Lotte Jacobi verzichtete auf billige Effekte und wurde doch in den 1920er Jahren die Star-Porträtistin der jungen Bilderindustrie. Vor ihre Kamera brachte sie Künstler wie Klaus und Erika Mann, Karl Valentin und Lotte Lenya. Später fand sie Motive in der Sowjetunion und in den USA. Warum es sich lohnt, in Köln 100 Fotografien von "Miss Jacobi" anzusehen. Von Catrin Lorch
Als die große Nachfrage einsetzt, ist das Medium noch jung, doch die Fotografin Lotte Jacobi kann stolz darauf hinweisen, dass sie schon in vierter Generation zur Fotografin geboren sei. Ihr Urgroßvater Samuelis hatte schon in den 1840er-Jahren bei Daguerre in Paris Apparatur und Lizenz erworben. Doch den Gesichtern ist es noch ein Ereignis, fotografiert zu werden. Und so gelingen Lotte Jacobi, die zwischen Kurfürstendamm und Bahnhof ein Atelier eröffnet hat und die Berliner Verlage mit Motiven beliefert, außergewöhnliche Aufnahmen.
Das Porträt der im Jahr 1928 gerade noch unbekannten Lotte Lenya beispielsweise, entstanden während einer Pressekonferenz zu Bertolt Brechts "Dreigroschenoper" im Theater am Schiffbauerdamm: Die Rolle der Prostituierten sitzt noch lose auf dem Gesicht der jungen Schauspielerin, die kurze Zeit später in der Verfilmung von G.W. Pabst als Seeräuber-Jenny weltberühmt werden wird. Lotte Jacobi zeichnet ihre Präsenz zurückhaltend nach, alles Übertriebene tritt zurück und aus dem Bild blickt die Schauspielerin fast prüfend auf ihr künftiges Publikum.
Text: SZ vom 08.10.2012
Im Bild: Lotte Lenya, Berlin 1928, Deutsches Literaturarchiv Marbach