Frankfurt Diaries:Neue Geschichten für den Tanz

Frankfurt Diaries: Ein Stück Tanzgeschichte durch den Tanz selbst erzählen, das hat sich Forsythe-Kollege Antony Rizzi zur Aufgabe gemacht.

Ein Stück Tanzgeschichte durch den Tanz selbst erzählen, das hat sich Forsythe-Kollege Antony Rizzi zur Aufgabe gemacht.

(Foto: Marie-Laure Briane)

Ein Tagebuch gelebter Erneuerung: Das Gärtnerplatztheater widmet sich in zwei Stücken William Forsythe und den Folgen

Von Rita Argauer

Das ist erst einmal keine große Überraschung. Für die erste Tanzpremiere dieser Spielzeit steht beim Gärtnerplatztheater William Forsythe auf dem Programm. Dessen De- und Rekonstruktion der Klassik ist jüngst vermehrt in den reproduzierenden Aufführungskanon übergegangen. Und auch wenn die Choreografie "One Flat Thing, reproduced" aus dem Jahr 2000 nun zur Münchner Erstaufführung kommt, gehört das Stück für 14 Tänzer und 20 Tische inzwischen zu Forsythes Vorzeigestücken, die sein Œuvre am Leben erhalten.

Viel interessanter, aber auch viel gefährlicher ist jedoch der Rahmen, den das Gärtnerplatztheater um diese Aufführung gestrickt hat. Unter dem Namen "Frankfurt Diaries" gibt es ein Stück, das als eine Art getanzte Sekundärliteratur und gleichzeitig als Uraufführung funktioniert. Dafür übersetzten vier ehemalige Forsythe-Tänzer ihre Erfahrungen im Ballett Frankfurt in neue Choreografien.

Der Regisseur und Tänzer Antony Rizzi hat den vier Stücken seiner Frankfurter Ex-Kollegen dafür einen dramaturgischen Rahmen gebaut, der zwischen Theater, Abstraktion und Lecture-Performance schwankt. Immer wieder arbeitet er dabei mit fotografischem und filmischem Material, das er selbst in Frankfurt aufgenommen hat: "Es sind eine Menge Artefakte", sagt er, "die wirken, als habe man sie aus irgendeinem Archiv gezogen und rekonstruiere jetzt den Tanz dazu". Das sei eine ähnliche Bewegung wie die Klassiker-Rekonstruktionen des Bayerischen Staatsballetts. Nur würde hier eben eine neue Geschichte erzählt.

"Das Ballett braucht neue Geschichten", sagt Rizzi. Eine, die das Ballett heute erzählen kann, hat der 50-jährige US-Amerikaner, der seit mehr als 20 Jahren in Deutschland lebt, in seiner eigenen tänzerischen Vergangenheit gefunden. Er vergleicht Forsythe mit George Balanchine: "Beide haben die Grenzen, wie weit oder wie groß man etwas machen kann, verschoben." Rizzi hat sogar noch ein richtiges Tagebuch aus seiner Frankfurter Zeit. Die Notizen, die er sich darin gemacht habe, seien aber für seine jetzige Arbeit leider völlig unbrauchbar. Und das ist der feine Unterschied zur Klassiker-Rekonstruktion: Rizzi braucht weniger die reellen Relikte von damals, sondern vielmehr die Künstler, die Forsythes ständige Neuerfindung von Tanz erlebt haben, und die diese Erlebnisse jetzt erneut in Tanz übersetzen. Mit Georg Reischl, Christopher Roman, Michael Schumacher und Allison Brown hat er sie gefunden. Antony Rizzi kennt sie alle, obwohl nur Michael Schumacher tatsächlich mit ihm zusammen in Frankfurt getanzt hat; die anderen waren alle nach ihm dort. Gemeinsam haben sie jetzt ein Handlungsballett erschaffen, das ein Stück Tanzgeschichte zum Thema macht.

Frankfurt Diaries, Premiere am Freitag, 20. November, 19.30 Uhr, Reithalle, Heßstr. 132

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: