an Büroräumen weichen sollte, was die Grundstückspekulation kräftig ankurbelte.

Folge war der Häuserkampf der frühen Siebzigerjahre, zu dem militante Spontis und ehrbare Bürgersleute zusammenfanden. Im nahen Bankenviertel der alten Handels-und Messestadt, die sich nach dem Scheitern des Projekts Bundeshauptstadt immerhin zum internationalen Finanzplatz gemausert hatte, schoss derweil ein Wolkenkratzer nach dem anderen in die Höhe, was der Stadt die Namen Krankfurt, Bankfurt oder Mainhattan eintrug.

Volksfeststimmung wegen des Hochhauses, das in Flammen steht

Mit der sprichwörtlichen "Unwirtlichkeit" ihrer Stadt waren die Frankfurter noch lange nicht versöhnt. Seinen Ausdruck fand dies im Fanal einer Augustnacht des Jahres 1973, als der Rohbau des nach dem Spekulanten Ali Selmi benannten Hochhauses am Platz der Republik lichterloh in Flammen stand, während unten auf der Straße Volksfeststimmung ausbrach.

Anderntags schrieb die FAZ: "Herabstürzende glühende Balken, durch die Luft segelnde, Funken sprühende Kunststoffplatten werden mit Lachen und Beifall begrüßt, Sprechchöre finden höhnische Reime auf das Hochhaus und seinen Bauherrn." Danach musste noch viel ästhetische, politische, planerische Besinnung, aber auch ökonomische Prosperität walten, bis die Welt von der einzigartigen Frankfurter Skyline zu schwärmen begann.

Erst im Jahr 1991 erfolgte auch deren kunstgeschichtliche Nobilitierung mit einem von dem Architekten Ulf Jonak verfassten, in der schmucken Reihe "Kunststück" erschienenen Bändchen namens "Die Frankfurter Skyline".

Treffend hieß es darin: "Die dicht beieinander stehenden Hochhäuser des Frankfurter Bankenviertels sind in ein geradezu stehpartyartiges Gedränge geraten, welches die handschlagartige Mentalität ihrer Hausherren fast allzu deutlich versinnbildlicht." Es war die Zeit, als die Postmoderne auch in die Autogaragen Einzug hielt, denen die Hausbesitzer klassizistische Gipsfassaden mit Halbsäulen und Architraven ankleben ließen.

Parcours durch die Vertikalgeschichte der Stadt

Und ob der perennierenden Fressgassfeste war das Gerücht aufgekommen, in Frankfurt putze man sich die Zähne - und reinige die Glasfassaden - mit Champagner. Aus derart verflossenen Jahren stammt am Sachsenhäuser Museumsufer auch der Bau des Deutschen Architekturmuseums, kein Hochhaus, aber eine ideale Aussichtsplattform auf die Skyline gegenüber.

Zu seinem 30. Jubiläum bietet das DAM in der Horizontalen des Erdgeschosses einen Parcours durch die Vertikalgeschichte der Stadt, auch wenn die Ausstellungsbesucher sich die Hochhauschronologie selber auf der Zeitachse erschließen müssen.

Ein unverzeihlicher Verlust

Frankfurter Architektur: Van der Rohes Wettbewerbsentwurf für die Zentrale der Commerzbank.

Van der Rohes Wettbewerbsentwurf für die Zentrale der Commerzbank.

(Foto: 2014 MoMA, New York; Scala, Florenz)

Verdichteter und verschatteter noch als in der "Bankenklamm" der Neuen Mainzer Straße, dafür windgeschützt und sturmsicher, reihen sich breite Stelen - dunkelgrau wie einst das Selmi-Hochhaus - als Bildträger für Pläne, Modelle, Fotografien, Videos: Geplantes neben Verworfenem, Gebautes neben Ungebautem und wieder Abgerissenem wie dem Zürich-Haus, dem einst legendären Henningerturm, dem brutalistischen Technischen Rathaus und dem berüchtigten Uni-Turm, dessen Sprengung man auf einer Videowand noch einmal beiwohnen kann.

Während Stadt und Land auf das bereits geplante, doch aus Finanzierungsmangel 2001 wieder stornierte Frankfurter Äquivalent zu Stuttgart 21 gottlob verzichten können - hinter dem demolierten Rumpf der Fassade eines der schönsten Bahnhöfe des Kontinents und über den unterirdisch verlegten Gleisen sollte ein ganzer Hochhauspark entstehen -, sticht ein unverzeihlicher Verlust ins Auge: Bei seinen Recherchen hat der Ausstellungskurator Philipp Sturm einen vergessenen Wettbewerbsentwurf Mies van der Rohes für die geplante Zentrale der Commerzbank wiederentdeckt. Ein 127 Meter hohes, schwarzes, grandios durchrastertes Stahlskelett, am Boden flankiert von einem Pavillon, dessen transparente Konstruktion an Berlins Neue Nationalgalerie erinnert. Ein bestechend schönes Ensemble, das just am Eingang zur "Bankengracht" die himmelstrebende Vertikale mit der urbanen Horizontale der an einem Fluss gelegenen Stadt ausgeglichen hätte.

Damit wäre neben einem wunderbaren Blickfang ein einladender öffentlicher Raum von in Frankfurt sonst nicht vorhandener Großzügigkeit und Urbanität entstanden.

Denn Raum ist auch in Bürohochhäusern, die Fläche lediglich stapeln - der in sich verdrehte Zwillingsbau der neuen EZB setzt da endlich eine Ausnahme -, Mangelware. Laut einer Chronik der Commerzbank ging, "aufgrund seiner guten Kontakte zur Stadtverwaltung" jedoch die Siegespalme des Wettbewerbs an den Architekten Richard Heil.

Enorm zugenommene Verdichtung

Draußen fällt beim Blick hinüber auf die andere Flussseite die enorm zugenommene Verdichtung der Hochhäuser ins Auge, sodass sich die Wirkung eines beinahe geschlossenen Riegels einstellt. Glanzlichter wie das Japan-Haus sind aus dieser Perspektive schon nicht mehr zu erkennen, dafür sind neue Exemplare entstanden, die in Farbgebung und Material den neblig grauen Winterhimmel imitieren und an Erich Honeckers Popelinjacke erinnern.

Und doch wird in Frankfurt weiter gen Himmel gebaut, der jüngste Schrei sind Wohnhochhäuser als luxuriöse Schlafstätten für Business-People, die Montag früh und Freitagnachmittag vom und zum Flughafen oder von und nach Hamburg, München, Berlin sprinten.

Himmelstürmend. Hochhausstadt Frankfurt. Deutsches Architekturmuseum, Frankfurt. Bis 19. April 2015. Der im Prestel Verlag erschienene Katalog kostet an der Museumskasse 39 Euro, im Buchhandel 49,95 Euro.

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