Fotoserie "Die Gläubigen":Ein bisschen Pessach, ein bisschen Ostern

Martin Schoeller fotografiert religiöse Menschen in New York - im Mai waren das unter anderem ein Anhänger der Jews for Jesus und ein Druide.

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Quelle: SZ

New York ist der Ort mit der größten Zahl unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften. Der Fotograf Martin Schoeller porträtiert in seiner Feuilleton-Kolumne jeden Freitag einen gläubigen Menschen aus dieser Stadt. Hier finden Sie seine Werke monatlich gesammelt.​

Nana Esi Dinizulu. Religion der Akan

Die Religion der Akan ist ganz grundsätzlich der Glaube der Akan-Völker in Ghana. Dort gibt es mehrere Nationen, die Aschanti, die Fanti, die Denkira, die Assin, die Dorma. Wir nennen sie Nationen, weil sie einst wirkliche Nationen waren. Die Aschanti sind die bekanntesten, weil sie so hart mit den Briten gekämpft haben. Die waren während der Kolonialkriege regelrecht berüchtigt. Nana Yao Opare Dinizulu ging dann Mitte der Sechzigerjahre aus Amerika nach Ghana und brachte die Religion mit zurück. Viele praktizieren ihren Glauben, hier wie dort. Es ist schon erstaunlich, wie gut er sich gehalten hat, trotz der christlichen und moslemischen Missionare. Er wird nicht immer offen praktiziert. Gerade hier in Amerika. Das ist ähnlich wie bei den Nigerianern, die haben ja auch viele verschiedene Religionen. Die Yoruba ist die bekannteste. Aber gerade wenn sie gebildet sind, geben sie selten zu, dass sie das praktizieren. Das ist ja auch bei den Kubanern und Puertoricanern so. Die beten Heilige an, die eigentlich gar keine katholischen Heiligen sind, sondern Gottheiten der Yoruba, aber das mussten sie schon während der Sklaverei verbergen.

Ich bin als Christin aufgewachsen, aber Ende der Sechzigerjahre kam Nana Yao Opare Dinizulu in meine Schule. Er hatte damals eine Tanzgruppe, mit der er auftrat. Das gefiel mir. Ich wollte da mitmachen. Eines führte dann zum anderen und so kam ich zur Religion der Akan. Meine Eltern waren da aufgeschlossen. Nur mein Großvater war dagegen. Der war Pfarrer. Wir feiern unseren Glauben jeden Sonntag in Queens. Es gibt keine Schriften. Alles wird mündlich überliefert. Aber es gibt Rituale. Wir errichten Tische und Altäre für die Gottheiten und unsere Vorfahren. Denen opfern wir Alkohol, Speisen, Obst, Kaffee, Kerzen. Je nachdem, was die jeweilige Gottheit so mag. Momentan arbeiten wir mit zehn solchen Gottheiten, die Stellvertreter des einen, großen Gottes sind. Das ist unser Weg, uns bei ihnen zu bedanken und mit Gott zu reden.

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Aaron Abrams. Jews for Jesus

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Quelle: SZ

Alle, die bei den Jews for Jesus mitmachen (bei den Juden für Jesus) haben einen jüdischen Hintergrund. Ich bin zum Beispiel einerseits Christ, weil ich an Jesus glaube, auf der anderen Seite kann man nicht einfach aufhören, Jude zu sein. Ich glaube auch immer noch an das Alte Testament und die Torah und alles, was unser Erbe ist. Aus meiner eigenen Familiengeschichte heraus bin ich wohl beides. Ich hatte katholische und jüdische Großeltern. Meine Mutter konvertierte zum Judentum. Meine Eltern wollten auch, dass ich Bar Mitzwa werde. Später interessierten sie sich immer stärker für ihren jüdischen Hintergrund. Wir sind dann nach Israel gezogen und haben dort jahrelang in einer orthodoxen Gemeinde gelebt. Aber ich bin mit beiden Glaubensrichtungen aufgewachsen. Wir haben ein bisschen Pessach gefeiert und ein bisschen Ostern. Meine Freunde fragten mich immer, ob das nicht verwirrend sei. Aber als Kind findet man das gar nicht so verwirrend, wenn man sowohl Weihnachts-, als auch Chanukka-Geschenke bekommt.

Als ich mit meinem Wehrdienst fertig war, bin ich, wie viele junge Israelis, auf Reisen gegangen. Ich bin mit einem Freund in die USA geflogen. Ich war 23 und seit ich 15 war nicht mehr dort gewesen. Ich hatte aber viel Kerouac gelesen. Und so kauften wir uns ein Auto, fuhren bis nach Mexiko, nach Kanada, Arizona, in die Berge. Ich habe damals viele Bücher über Hinduismus gelesen, über so New-Age-Kram, so ziemlich alles, von dem ich mir irgendeine Wahrheit versprach. Aber so richtig blieb da nichts hängen. Bis mir jemand ein Neues Testament gab. Danach hatte ich eine wirklich heftige spirituelle Erfahrung, die mein Leben verändert hat. Was Jesus für uns getan hat, dass er sein Leben für uns gab, ist so unglaublich und erlaubt uns, diese wirklich nachhaltige Beziehung zu Gott einzugehen, die uns hilft, zu wachsen und zu reifen. Die Botschaft des Neuen Testaments ist mehr oder weniger, dass wir es nicht allein schaffen, dass wir nie ein perfekter Mensch werden, uns Gott aber liebt, wie wir sind.

Als ich nach Israel zurückkam, sah ich Jerusalem mit ganz neuen Augen. Ich sprach dann auch zu meinen Freunden über Jesus. Ihre Eltern sind da oft ausgeflippt. Ich habe mit einem Freund für eine Fensterputzfirma gearbeitet. Unser Chef hat dann einen Typen eingestellt, der bei der Arbeit plötzlich das Neue Testament rauszog und anfing, uns Ungereimtheiten vorzulesen. Wir fanden das etwas seltsam und haben dann unseren Chef gefragt, ob er den nur angeheuert habe, damit er uns von Jesus abbringt. Und der hat das dann auch zugegeben und gesagt, er habe sich um unsere Seelen gesorgt.

Heute besteht meine Glaubensarbeit vor allem daraus, anderen von Jesus zu erzählen. Ich habe das schon in London getan, in Paris, L. A., Chicago, San Francisco. New York ist da eine ganz besondere Stadt und keineswegs so säkular, wie man glauben möchte. In San Francisco will niemand mit einem reden. Die sind so, ey, lass mich in Ruhe, ich hab' mein Telefon, ich bin dann mal weg. Aber in New York kann man jemanden ansprechen, und die sagen einem dann schon ihre Meinung. Aber es gibt eben einen Austausch. Und viele hören einem zu.

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Reverend Kathleen Lyles. Episkopalkirche

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Quelle: SZ

Zum Leben gehört mehr, als nur das, was wir sehen können. Dieses Mysterium ist Teil unseres Lebens. Deswegen sollten wir nicht verzweifeln, wenn wir so viel sehen, was schlimm und furchtbar ist, denn es gibt so viel mehr, was sich unserer Kontrolle vollkommen entzieht. Gott hat die Kontrolle. Deswegen gibt mir mein Glaube nicht nur Hoffnung. Er verkündet sie. Und deswegen ist mein Glaube für mich der Quell, aus dem ich das Wasser der Gnade schöpfen kann, das mich am Leben erhält.

Die Episkopalkirche, der ich als Pfarrerin diene, ist auf der Upper Westside von Manhattan und Teil unsere Bistums, das zu den neun ursprünglichen Bistümern unserer Kirche gehört, die 1789 gegründet wurde, als sie sich von der Church of England trennte. Wir sind aber immer noch Mitglied der Anglikanischen Gemeinschaft. In meiner Familie waren sie keine Kirchgänger. Ich wurde Mitglied der Kirche, weil ich als Teenager Musikerin war und eine Menge junger Leute, die ich damals kannte, für die Kirche Musik schrieb und Gitarre spielte.

Heute predige ich unseren Glauben zu unserer Gemeinde. Es ist aber auch wichtig, dass wir unseren Glauben nicht nur im Gottesdienst praktizieren. Wir müssen ein Leben im Glauben, voller Hoffnung und im guten Willen und solchen Taten gegenüber anderen führen. Denn nur so können wir unseren Glauben auch an unsere Nachkommen weitergeben. Als Vorbilder. Und nur so können wir uns auf ein Leben nach dem Tode vorbereiten. Auch wenn es da gar nicht nur um uns geht. Denn wir werden nicht erlöst, weil wir gut sind, sondern weil Gott gut ist. Und genau das erlaubt uns ein Leben in immerwährender Hoffnung.

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Peter Coughlin. Neopagane Druiden

Freitagsgebet

Quelle: SZ

Wir Druiden folgen keiner Orthodoxie des Glaubens, wir konzentrieren uns mehr auf eine Orthopraxis. Was wir tun, ist viel wichtiger, als was wir glauben. Es gibt also Rituale, in denen wir die Gottheiten anrufen. Die aber keine übernatürlichen Wesen sind. Es gibt nichts jenseits der Natur. Man könnte sie eher als Jung'sche Archetypen bezeichnen. Genauso wie es wichtiger ist, wie man einen Menschen behandelt, und nicht, wie man ihn metaphysisch betrachtet. Und die Gottheiten existieren auch nicht in einem Jenseits, sondern in einer anderen Dimension jenseits unserer Realität, ähnlich wie Physiker von Multiversen reden. Weil uns die Natur so wichtig ist, halten wir unsere Rituale auch nach Möglichkeit in der Natur ab. Wir begehen acht Feiertage. Samhein ist ein großer Feiertag, der kommt aus dem Irisch-Keltischen, das ist an Halloween. Da gibt es dann zum Beispiel Rituale im Central Park. Wir sind ja keine Geheimreligion. Da bringen wir den Gottheiten Geschenke. Das können physische Dinge sein, aber auch Lieder und Gedichte. Dafür erhalten wir ihren Segen. Die zentrale Botschaft dabei ist, dass wir in einer Beziehung zu allen Aspekten der Wirklichkeit existieren und wir diesen allen mit Respekt begegnen. Dafür gibt es verschiedene Wege. Denn weil wir ein polytheistischer Glaube sind, gibt es auch keine einzige, richtige Antwort auf alle Fragen.

© SZ/cag
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