Fotografie: Nachbarschaft:Fenster zum Hof

Der deutsche Nachbar - das ist für gewöhnlich eine Horrorgeschichte. Doch Fotograf Andreas Herzau wagte es, sich in einen Reihenhaus-Wohnpark einzuschleusen. Spießertum oder Kult?

Johan Schloemann

8 Bilder

Reihenhaus

Quelle: Andreas Herzau/laif

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Spießertum oder Kult? Der Fotograf Andreas Herzau beobachtete die deutsche Reihenhaus-Nachbarschaft zwischen Gartenschlauch, Garage und Grill.

Der deutsche Nachbar - das ist für gewöhnlich eine Horrorgeschichte. Klagefreudig und missgünstig und engstirnig ist das Personal dieser Horrorgeschichte, geübt im zermürbenden, kleinräumigen Stellungskrieg um Lärmbelästigung, Parkplatzregelungen und die Exegese von Mülltrennungsvorschriften.

Text: Johan Schloemann/ SZ vom 30.7.2010/ sueddeutsche.de/luc

Alle Bilder stammen aus dem besprochenen Fotoband (Nachbarschaft, Fotografien von Andreas Herzau, Texte von Walter Siebel, Bernd Kniess, Christopher Dell und Christiane Florin, hrsg. v. Daniel Arnold, Callwey Verlag, München 2009, 240 Seiten, 39,90 Euro).

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Quelle: Deutsche Reihenhaus AG

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Der Fotograf Andreas Herzau ist für drei Monate in eine Reihenhaussiedlung in Kaiserslautern gezogen und hat anderes erlebt. In dem gerade neu gebauten "Wohnpark" mit 47 Parteien konnte er beobachten, wie sich eine Nachbarschaft neu formiert und wie sich dabei auf engem Raum Bekanntschaft und Distanz doch recht passabel auspendeln können.

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Quelle: Deutsche Reihenhaus AG

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Das anfängliche Wohlwollen - die Soziologie spricht von "Pioniersituationen" - mag nicht ganz repräsentativ sein. Doch es gibt nicht nur unter frisch Zugezogenen auch solche Nachbarn in Deutschland, wie sie der Fotograf in Kaiserslautern angetroffen hat, nämlich welche, die dem Motto folgen: "Mit Freundlichkeit kommt man schon zurecht."

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Quelle: Deutsche Reihenhaus AG

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Derartige Zitate der Bewohner sind zwischen die Fotos geschaltet, die Herzau zu einem interessanten Bildband arrangiert hat (Nachbarschaft, Fotografien von Andreas Herzau, Texte von Walter Siebel, Bernd Kniess, Christopher Dell und Christiane Florin, hrsg. v. Daniel Arnold, Callwey Verlag, München 2009, 240 Seiten, 39,90 Euro).

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Quelle: Deutsche Reihenhaus AG

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Was hier entsteht, ist ein Alltagspanoptikum, ein wenig an den englischen Fotografen Martin Parr erinnernd, nur nicht mit derselben gezielten Schonungslosigkeit; es ist das ganz normale Kleinbürgerleben, zwischen Gartenschlauch und Garage, Grill und Tischtennisplatte.

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Quelle: Deutsche Reihenhaus AG

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Ein beigefügter Essay des Oldenburger Stadtsoziologen Walter Siebel bewahrt aber auch davor, heutige Nachbarschaft zu idealisieren. Für Kinder und alte Menschen sei Nachbarschaft, so Siebel, nach wie vor von großer Bedeutung, und das werde sich mit dem demografischen Wandel noch verstärken.

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Quelle: Deutsche Reihenhaus AG

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Doch anders als in der Vormoderne bedeutet Nachbarschaft nicht mehr ökonomische Abhängigkeit voneinander, nicht mehr schicksalhafte Symbiose. "Moderne Kontaktnetze beruhen auf Wahlfreiheit." Die mobile Arbeitsgesellschaft und Verstädterung geht mit dem Wunsch nach mehr Abstand einher, mit der Intimisierung der privaten Wohnung.

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Quelle: Deutsche Reihenhaus AG

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Und so ist die Frage von Nähe oder Grenzziehung auch das eigentliche Thema dieses Bildbandes. Man hält mal ein nettes Schwätzchen und leistet sich Hilfe - doch nach wie vor sind die Deutschen die Weltmeister des Zäunebauens und der Rollläden. Einer der Nachbarn sagt enttäuscht: "Ich habe am Anfang gedacht, das bleibt hier alles offen."

© sueddeutsche.de/luc
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