"Frank" im Kino:Wie putzt er sich bloß die Zähne?

Kinostart - Frank

Michael Fassbender (Links) als Frontman Frank mit Bandkollegen. Mit in der Besetzung auch Maggie Gyllenhaal (Zweite von links).

(Foto: dpa)

Und wie schläft er mit diesem Pappmaché-Kopf? Michael Fassbender spielt in der herrlichen irischen Komödie "Frank" einen wahnsinnigen Bandleader.

Von Anke Sterneborg

Der riesige Pappmaché-Kopf ist das Erste, was ins Auge sticht. Er zieht die Aufmerksamkeit an sich und ist gleichzeitig eine Blickbarriere. Er ist die Maske des Leadsängers einer fiktiven Experimental-Band, deren Namen Soronprfbs selbst die Bandmitglieder nicht aussprechen können. Der sperrige Bandname ist Programm und das Papp-Outfit des Sängers nicht nur ein Bühnen-Gimmick, sondern schützender Panzer gegen die Welt.

"Frank" basiert lose auf der Geschichte des 2010 verstorbenen Komikers und Musikers Chris Sievey, der die Dada-Kunstfigur Frank Sidebottom mit überdimensionalem Pappschädel und riesigen blauen Augen erschaffen hat. Der britische Journalist Jon Ronson begleitete Sieveys Big Band in den späten Achtzigerjahren als Keyboarder, schrieb darüber einen Artikel im Guardian und half nun auch bei der filmischen Adaption des Stoffes.

Unter der Pappmaché-Maske steckt ein Millionen-Dollar-Gesicht

Während Sieveys Frank eine verspielte Bühnenfigur war, reizt der Film-Frank die Verkleidung bis zum Äußersten aus. Dass Frank seinen Kugelkopf niemals abnimmt, lässt Jon, der im Film von Domhnall Gleeson gespielt wird, keine Ruhe. "Habt ihr ihn jemals ohne die Maske gesehen?" bedrängt er die anderen Bandmitglieder. "Wie isst er? Wie putzt er sich die Zähne? Wie schläft er? Unter der Maske muss es doch stinken?" Fragen über Fragen, auf die es keine Antworten gibt: "Das musst du einfach so hinnehmen", insistiert der Produzent der Band.

"Frank"

Woher weiß man eigentlich, dass unter diesem Pappkopf wirklich Michael Fassbender steckt? Ein Spiel über Original und Fälschung.

(Foto: Irish Film Board)

Der Clou dieses kleinen irischen Independent-Films von Lenny Abrahamson ist, dass Frank von Michael Fassbender gespielt wird. Es ist schon irre, dass einer der derzeit berühmtesten Schauspieler der Welt fast einen ganzen Film lang nie sein Millionen-Dollar-Gesicht zeigt.

Das allein dürfte dem bescheidenen irisch-deutschen Star Fassbender diebische Freude bereitet haben. Hinzu kommt, dass er auch sein Faible für die physischen Aspekte des Spiels ausleben kann. So wie er das schon bis auf die Knochen abgemagert in "Hunger" oder mechanisch steif als Roboter in "Prometheus" getan hat.

Obwohl er durch die Pappmaché-Maske seiner Mimik beraubt ist, verleiht Fassbender Frank neben der Slapstick-Komik auch jede Menge Seele: "Wenn man sich so eine Maske aufsetzt, hat man das Gefühl, kugelsicher zu sein" schwärmte er in Interviews. Doch wenn er seine merkwürdigen Texte als hypnotisch sperrigen Sprechgesang ins Mikrofon raunt, dann ertappt man sich immer wieder bei dem Gedanken, woher man eigentlich die Sicherheit nimmt, dass dieser Pappkopf tatsächlich Fassbender gehört und nicht einem x-beliebigen Statisten.

Ein Balanceakt zwischen künstlerischer Integrität und Mainstream

Damit ist man aber auch schon mittendrin, in dem doppelbödigen Spiel, das der Film mit Original und Fälschung, Star und Statist treibt. Die Mechanismen der öffentlichen Existenz sind das große Thema von Regisseur Abrahamson. Der Balanceakt zwischen kommerziellem Mainstream und künstlerischer Integrität, mit dem sich die Band auseinandersetzen muss, als Jons Youtube- und Twitter-Marketing einschlägt, betrifft auch ihn als irischen Regisseur, der womöglich von Hollywood träumt.

Sein träumerischer Stellvertreter in diesem Film ist Domhnall Gleeson als Jon. Am Anfang steht er in schlaffer Haltung und mit müdem Blick am Strand. Mühsam ringt er um Einfälle für einen Songtext, verwurstet uninspiriert alles, was er sieht, zu banalen Worthülsen ohne tieferen Sinn. Als er schließlich doch eine zündende Idee hat, muss er feststellen, dass seine Komposition nur der Abklatsch eines alten Songs ist, den er kurz zuvor gehört hat.

Frank

Zwischen künstlerischer Integrität und kommerziellen Erfolg: Franks Band "Soronprfbs".

(Foto: Irish Film Board)

Das Thema setzt sich fort, später bei den Proben in Franks Band, bei denen es immer wieder auch darum geht, ob es reicht, exzentrische Originalität für ein marginales Publikum zu produzieren, und wie weit man dem Publikum entgegengehen könnte, ohne seine Integrität zu verlieren.

Auch das fragile Verhältnis zwischen Original und Fälschung wird getestet, wenn eines der Bandmitglieder, die alle einen beunruhigenden Hang zum Selbstmord haben, mit einem von Franks diversen Kugelköpfen quasi als Frank-Kopie tot aufgefunden wird. Wie er selbst das unter seinem Grinsekopf wirklich findet, lässt sich natürlich nicht erkennen, er kann seine wahre Mimik hinter der Maske nur behaupten. Aber kann man ihm glauben? Komischer, melancholischer, nachdenklicher und klüger lässt sich Kulturkritik im digitalen Zeitalter kaum zelebrieren.

Frank, GB/Irland/USA 2014- Regie: Lenny Abrahamson. Buch: Jon Ronson, Peter Straughan. Musik: Stephen Rennicks Mit Michael Fassbender, Domhnall Gleeson, Maggie Gyllenhaal, Scoot McNairy. Weltkino, 94 Minuten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: