Fotografie: Pierre et Gilles:Die süße Haut

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Jung, männlich und erregt sind die Körper, die Pierre et Gilles fotografieren: Christentum gepaart mit Popkultur und Pornographie.

Laura Weissmüller

Das hat bislang nur Annie Leibovitz geschafft: Bei der Eröffnung der Retrospektive von Pierre et Gilles in Berlin standen die Vernissagegäste schon draußen, auf der Oranienburger Straße, Schlange. Drinnen, in der Foto-Kunsthalle c/o Berlin, ging es eng zu: Neben dem üblichen Kunstpublikum drängte sich die schwule Community vor den Fotografien des französischen Künstlerpaares. Süßer Parfümgeruch hing in den Räumen des ehemaligen Postfuhramts.

Das Geruchsambiente passte perfekt zu den knallbunten Bildern von Pierre et Gilles. Die ausgestellten 80 großformatigen Fotografien aus den siebziger Jahren bis heute sind schließlich ein einziges Loblied auf die Freuden des Kitsches: schöne Körper, vornehmlich männlich, jung und sichtlich erregt, vor phantasievollen Kulissen drapiert. Für ihre Motive plünderte das Duo fröhlich die Schatzkiste der christlichen Ikonographie, der griechischen Mythologie und der Popkultur; ein wenig Pornographie ist auch dabei. Das kann man schrecklich finden oder höchst amüsant: Wo sieht man sonst schon mal den heiligen Sebastian vor glitzernder Großstadtkulisse?

Die Retrospektive beginnt mit Arbeiten aus den siebziger Jahren, die klare Bezüge zur Pop Art aufweisen: Iggy Pop blickt da den Betrachter mit kirschrotem Kussmund und weit aufgerissenen Augen vor knallrotem Hintergrund an. Das Foto stammt aus den Anfängen der Zusammenarbeit des Fotografen Pierre Commoy, geboren 1950, mit dem drei Jahre jüngeren Maler und Werbegrafiker Gilles Blanchard. Die Arbeitsteilung stand da schon fest: Pierre fotografiert, Gilles retuschiert und koloriert die Abzüge. Die Unikate bekommen dadurch etwas Malerisches, manchmal scheint sich der Hintergrund in den aufgetupften Farben fast aufzulösen.

In den vergangenen 30 Jahren haben Pierre et Gilles immer mal wieder Prominente in ihre Phantasiewelten eingebaut. Catherine Deneuve sieht man als zart schimmernde Märchenprinzessin, Nina Hagen als schrille Domina in der gutbürgerlichen Stube. Seit Anfang des neuen Jahrtausends sind die Fotografien der beiden sichtbar düsterer geworden: Ihre Kulissen erinnern häufig an Untergangsszenarien. Als wollten Pierre et Gilles diesen Eindruck mit Schönheit abschwächen, glänzen die Adoniskörper ihrer Fotomodelle jetzt jedoch noch ein wenig mehr.

Pierre et Gilles. Retrospektive, c/o Berlin, bis 4. Oktober, www.co-berlin.info

© SZ vom 31.7.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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