Fotografie:Schätze aus dem Schloss

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Adolphe Braun pflegte enge Kontakte zum bayerischen König Ludwig II. Nun widmet ihm das Münchner Stadtmuseum eine umfangreiche Ausstellung

Von Jürgen Moises

In den Neujahrstagen des Jahres 1978 gab es in den wichtigsten Tageszeitungen und Kunstzeitschriften in Frankreich zwei große Nachrufe zu lesen. Der eine bezog sich auf Gustave Courbet, den heute als Begründer des Realismus hoch geschätzten Maler, der völlig verschuldet im Schweizer Exil verstarb. Der andere war Adolphe Braun gewidmet, zu Lebzeiten ein hoch geachteter und erfolgreicher Foto-Unternehmer, den aktuell kaum noch jemand kennt. Dabei war Braun Chef-Fotograf des Louvre, war unter Napoleon II. kaiserlicher Hof-Photograph, er durfte Papst Pius IX. und Papst Leo XIII. fotografieren und unterhielt, was selbst noch Braun-Kenner überraschen dürfte, enge Kontakte zu Ludwig II. König von Bayern.

Die fotografischen Belege dafür gibt es von diesem Freitag an im Münchner Stadtmuseum zu sehen, in der Ausstellung "Adolphe Braun. Ein europäisches Photographie-Unternehmen und die Bildkünste im 19. Jahrhundert". Es ist in Deutschland die erste große Überblicksschau, die sich dem zu Unrecht vergessenen Fotografen und Unternehmer widmet. Ludwig II. war um 1872 an diesen herangetreten, damit er mit seinen fotografischen Mitarbeitern bedeutende Kunst- und Bauwerke aus der Epoche von Louis XIV bis Louis XVI. dokumentiere. Denn der bayerische König, man weiß das von seinen Schlossbauten in Linderhof und Herrenchiemsee, war ein großer Bewunderer des Ancien Régime. Und damit seine Architekten, Maler und Bildhauer etwa den Spiegelsaal von Versailles nachbauen konnten, bedurfte es qualitätvoller Fotografien. Für diese war Adolphe Braun damals europaweit bekannt.

Auf diesen Bezug zu Ludwig II. ist Ulrich Pohlmann, Leiter der Sammlung Fotografie im Münchner Stadtmuseum, jedenfalls bei Recherchen im Bayerischen Hauptstaatsarchiv gestoßen, die ihn dann ausgehend von einer Notiz und vielen Geschäftsbriefen weiter ins Wittelsbacher Archiv und schließlich ins Nymphenburger Schloss führten. Dort lagert eine Graphik- und Fotografiesammlung des Königs, die schätzungsweise 20 000 Blätter umfasst. Und die leider, wie sich herausstellte, nicht nach den Namen der Hersteller, sondern nach Motiven gegliedert ist. Es war sicher kein Leichtes, die Blätter der Firma "Ad. Braun et Cie" dort herauszusuchen, von denen man nun etwa eine Darstellung des Versailler Spiegelsaals oder die einer königlichen Sänfte aus unterschiedlichen Perspektiven sieht.

Aus der königlichen Sammlung stammt aber nur ein kleiner Teil der Bilder im Stadtmuseum. Hinzu kommen zahlreiche internationale Leihgaben und sehr viele Werke aus dem eigenen Bestand. In insgesamt dreizehn Kapiteln machen sie das Bild eines sehr umtriebigen und vielseitigen Unternehmers erkennbar und erzählen gleichzeitig auch sehr viel über die Geschichte der Fotografie. Diese war, als Braun mit Anfang 40 in den 1850ern ins Fotogeschäft einstieg, als ein Diener der Künste geduldet, in ihrem eigenen Kunststatus aber bei weitem nicht anerkannt. Dazu passt es denn auch, dass Adolphe Braun zunächst mit Blumenstudien reüssierte, die eigentlich als Vorlagen für Textilhersteller gedacht waren. Weil sie aber so "malerisch" und detailnah gemacht waren, erregten sie auch als eigenständige Bilder bei der Weltausstellung 1855 Aufsehen. Ausgewählte Beispiele sind in der Ausstellung zu sehen. Danach geht es mit Jagdstillleben und Tierbildern weiter, mit Schweizer Ansichten und Bildern der Gotthardbahn; es gibt Panoramen von Städten und Landschaften, Ägypten-Ansichten von einer Reise zum Suez-Kanal sowie Bilder aus dem Deutsch-Französischen Krieg.

Sie alle zeigen, was Braun als Foto-Unternehmer alles probiert hat, wie er mit Genres, Motiven und fotografischen Techniken experimentieren ließ. Ungewöhnlich sind dabei etwa einige Tierbilder, die mit Schärfe und Unschärfe arbeiten. Oder auch die Aufnahmen aus den schweizerischen Alpen, für die Braune seine Fotografen und Techniker die mehr als 100 Kilogramm schwere Ausrüstung bis hinauf zu den Gipfeln schleppen ließ. Ganz anders bei den "Schweizer Trachten", die Braun vor gemalter Kulisse hochkünstlich im Studio produzieren ließ. Auch mit der Stereo-skopie und Panoramakameras wurde bei der Firma Braun experimentiert.

Den größten Erfolg erreichte Adolphe Braun, der seine Firma als Familienunternehmen führte und teilweise mehr als 100 Mitarbeiter beschäftigte mit den Reproduktionen von Kunstwerken. Mehr als 30 000 Werke italienischer, niederländischer, französischer oder deutscher Kunst wurden von Ad. Brau et Cie dokumentiert, die in Museen und Kunstschulen Einzug hielten. Als Höhepunkte sind ein Glasplattennegativ der Venus von Milo sowie Aufnahmen aus der Sixtinischen Kapelle in der Ausstellung zu sehen. Dazu gehören Detailaufnahmen von der Erschaffung Adams, Bilder die heute fast jedes Kind kennt. Die Kunstgeschichte als Disziplin, auch sie wurde vom mutigen Fotografen und Unternehmer Adolphe Braun entscheidend mit geprägt.

Adolphe Braun. Ein europäisches Photographie-Unternehmen und die Bildkünste im 19. Jahrhundert ; bis 21. Januar, Münchner Stadtmuseum, St. Jakob-Platz 1

© SZ vom 06.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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